Nachkriegskinder

Nachkriegskinder

Von "Als das Wünschen noch geholfen hat" zu "Wenn das Wünschen zur Krise führt", Durch den Blog "Kriegsenkel" - der von der Generation ab 1960 handelt, fühle ich mich angeregt, auch einmal über die Zeit davor zu schreiben.

1949, als ich geboren wurde, war in Wien eine Zeit des Mangels. Meine Eltern waren, wie so viele ihrer Generation, ihrer Jugend beraubt und versuchten ihr Leben in den Griff zu kriegen. Mein Vater war nach Jahren der Arbeitslosigkeit in den Krieg eingezogen worden und 1947 aus Russland zurückgekommen. Sein einziger Kommentar war: Ich war so froh, daß ich nie auf jemand schießen mußte! Für meine unpolitische Mutter war Hitler nur ein unangenehmer Schreihals, den sie nicht mochte, und wegen dem sie sich in einem Rüstungsbetrieb ihre Gesundheit ruiniert hatte. Als meine Eltern 1953 eine Gemeindewohnung bekamen, war das erste gemeinsame Glücksgefühl für uns, daß wir zu dritt unter einer warmen Dusche im Badezimmer in einer sonst leeren Wohnung standen und den Luxus der freien Welt verspürten.

Doch die Vergangenheit wurde in meiner Generation ausgeblendet. In der Schule endete der Geschichtsunterricht mit dem Ende der Monarchie. Tabuworte wie Nazi oder Jude blieben für mich bis zum Erwachsenenalter rätselhaft. Bis in die 60er-Jahre war dumpfes Schweigen angebracht. Wolfgang Bauer, Franz Innerhofer, Brigitte Schwaiger, Gernot Wolfgruber und viele andere Autoren vermitteln uns dieses fast autistische Miteinanderleben.

Die Erneuerungsbewegungen der späten 60er wollten Veränderung, blickten nach vorne, aber blendeten die Vergangenheit ebenso aus. Ich lernte Kreise kennen, die alles über die Kulturrevolution in China wußten, mir die Sprachlosigkeit in Österreich auch nicht erklären konnten. Meine Nichte und mein Neffe wurden in den 60ern geboren. Für uns eine Zeit des Aufbruchs. Alle hatten Arbeit, man konnte Wohlstand erwerben.

Wie für meine Eltern das Motto: Wir müssen alles neu aufbauen, gegolten hatte, so war es für die neue Elterngeneration das Motto: Unsere Kinder sollen es besser haben! Und langsam wurde es zur Selbstverständlichkeit, daß Gewünschtes verfügbar wurde und Warten auf Erfüllung zu Missvergnügen führte.

Der steigende Wohlstand mag auch dazu geführt haben, daß unser Lebensgefühl von Bescheidenheit und vom Glück des Erreichten sich wandelte zum Füllen des Lebens mit Gütern aller Art und der Angst, dies wieder zu verlieren. Und so befinde ich, daß in der jetzigen Zeit die Erträglichkeitsschwelle der Menschen gegenüber - oft vermeintlichem - Ungemach immer mehr gesunken ist.

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Hansjuergen Gaugl

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Claudia Braunstein

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fischundfleisch

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