Zeugnisse hats gegeben. Das ist der Preis, ehe Kind den Lohn der Ferien kriegt.

Elternsdiskussionen inklusive.

Meine Tochter, die auf dem Zeugnis eine DREI fand, gerade im Star-Fach des Sohnes, bekundete nicht ohne Häme, dass Kind jetzt, wo Doppelresidenz eine getrennte Zeugnis-Begutachtung der Eltern mit sich bringt, sich in der misslichen Lage befinde, zwei Mal gescholten zu werden. Für ein im übrigen durchgängig gutes Zeugnis.

Da Tochter und Schwieso mitnichten vom Ehrgeiz zerfressen sind und auch nicht zu jenen Eltern gehören, die ein dauerhaft großes Thema drum machen, hält sich mein Mitleid in Grenzen. Ich schätze, es war mit ein paar Maßregelungen getan und dem Hinweis, dass Gymnasium, was der Sohn nach den Ferien besucht, kein Katzendreck ist. Wenigstens gehören sie nicht zu denen, die ihrem Kind nachhaltig, durch z.B. Missachtung, Verbote etc. die Ferien versauen.

Mein Enkel, so teilte ich angesichts des im übrigen ja untadeligen Zeugnisses mit, scheint nach mir zu geraten, die ich auch nicht sonderlich vom Ehrgeiz zerrupft und zum Glück mit Eltern gesegnet war, die - aus heutiger Sicht - das rechte Maß kannten. Sie kritisierten, was ich - natürlich! - nicht schön fand, machten mich aber nicht nieder. Auch neigten sie nicht zur Helikopterei, die ja erst neuerdings in Mode kommt. (Kann schon sein, dass die Zeiten sich geändert haben; dunnemals konnte jeder, wenn er sich denn nur ein bisschen anstrengte, auf einen halbwegs geregelten Lebensweg hoffen.) Als Erkennis aus diesen, wie wir ja alle wissen, ungelernten pädagogischen Versuchen ist immerhin die zurück geblieben, dass jeder - auch das gemeine Schulkind - für seine Handlungen verantwortlich ist.

Was ja mehr ist, als die heutigen Helikopterkinder lernen, deren Eltern bei jeder Note unter Zwei schon in die Schule rennen und um jeden Punkt kämpfen, immer mit der unterschwelligen Behauptung, ihr Kind würde ungerecht behandelt. Abgesehen davon, dass Kinder bei dieser Art Erziehung nur lernen, dass immer wer anders und nie sie selber an irgendwas Schuld sind, lernen sie auch nicht, mit Versagen umzugehen.

Was ich genauso fatal finde wie die Berichte einer älteren Kollegin, die in der Schule noch geschlagen wurde und das zu Hause gar nicht mehr erzählte, weil sie wusste, dass ihre Mutter behaupten würde, sie habe das dann wohl verdient.

Wo, frage ich mich, ist das richtige Maß? Natürlich, weil früher alles viel besser war, neige ich dazu, meine eigene Kindheit so schlecht nicht zu finden. Ich bin ja auch irgendwo angekommen, habe mehrere Abschlüsse, nie aufgegeben und leide jetzt nicht so schrecklich darunter, dass ich meine Entscheidung zwischen Qualität und Quantität getroffen habe. Jeder ist seines Glückes Schmied, sage ich mir und weiß dabei, dass ich weiter hätte kommen können, wäre ich zur richtigen Zeit den richtigen Leuten in den Hintersten gekrochen. Weil ich das aber nicht tat, fühle ich mich freier und schlecht gehts mir deswegen trotzdem nicht. Ob es mir mit mehr Geld besser ginge, wage ich zu bezweifeln.

Und doch sehe ich, dass die Generation schon meiner Kinder an den normalen Anforderungen des Lebens zu scheitern droht. Manche von ihnen machen den Eindruck, als wäre es mit einem guten Schul- und Studienabschluss getan. Manche brauchen dann schon ein Sabbatical. Obwohl das Leben nach dem Studium erst richtig anfängt. Und manche klagen bereits nach ein paar Jahren, dass sie ja so viel arbeiten müssen. (Was dann irgendwie zu beweisen scheint, dass Schule und Studium letztlich doch nicht so anstrengend sind wie das richtige Leben.)

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Letzthin in den Nachrichten berichteten sie, dass trotz der einschlägigen Gesetzgebung zur Kindesmisshandlung (ok.ok. das klang jetzt nicht richtig) unverhältnismäßig viel Gewalt an Kindern ausgeübt wird, nach wie vor. Obwohl sich doch anscheinend in den Köpfen allerhand geändert zu haben scheint. Eltern schlagen ihre Kinder, wenn man sich so umhört, nicht mehr. Bestenfalls üben sie psychische Gewalt in Form von Druck, Leistungsdruck aus. Sie schwanken zwischen Lehrerstalking und massiver Nachhilfe hin und her und lassen ihre Kinder spüren, dass das Leben ohne herausragenden Abschluss kein gutes sein wird. Was schon schlimm genug ist.

Meine Tochter, dermaleinst, hatte ein Buch, das hieß "Ich kann alles, was ich will", was so ziemlich den Kern von allem trifft. Wenn man nur richtig will, kann man auch schier unmögliche Dinge erreichen. Darum geht es doch: Den Kindern Begeisterung vermitteln, sie mit Visionen ausstatten. Wir damals wollten Lokführer ( die Jungs) oder Lehrerinnen (die Mädchen) werden und manche hatten so hochfliegende Träume, dass sie in den Weltraum wollten oder chinesisch lernen. Keiner von uns hätte je von einem BWL-Abschluss geträumt.

Wovon aber, frage ich mich, träumen die - wie jetzt bekannt wurde - unverhältnismäßig vielen Kinder, die - trotz allem - noch immer misshandelt werden?

Ich fürchte, in ihren kleinen, stets ängstlichen Köpfen ist für keine hochfliegenden Träume Platz. Sie wollen vermutlich nichts anderes, als von ihren Eltern lieb gehabt und eben nicht geschlagen werden. Vermutlich nimmt diese Hoffnung soviel Platz in ihrem Denken ein, dass sie gar nicht an eine gute Zukunft denken können, nicht Prinzessin oder Tierärztin werden, sondern einfach nur aus diesem beschissenen Kinderleben raus wollen.

Das richtige Maß, denke ich mir, wäre wichtig. Die Erkenntnis, dass Kinder ganz eigene Menschen sind. Weder dafür da, unsere eigenen Lebensträume zu erfüllen, noch sich als steter Ballast zu fühlen. Menschsein als Kind. Einfach so.

„Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“

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