Praktizierte Meinungs(un)freiheit an einer deutschen Universität

Unlängst fand ich mich nach langer Zeit mal wieder in einem Vorlesungssaal der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz wieder. Die Genoss*innen der Hochschulgruppe "Linke Liste" hatten alle Studierenden und Angestellten dazu aufgerufen, gegen die menschenverachtende, rassistische und klassistische Ideologie des vortragenden Gastes, den Politikwissenschaftler Prof. Dr. Werner Patzelt, zu sprechen. Werner Patzelt war in die Schlagzeilen gekommen, weil er bei PEGIDA-Demonstrationen an der Seite gestanden und die Demonstrierenden beobachtet hat. Er wurde dafür kritisiert, dass er sich der PEGIDA-Bewegung zu sehr angenähert hätte.

In Mainz war Werner Patzelt im Rahmen des Studiums Generale zum Themenschwerpunkt "Heimat heute" dazu eingeladen worden, einen Vortrag zu halten. Der Titel des Vortrags war "Heimatliebe, deutscher Patriotismus und neue rechte Bewegungen" (Ein Abstract seines Vortrages kann auf den Seiten der JGU nachgelesen werden -> Link). Ich hatte mich darauf eingestellt, einen Vortrag über neue rechte Bewegungen aus der Sicht Patzelts und Patzelts Versuch, einen Heimatbegriff zu konstruieren, zu hören. Ich hatte nie große Sympathien für Patzelt, weil er politisch völlig anderer Meinung ist als ich, aber meine Hoffnung war, ihn nach dem Vortrag etwas besser zu verstehen.

Leider kam es nicht dazu, da die bereits erwähnten Genoss*innen dafür gesorgt hatten, dass Patzelt keinen einzigen Gedankengang zu Ende führen konnte, ohne dass aus dem Plenum ihm etwas entgegenschallte wie "Rassismus ist keine Meinung". Das pubertäre Theater habe ich mich bis zur Hälfte des Vortrags gegönnt, um dann zu gehen.

Die Genoss*innen der Linken Liste konnten es offensichtlich nicht ertragen, dass ein konservativer Professor mit CDU-Parteibuch einen Vortrag an der Mainzer Universität hält. Die Zwischenrufe waren auch nicht immer im Zusammenhang mit dem Vortragsinhalt, sondern sollten Patzelt offensichtlich nur verunsichern. Ich hatte zwischendurch schon Bewunderung dafür, wie alle Vorwürfe und Phrasen einfach an Patzelt abgeprallt sind und er wartete, bis es wieder ruhig wurde, um fortfahren zu können. Die Angehörigen der Linken Liste haben die ganze Veranstaltung so sehr gestört, dass sie größere Teile des Plenums gegen sich aufgebracht haben, die dann auch zurückriefen, dass sie doch abhauen sollen, wenn es ihnen nicht gefällt.

Einerseits fand es der Anarchist in mir lustig, dass eine Vorlesung so leicht aus dem Ruder zu bringen ist, aber ich wollte mir den Patzelt erst einmal in Ruhe anhören. Nach jeder Vorlesung gibt es die Möglichkeit für Nachfragen und Kritik. Dann hätten meinetwegen die Genoss*innen ihm alles vorwerfen können, was ihnen einfällt, ob polemisch, ungerecht und schmähend. Aber dieses Vorgehen war strategisch schlecht, weil sie große Teile des restlichen Plenums gegen sich aufgebracht haben.

Ist das unser Bild von Meinungsfreiheit, dass wir jemanden, den wir nicht leiden können so lange anschreien, bis er seine Meinung nicht mehr sagen will? Ich halte wenig davon. Ist das die maximale Geistesgröße, die wir erreicht haben, dass wir nicht mehr unsere Meinungen austauschen, sondern mit aller Kraft versuchen, uns gegenseitig daran zu hindern, dass sie überhaupt formuliert wird? Ich dachte aus einer Universität kamen einst Impulse für die Politik, die von Relevanz waren. Inzwischen findet auf deutschen Campus derselbe politische Kleinkrieg statt, wie in der politischen Öffentlichkeit. Schade.

post skriptum: Einige mögen sich an den Vorfall an der Uni Magdeburg erinnert fühlen, aber während meiner Anwesenheit ist kein Tumult oder ähnliches im Vorlesungssaal entstanden, und ich habe hinterher von keinen besonderen Vorfällen gehört. Ich musste allerdings am Abend an den Vorfall in Magdeburg denken und zwar als ich das Gebäude verließ und die Universität Mainz vorsorglich wohl schon die Polizei bestellt hatte, die dort mit einer Streife wartete und sich fragte, ob sie wohl gebraucht werden würde. Ist das die neue Richtung in die es geht, Vorlesungen unter Polizeischutz?

post post skriptum: Der Vorfall ist auch von den Campus-Nachrichten aufgegriffen worden. Hier nachzulesen: http://www.campus-mainz.net/newsdetails/news/verpiss-dich-buhrufe-gegen-politikprofessor-patzelt/

Wkpatzelt https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Werner_Patzelt.jpg

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philip.blake

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