Als Tessa zu mir kam, hatte ich zwei Tage zuvor Kia verloren. Sie lag eines Tages tot vor meiner Schlafzimmertüre - nur wenige Stunden zuvor lebte sie noch und dann plötzlich....... Kia war mein zweiter Diensthund und eigentlich hätten wir an ihrem Todestag im Happelstadion Dienst gehabt. Eine Obduktion durch den Tierarzt ergab später, dass sie vergiftet wurde, jemand hatte in meinem Garten Gift in flüssiger Form ausgebracht, aber das wussten wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

Kia war eine riesige altdeutsche Schäferhündin, voller Temperament und Tatendrang, unglaublich dominant, selbstbewusst und charakterstark, die sich vor nichts fürchtete und mir bedingungslos überall hin folgte. Als sie starb, wollte ich keinen Schäferhund mehr - ich dachte mir, ich würde zu sehr in Versuchung geraten, den einen Hund mit dem anderen zu vergleichen.

Dann bekam ich zwei Tage später einen Anruf. Ein Freund sagte mir, dass ein Schäferhundwelpe zu vergeben wäre und er wüsste keinen besseren Platz als bei mir. Wenn ich diesen Hund nicht nehmen würde, dann wolle man ihn einschläfern, da er dem "Rassestandart" nicht entspräche. Nach längerem Zureden ließ ich mich erweichen und die Besitzer kamen mit einem Fellbündel zu mir, das vor Angst zitterte und mich mit großen Augen ansah. Ich ließ diese Leute deutlich wissen, was ich von ihnen hielt und nahm den Hund.

Tessa hatte einen ziemlich schweren Start in ihr neues Leben - sie wurde innerhalb von drei Monaten zweimal vergiftet, wobei sie beim zweiten Mal beinahe starb. Nach Anzeige bei der Polizei kam heraus, dass die Täter zwei Bauernburschen waren, die sich an mir rächen wollten, nachdem Kia sie beim Zündeln in einem Waldstück aufstöberte, das zum Grundbesitz des Vaters eines der Burschen gehörte. Der Vater war naturgemäß wenig begeistert und das mussten wir bitter büßen.

Nachdem sie sich erholt hatte, begann ich mit der Ausbildung und mit sechs Monaten hatte Tessa ihren ersten Test-Dienst auf dem Gelände von LKW-Walter, den sie mehr als bravourös ableistete. Ich war damals unglaublich stolz auf sie...!

Im Laufe unserer Dienstjahre entwickelte Tessa eine Art des selbständigen Arbeitens und Handelns, das mir manches Mal schon unheimlich erschien. Es war, als ob sie genau wüsste, was wann und wie zu tun wäre - und das ging soweit, dass wir uns große Areale aufteilten - sie nahm eine Seite, ich die Andere und wir warnten uns gegenseitig mit leisen Lauten, wenn etwas "war". Die Bindung zu diesem Hund wurde so eng, das ich keine Worte zur Verständigung benötigte - ein Umstand, mit dem sie mir zweimal während meiner Zeit als Hundeführer das Leben rettete...... Das erste Mal überraschten wir einen Einbrecher, der in das Areal einbrechen wollte, das wir bewachten. Er hatte das Einbruchswerkzeug noch in der Hand und ging sofort auf mich los. Tessa riss ihn zu Boden und fixierte ihn solange, bis die Polizei eintraf. Sie war so sauer, das sich der arme Kerl vor Angst in die Hosen pinkelte...! Ein anderes Mal waren wir auf Patrouille während einer Veranstaltung, als uns ein Jugendlicher mit einer abgebrochenen Bierflasche attackierte. Tessa sprang ihn an und erklärte ihm mit ihrer "freundlichen" Art, dass er das besser unterbleiben lassen sollte, wollte er seine Hand noch länger behalten.

Im Februar 2008 brannte die Papierfabrik Mayr-Melnhof und wir wurden zur Brandbewachung einberufen. Der Dienst dauerte insgesamt sechs Wochen und war unglaublich anstrengend; wir hatten hüfthoch Schnee und ein Dienst hatte oft sechzehn Stunden, weil die Ablöse wegen des Wetters nicht durchkam. In dieser Zeit bemerkte ich die ersten Veränderungen. Tessa war oft sehr erschöpft und erholte sich nur langsam wieder, was ich natürlich dem mörderischen Dienst zuschrieb. Meine Tierärztin diagnostizierte einen Leberschaden, den sie als Spätfolge der Vergiftung zuschrieb. Wir behandelten sie und sie erholte sich sichtlich.

Ende 2009 waren wir einem Dienst zugeteilt und an diesem Tag begann für mich eine sehr schwere Zeit. Tessa wollte zum ersten Mal nicht aufstehen, lag in ihrem Korb und sah mich nur an. Als ich sie rief, stand sie auf und taumelte mir entgegen. Sie war unnatürlich "dick" und ich rief meine Tierärztin an. Sie nahm Blut und Harn, konnte aber nur feststellen, das möglicherweise auch ein Schlaganfall vorlag. Wir behandelten sie mit Schweinehirn, gaben ihr stärkende Mittel und es ging ihr eine Zeitlang besser. Dann kam ein Tag im Jänner 2010, an dem Tessa nicht mehr aufstand. Ich ermutigte sie und weil sie mich liebte, folgte sie mir nach draußen. Dort brach sie zusammen und sah mich an. Ihr Blick sagte mir, dass sie nun gehen wollte und ich rief meine Tierärztin an. Ich trug sie ins Auto und fuhr Bleifuß. In der Ordination angekommen, stellte die Ärztin fest, dass der gesamte Bauchraum voller Blut war, was auf Leberkrebs hindeutete. Wir konnten ihr nicht mehr helfen und ich wollte sie auf keinen Fall leiden lassen. Ich setze mich zu ihr auf den Boden und nahm ihren Kopf auf meinen Schoß. Tessa verstand, dass ich mit ihr den letzten Weg gehen würde und leckte dankbar meine Hand. Als sie langsam einschlief, schlug ihr Schwanz noch ein paar Mal leicht auf den Boden, als wolle sie mir sagen, dass nun alles gut sei. In diesen letzten Minuten spürte ich einen tiefen Frieden, der von meinem Hund ausging - ein Gefühl, das ich nie vergessen werde.......Tessa wurde nur neun Jahre alt.....

Ich heulte die ganze Fahrt nach Hause und musste an die vielen Erlebnisse denken, die wir gemeinsam hatten. Schöne und Schlimme, Gefährliche und Skurrile; sie war ein unglaublich feinfühliges Wesen, mit einer großen Portion Sinn für Humor und bereicherte mein Leben in einem Ausmaß, wie nur Hunde es können. Ich begrub sie in meinem Garten in Ungarn und auf ihrem Grab brannte ein Jahr lang eine Kerze.

Meine Partnerin und Freundin auf gleicher Augenhöhe......Ich vermisse sie jeden Tag...

Diesen Artikel widme ich Michlmayr und allen Hundefreunden, die eine ebensolch innige Beziehung zu diesen besonderen Tieren hegen, die seit der Frühzeit des Menschen unsere treuesten Begleiter sind....

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susi45

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Hansjuergen Gaugl

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