Neuerdings war hier mehrfach das Gespräch von Meinungsfreiheit. Klar, die Plattform trägts ja im Titel.

Und ich habe mich gefragt, was denn eigentlich die Leute (mich eingeschlossen) so bewegt. Denn imgrunde sind wir ja alle dafür, fürs Meinung äußern. Und zwar in Freiheit.

Und irgendwann ist es mir dann klar geworden.

Meinung äußern, in Freiheit, ist ja schön und gut. Aber wenn es nicht so sein soll wie bei diesem Herrn, der im Stadtpark auf einer Kiste steht und von Gott predigt, so wie er ihn versteht, dann gehört ein Austausch dazu.

Der hier gewiss nicht zu kurz kommt.

Aber ... sind Gespräche über Themen, meinetwegen kontrovers, noch sinnvoll, wenn eh jeder nur seins loswerden will? Wenn jeder zwar vom Anderen erwartet, dass DER seinen Argumenten folgt, aber ums Verrecken nicht über die des Anderen nachdenken möchte? Ist es, wenn man so eingestellt ist, nicht besser, den Andersdenkenden lieber aus dem Weg zu gehen, statt ihnen unentwegt mitteilen zu wollen, wie unbedarft sie sind und dass sie die falschen Argumente haben?

Überhaupt: Die Sache mit der Dummheit der Anderen.

Nicht, dass die neu wäre.

Irgendwie denken ja alle, dass sie als der liebe Herrgott die Intelligenz verteilte, reichlich bedient wurden.

Woraus folgt, dass alle anderen ... naja, eben nicht so gut bedient wurden.

Andernfalls dächten sie ja genau so wie ich.

Oder so.

DAS Problem ist also ein altes.

Bliebe noch die Frage der Tonart, in der solches vermittelt wird.

Heutzutage, wo wir alle so lange so wahnsinnig jung sind und das heutige Sechzig das frühere Vierzig ersetzt, sind wir um Anpassung an die Jungen bemüht.

Wir kleiden uns so wie sie. Wir bemühen uns, den Innovationen der Neuzeit zu folgen.

Wir reden gar so wie sie.

Ich wünsche mir wahrlich vieles von den alten Zeiten nicht zurück.

Aber ich mochte damals die älteren Damen und Herren, die uns Jungen auf subtil-zurückhaltende Wiese zu verstehen gaben, dass man DAS nun wirklich nicht tut. Weil es sich nicht nur nicht gehört, sondern weil es den Umgang der Menschen miteinander äusserst unangenehm macht. Es lebt sich einfach schöner, wenn man Formen einhält und unangenehme Wahrheiten im Umgang (so sie sich denn partout nicht vermeiden lassen) in vernünftige und möglichst nicht geringschätzige Worte packt. Und eigentlich ist es ja viel angenehmer, JEDEM Wertschätzung entgegen zu bringen.

Schlussletztlich, so viel habe ich im Laufe der Jahre begriffen, hat die Sprache der Erwachsenen nicht die richtigen Worte für vieles, was heute in den sozialen Netzwerken passiert. Ich, damals, fand es angenehm, Stück für Stück in die Welt der Erwachsenen hinein zu wachsen, womit ich beinahe zwangsläufig auch ein Wachsen im Geist verband. Also wachsen in eine zivilisierte Welt. In der es keinen Slang, keine Kraftausdrücke und keine Schimpfworte braucht.

Nicht, dass ich es jemals so richtig geschafft hätte. Aber wenn ich heute Scheiße sage (was ja längst salonfähig ist), dann tue ich das nur vor ausgewähltem Publikum, das meinen Mutwillen und auch das versteckte Augenzwinkern versteht.

Staunend stehe ich jedoch vor richtig erwachsenen Menschen, die sich offenbar darin gefallen, diesen so viel gescholtenen Slang in der Art von "Halt Schnauze, Hure!" nachzuäffen. Und meinen, damit ihre Jugend und Coolness zu demonstrieren. Sie, die vielleicht gar nicht einmal so dumm sind, demonstrieren damit nichts anderes als das: Sie wollen gefallen. Möglichst jederman. Und tun gerade das dann irgendwie so gar nicht. Allenfalls jenen, von denen sie sich bei klarem Verstand hätten abgrenzen wollen. Fühlte es sich nicht so gut an, vermeintlich gemocht zu werden.

Ach, denke ich mir da, wo sind sie nur, die feinen alten Damen und Herren, die jenen zu verstehen geben, dass erwachsen und autonom zu werden eine Gnade ist, die man nur mit Vernunft und halbwegs gutem Benehmen erlangt?

An dieser Stelle bedanke ich mich bei der Chefin für das passende Schlusswort: Ich nehme mir die Freiheit, diesen Text nicht diskutieren zu wollen.

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