Seit Jahren beklagen Arbeiterkammer und Gewerkschaft lautstark eine vermeintlich größer werdende Kluft zwischen hohen und niedrigen Einkommen. Sie führen dies auf das Sinken der Lohnquote zurück. Dabei kann die Lohnquote aufgrund ihrer Konstruktion in einer modernen Gesellschaft nur sinken.

Die jährlich publizierte OECD-Studie „Growing Unequal“ kommt zum Schluss, dass sich die Verteilung der Einkommen zwischen Arm und Reich in Österreich über die letzten 25 Jahre hinweg fast gar nicht verändert hat. Von 1995 bis 2009 ist der sogenannte Gini-Koeffizient, die Kennzahl für das Maß an Ungleichheit in einer Gesellschaft, sogar von 0,27 auf 0,257 gesunken! Von einer Kluft-Bildung kann wissenschaftlich betrachtet also keine Rede sein. Heute erwirtschaften (und bezahlen) „die obersten 10%“ beinahe 60% der Lohnsteuer.

„Von Steuer befreit sind…“

Gerne erzeugt man den Eindruck, immer weniger Menschen würden immer weniger Lohnsteuer abliefern, weil sie immer weniger verdienen würden. Dabei sind in den letzten 15 Jahren immer mehr Steuerpflichtige bewusst von der Lohnsteuer ausgenommen worden. 2005 schaffte die schwarzblaue Regierung die Lohnsteuerpflicht für Kleinstverdiener ab, 350.000 Bürger waren von einem Tag auf den anderen von der Steuerpflicht ausgenommen.

Natürlich ist ein Handelsangestellter mit 1.500 Brutto im Monat nicht reich. Als der Autor 1995 im Filialleiterkurs eines österreichischen Handelskonzerns saß, bekam der Handelsangestellte aber ganze 500 Euro - Brutto. Und diese 500 Euro waren noch zu versteuern. Alleine die Miete des Autors war damals höher. In nur 15 Jahren haben sich die Einzelhandelslöhne aber um 200% erhöht, die Inflation jedoch nur um 33% (VPI 1995-2011). Bis 1.200 Euro Brutto ist heutzutage gar keine Lohnsteuer mehr zu bezahlen.

Modernisierung kürzt Lohnquote

Gerne „frisieren“ Burschen ihr erstes Moped hinauf. Beim Lohnquotenkonzept „frisiert“ man Ergebnisse hinunter. Die Lohnquote ist ein Instrument der 1970er Jahren, das international fast nur noch von Gewerkschaften verwendet wird, weil eine vorhersagbar (sinkende) Aussage ihre Argumentationslinie unterstreicht.

Die Lohnquote gibt den Anteil der Löhne am gesamten Bruttoinlandsprodukt an, den verbleibenden Rest nennt man Gewinnquote und schreibt sie pauschal den Unternehmern zu. Betragen die Arbeitnehmerbezüge also 65% am BIP, dann betragen die Gewinneinkünfte folglich 35%. Um wenigstens eine Mindestaussagegüte zu erreichen, „bereinigt“ man die Ergebnisse, indem man manchmal etwa den steigenden Anteil von Teilzeitkräften berücksichtigt.

Auf dem Weg zu einer internationalen Dienstleistungswirtschaft führt beinahe jede Veränderung zu einer Verringerung der Lohnquote. Ohne dass es Lohnempfängern dafür schlechter ginge.

Viele Jobs, die früher im Angestelltenverhältnis erledigt wurden, werden heute „selbstständig“ erledigt. Steuerberater, die vor 30 Jahren angestellt waren, arbeiten heute auf Selbstständigen-Basis für ihren Chef. Obwohl sie also keine wesentlich andere Arbeit machen als die Generation zuvor, beziehen sie nicht mehr Lohn-, sondern Selbstständigen-Einkünfte. Also Unternehmer-Gewinneinkünfte. Damit schrumpft aber die Lohnquote zugunsten der Gewinnquote.

Heute gründen 28.000 Menschen jährlich eine Firma. Vor 30 Jahren war es gerade einmal die Hälfte. Viele Branchen gab es vor 30 Jahren noch gar nicht. Und die vielen neuen Branchen werden heute überwiegend selbstständig ausgeübt, obwohl man sie früher eher als Angestelltentätigkeit gesehen hätte. So war EDV-Beratung 1980 ein Fremdwort. Und die ersten Berater hatte man in den 1980ern tatsächlich noch fix angestellt. Doch das mochte irgendwie nicht so recht in die Mentalität der neuen „IT-Generation“ hineinpassen. Und so sind EDV-Berater heute meist selbstständig. Genauso wie Marketingberater oder Webdesigner.

Es stimmt: Die Bruttolohnquote war in den 1970ern und 1980ern um einige Prozentpunkte höher als heute. Aber auch nur deshalb, weil Österreichs Staats- und Gemeindewesen Zehntausende Beamte und Angestellte in Staatskonzernen und Ministerien aufgenommen und überdurchschnittlich hoch bezahlt hatte. Auf Pump, denn Österreichs Staatswesen verursachte so wie seine Staatskonzerne hohe jährliche Verluste, deren Schuldendienst heute über höhere Steuern und Gebühren die Nettolöhne kürzen.

ÖIAG-Dividenden kürzen Lohnquote

Wie gering die Aussagekraft der Lohnquote überhaupt ist, sieht man anhand ihres Pendants, der Gewinnquote. Da fließen etwa die Milliardengewinne der Nationalbank und die der mittlerweile profitablen Staatswirtschaft (ÖIAG) mit ein. Damit wird die Lohnquote automatisch geringer. Doch die ÖIAG-Dividenden landen nicht Unternehmerhänden, sondern beim Staat, der sie als Sozialleistungen an Herrn und Frau Österreicher auf`s Girokonto überweist.

Längst sind auch nicht mehr alle „Lohnbezieher“ so arm wie von manchem Lohnquoten-Verwender propagiert. Alleine von 1999 bis 2009 sind die Kapitalerträge privater Haushalte von 13 auf 29 Milliarden Euro gestiegen. Viele Angestellte, die auf´s Land ziehen, vermieten ihre alte Wohnung. Und erzielen damit plötzlich Mieteinkünfte, also Gewinneinkommen. So wie der Wohnbau fördern aber auch moderne Vorsorgeinstrumente wie Pensionsvorsorge und Bausparen die Gewinnquote, denn die Zins- und Dividendenerlöse erhöhen die Gewinnquote – auch wenn (wie in den meisten Fällen) ein Angestellter sie im Rahmen seines Sparproduktes bezieht.

AK-Politik: Sozialausgaben kürzen Lohnquote

Österreich ist Weltmeister bei Sozialleistungen wie Arbeitslosen- und Familienleistungen. Fast 37% des Haushaltseinkommens kommen bereits aus Sozialleistungen. Diese werden aber in der Lohnquote nicht berücksichtigt – in Wahrheit müsste man die Lohnquote aber um diesen Betrag (beträchtlich) erhöhen.

Und last but not least ist es die Arbeiterkammer selber, deren jahrzehntelange Politik für einen überbordenden Pensionen-Staat die Lohnquote sinken lässt. Unvorstellbare 16% des BIPS gibt Österreichs vor allem für seine Beamten- und ASVG-Pensionisten aus (Statistik Austria, 31.7.12). Mit jedem Pensionisten verliert die Lohnquote aber einen gut verdienenden Älteren, der von einem (anfangs) gering verdienenden Jungen ersetzt wurde. Selbstredend fließen auch die Pensionen nicht in die Lohnquote ein.

Das Lohnquotenkonzept sagt also weder etwas über die Entwicklung von Arbeitnehmereinkünften aus - noch über eine vermeintliche Kluft bei den Einkommen. Aber umso mehr über die wahren Absichten seiner Verwender.

Michael Hörl.

In „Deutschland lügt sich links“ („und Österreich lügt mit“), erläutert der Wirtschaftspublizist, warum Europas Eliten ihre Bürger in Schulen, Unis, NGOs und Medien nach dem marxistischem Gleichheitsbegriff erziehen wollen - und wie sie die Bürger darum täglich in der Presse anlügen.

„Deutschland lügt sich links“ ist bei Lichtschlag erschienen und hat 452 Seiten.

Zuvor erschienen:

„Die Finanzkrise und die Gier der kleinen Leute“ (2011) - warum Politik und Staat Finanzkrise auslösen.

„Die Gemeinwohl-Falle“ (2012)

Das erste Globalisierungskritiker-kritische Buch Europas

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