Von POMMES LEIBOWITZ | Meine Meinung ist Fakt, deine Meinungen sind Fake-News. Du leugnest meine Meinung, also bist Du ein Leugner. Und überhaupt: wer am lautesten schreit und am deftigsten beleidigt, hat (un)recht.

Was ist aus der Streit- und Diskussionskultur geworden, die Basis jeder Demokratie ist? Wie konnte es passieren, dass es immer mehr Menschen gibt, die den Unterschied zwischen belegten Fakten auf der einen Seite, und Meinung, These und Interpretation auf der anderen, nicht verstehen und dann nach Gefühl und persönlicher Moral entscheiden, was gefälligst richtig und wahr zu sein hat.

Pommifizierte Peanuts

Beliebte "Argumente":

[alle hier und in anderen Foren schon gelesen, in beiderlei Richtung]

Du bist nicht besonders helle/dumm/naiv! (Was zu beweisen wäre)

Du bist ungebildet ("... während ich Akademiker bin" - Letzteres hier tatsächlich schon gelesen, ernsthaft ;))

Du präsentierst hier Dein frisch angelesenes, gefährliches Halbwissen!

Auf wievielen Neuronen fährst Du? Ich schätze 3 - 5.

Das ist Stammtisch-Niveau! (Linker oder rechter Stammtisch?)

Du lebst in einer Echokammer! (Stimmt, tun wir alle)

Du hast keine Ahnung von Wissenschaft (sagte der Straßenkehrer zum Trucker)

Ich habe 99 Prozent der Wissenschaftler hinter mir! (Ob die das wissen, die Wissenschaftler?)

Du bist ein Klimaleugner/Klimagläubiger! (Das Eine impliziert das andere, nur im Glauben gibt es "Leugner".)

Du bist ein AfD-Groupie/Stalinist (wobei die AfD eine demokratische und legale Partei ist, während Stalin ein blutrünstiger und unfähiger Diktator war. Aber wer links ist, kann halt kein ganz schlechter Kerl sein, rechts dagegen ...)

Du schreibst auf rechtspopulistischen Plattformen! (Den umgekehrten Vorwurf gibt es merkwürdiger Weise nicht, obwohl es doch viel mehr linkspopulistische und -extremistische Plattformen gibt, die grotesken bis verfassungsfeindlichen Unsinn schreiben. Ohnehin ist ein Rückschluss von der Plattform auf den Autor ein unzulässiger Umkehrschluss.)

Du verbreitest Fake-News! (Benötigt keinen Beleg, da der Verkünder solcher Trivial-Statements eh nicht weiß oder versteht, was Fakten und Belege sind. Die Behauptung, etwas wäre eine Fake-News, ist mittlerweile vermutlich die häufigste Fake-News.)

»In Religion und Politik werden die Überzeugungen der Menschen in fast allen Fällen aus zweiter Hand und und ohne Prüfung übernommen, von Autoritäten, die ihrerseits die in Rede stehenden Fragen nicht selbst geprüft hatten, sondern sie ihrerseits von anderen Nichtprüfern aus zweiter Hand übernommen haben.«

Mark Twain

Aber jetzt mal im Ernst: Was ist ein Argument?

Der lateinische Wortstamm "Argumentum" ist zweideutig. Er kann eine Darstellung meinen oder auch einen Beweis (oder Indiz). Viele Leute betrachten die Darstellung ihrer Meinung bereits als Beweis bzw. Argument, so dass beide Bedeutungen bis heute aktuell sind ;)

Nach Aristoteles beruht Logik auf Prämissen und Konklusionen.

Prämissen sind Aussagen, die wahr oder falsch sein können. Modern könnte man es auch, je nach dem, Fakten, Beobachtungen oder Vermutungen nennen. In der Wissenschaft sind oft Thesen (naheliegende Vermutungen) die Prämissen, die dann zu logischen Schlussfolgerungen (Theorien) führen. Solche Theorien können allerdings in der Praxis nur an der Qualität ihrer Vorhersagen gemessen werden, oder im Idealfall experimentell (also jederzeit wiederholbar) bestätigt werden. Was meist nur in den Naturwissenschaften gelingt.

Prämissen (Fakten):

Schlussfolgerungen (Konklusionen) gehen davon aus, dass die Prämissen wahr sind. Ist auch nur eine der Prämissen falsch, so ist natürlich auch eine eigentlich richtige Schlussfolgerung daraus falsch.

In den meisten Fällen praxisnaher Problemlösung bzw. Entscheidungsfindung sind die Prämissen nur auf Erfahrung oder auf der Übertragung bekannter Muster auf unbekanntes Terrain basierend. Und natürlich können auch die konkreten Daten falsch sein, was selbst in der Wissenschaft vorkommt und noch häufiger bei Statistiken, die fast immer mit gewissen (politischen oder eigennützigen) Intentionen erstellt wurden.

So ist ein Wissenschaftler geneigt, seine Beobachtungen durch selektive Auswahl der Daten spektakulärer zu machen, um z. B. an Fördergelder zu gelangen, während die Politik generell Interesse daran hat, bestimmte Sachverhalte zu beschönigen. Die Vielzahl der dabei zum Einsatz kommenden Manipulationsmöglichkeiten habe ich bereits in anderen Blogs aufgezeigt, z. B. die Statistiken über linke und rechte Gewalt betreffend.

Schlussfolgerung (Konklusion)

Auch logische Schlussfolgerungen sind nicht immer zwingend. Nachfolgend ein Beispiel.

Wissensstand (Gesetzmäßigkeit): Beim Betätigen der Bremse wird ein Fahrzeug langsamer.

Beobachtung: Das Fahrzeug wird langsamer.

Mögliche aber nicht zwingende Schlussfolgerung, auch Abduktion genannt: Das Fahrzeug wurde gebremst.

Dies als zwingend anzunehmen, ist, neben dem unzulässigen Umkehrschluss, einer der häufigsten Logikfehler, u. a. Basis quasi sämtlicher Thesen zum menschengemachten Klimawandel. Diese Thesen basieren auf einer möglichen aber nicht zwingenden Schlussfolgerung aus zudem viel zu geringer und teilweise selektiv ausgewählter Datenlage, womit gleich sämtliche oben beschriebenen Fehlerquellen zum Einsatz kommen.

»Wissenschaft hat etwas Faszinierendes an sich. So eine geringfügige Investition an Fakten liefert so einen reichen Ertrag an Voraussagen.«

Mark Twain

.

Systematik der Schlussfolgerungen:

Einzig zwingend immer zutreffende Schlussfolgerung ist die Deduktion. Sie ist der Schluss von der Bedingung (Ursache) und der Regel (Gesetzmäßigkeit) auf die Konsequenz (Wirkung).

Deduktion: Ursache & Gesetz --> Wirkung

Beispiel: Apfel löst sich vom Baum (Bedingung/Ursache), Gravitationsgesetz (Regel) --> Apfel fällt Richtung Erdboden.

Möglich aber nicht zwingend sind dagegen folgende Schlussfolgerungen:

Die Induktion ist der Schluss von der Bedingung (Ursache) und der Konsequenz (Wirkung) auf die Regel (Gesetzmäßigkeit).

Induktion: Ursache & Wirkung --> Gesetz

Beispiel: Ein Zettel fällt mir aus der Hand (Ursache), er weht davon (Wirkung) --> Zettel fliegen immer davon, wenn man sie loslässt (unzutreffendes Gesetz)

Es leuchtet ein, dass, für das Formulieren einer allgemeingültigen Gesetzmäßigkeit, die Wirkung als Folge einer Ursache jederzeit und unter unterschiedlichsten Bedingungen wiederholbar sein muss. Gerade dabei wird allerdings fast immer, selbst in der Wissenschaft, gewaltig geschludert; - aus Bequemlichkeit, Zeitnot, aber auch getrieben von der schlichten Gier nach neuen Sensationen und Entdeckungen.

Abduktion ist der Schluss von der Regel (Gesetzmäßigkeit) und der Konsequenz (Wirkung) auf die Bedingung (Ursache).

Abduktion: Gesetz & Wirkung --> Ursache

Beispiel: Bremsen verlangsamt die Bewegung eines Fahrzeugs (Gesetz), ein Fahrzeug wird langsamer (Wirkung) --> Das Fahrzeug wurde gebremst (nur eine unter vielen ursächlichen Möglichkeiten)

Auch dies ist eben keine zwingende Folgerung, denn man kann niemals ausschließen, dass andere Ursachen die gleiche Wirkung erzielen (siehe obiges Beispiel mit dem gebremsten Fahrzeug: Alternativ kann es eben auch bergauf gehen, etwas kann am Boden schleifen etc.).

Unzulässiger Umkehrschluss (auch das ein häufiger Fehler)

Tiger sind Katzen, ist eine wahre Aussage, lässt aber nicht den Umkehrschluss zu, dass alle Katzen Tiger sind. Dennoch im Alltag, bei verklausulierteren Tatbeständen, eine ständige Denkfalle.

Und dann gibt es noch den Analogieschluss:

Auch er ist möglich aber nicht zwingend. Das klassische Atommodell war z.B. ein Analogieschluss aus dem Sonnensystem. Die wirkenden Kräfte (Gravitation und gegensätzliche elektrische Ladungen) sind ähnlich, also ging man davon aus, dass Elektronen um den Protonenkern flitzen.

Solche Analogien spielen vermutlich die größte Rolle beim lösungsorientierten Denken. Man überträgt bekannte Muster, die funktionieren, auf andere Gebiete und zieht daraus seine Schlüsse. Dies ist heute als "Framing" in Verruf geraten bzw. zum politischen Kampfbegriff geworden, aber Tatsache ist schlicht, dass es die Basis menschlichen Denkens ist und deshalb natürlich auch missbraucht werden kann, um Menschen zu manipulieren.

»Noch niemals sah ich einen Menschen, der wirklich die Wahrheit sucht. Jeder, der sich auf den Weg gemacht hatte, fand früher oder später, was ihm Wohlbefinden gewährte. Und dann dann gab er die weitere Suche auf.«

Mark Twain

Beispiele für fehlerhafte Argumentation

Beim Vergleich der Lebensläufe zweier Damen konstatierte ich, dass die eine Dame im Alter von 16 das Abitur mit der Note 1,0 absolvierte, während die andere in diesem Alter erst den Hauptschulabschluss erlangte. Im Forum entstand dann eine endlose Diskussion darüber, dass dieser Abschluss in Schweden nicht "Hauptschulabschluss" heiße. Es wurde gewissermaßen ein Scheingefecht geführt, mit dem Ziel, von der schlichten Tatsache abzulenken, dass die zweite Dame eben noch keinen höheren Schulabschluss erworben hatte, weder Realschule noch Abitur/Matura.

Wie man dieses Fehlen eines höheren Schulabschlusses benennt, ist reine Makulatur. In Deutschland heißt oder hieß es zumindest qualifizierter Hauptschulabschluss. Die Frage ist deshalb nur, ob der gegnerische Diskutant böswillig (destruktiv rhetorisch) agierte, oder eben einfach nur zu dumm für folgerichtiges Denken ist.

Der Unterschied in der schulischen Qualifikation der Damen ist jedenfalls frappant, was zu beweisen war und anhand von Fakten bewiesen wurde. Und mit dem angeführten Scheinargument weder widerlegt noch relativiert wurde.

»Schreibe nicht der Böswilligkeit zu, was durch Dummheit hinreichend erklärbar ist.«

Geflügeltes Wort

In einem anderen Beitrag verglich ich die derzeit stattfindenden Sprachmanipulationen (Genderisierung, Politische Korrektheit, politische Kampfbegriffe) mit dem von George Orwell beschriebenen Neusprech und fand erstaunliche Parallelen, die ich anhand von Beispielen ausführte. Dies war eine auf hinreichenden Indizien basierende These zum derzeitigen Politsprech.

Jetzt kam ein Diskutant daher, der weder den Unterschied zwischen These und Faktum begreift, noch zu folgerichtigen Schlussfolgerungen fähig ist. Er unterstellte mir, ich würde das von George Orwell beschriebene faschistische System mit dem derzeit herrschenden, deutschen System vergleichen (unzulässiger Umkehrschluss, die Sprache lässt keine zwingenden Rückschlüsse auf das politische System zu, und um das System ging es ja gar nicht).

Und weiterhin behauptete er, ich würde "Fake-News" verbreiten, weil er offenbar den Unterschied zwischen These und Faktum nicht begreift, und auch das Wort Fake-News (gezielte Falschbehauptung die durch konkrete Fakten widerlegt werden kann) nicht versteht, nicht in seiner konkreten Aussage zu erfassen vermag.

Auch hier entstand eine end- und sinnlose Diskussion mit jemandem, der selbst simpelste logische Zusammenhänge nicht begreift, nicht mal, wenn man sie geduldig erklärt.

Warum fühlen sich Logiklegastheniker immer im Recht?

Es ist ermüdend, wenn auch unvermeidbar, dass man auch mit Menschen diskutieren muss, die nicht fähig zu logischen Schlussfolgerungen sind. Aber natürlich ist solches Unterfangen fruchtlos, denn wer die Logik nicht versteht, und diese ständig im Sinne eigener Meinungen und eigenen Gefühlslebens beugt, der fühlt sich natürlich immer im Recht.

Im Schachspiel, im Rahmen wirtschaftlichen Erfolges, bei technischen Problemlösungen etc. könnte man solche Personen jederzeit schlagen. Aber niemals in der Diskussion, denn die läuft vollständig nach den eigenen Regeln solcher logikabstinenten Diskutanten ab.

»Mit dummen Menschen zu streiten, ist wie mit einer Taube Schach zu spielen. Egal, wie gut du Schach spielst, die Taube wird alle Figuren umwerfen, auf das Brett kacken und anschließend herumstolzieren, als hätte sie gewonnen.«

.

Quellen/Hintergrund:

https://de.wikipedia.org/wiki/Argument

https://de.wikipedia.org/wiki/Schlussfolgerung

https://de.wikipedia.org/wiki/Begrenzte_Rationalität

https://karrierebibel.de/menschen-ueberzeugen/

https://journals.sagepub.com/doi/abs/10.1177/0956797612464058

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