... nennt der neuzeitliche Verkäufer von Sanitärkeramik die Bedürfnisse seiner Kunden und gönnt uns einen Ausblick auf das, was heute im Bad so modern ist.

Ich, die ich keine Lust mehr habe auf die ewig gleichen Diskussionen, Behauptungen, ängstlichen Visionen einer postfaktischen Zeit, lehne mich entspannt zurück. Ich mag es, die Dinge im Nachhinein zu betrachten. Irrtümer werden entlarvt, Mythen der Lächerlichkeit Preis gegeben.

In Leipzig gibt es eine Ausstellung, die ganz Marcel Duchamp und der Idee des Fontäne bzw. der Idee des Ready-made verschrieben ist. Vergeblich warte ich darauf, dass Baronesse Elsa Erwähnung findet.

Es gibt Legenden, die auch noch hundert Jahre später nicht gern gehört und verbreitet werden. Dennoch: Die Legende behauptet, dass Duchamp ein Nackt-Modell gesucht habe und Baronesse Elsa erschienen sei. Sie habe einen mehr als wagemutigen Hut getragen. Und als sie ihren Mantel öffnete, trug sie nichts als einen Vogelkäfig und ähnliche Accessoires, die den Künstler vermuten ließen, dass in Wahrheit sie die größere Künstlerin sei.

Obschon er kein erotisches Interesse an ihr gehabt habe (ohnehin behaupteten Eingeweihte, er sei mehr dem männlichen Geschlecht zugetan gewesen, habe diese Neigung jedoch nie wirklich ausgelebt) erkannte Duchamp Baronesse Elsas besonderes Talent. Sie auch, die zur Zeit der Ausstellung gelebt habe, wo Fontäne versandt wurde, sei es gewesen, die den Versand des Fontäne veranlasst habe. Die Signatur R.Mutt deute auf ihre deutsche Herkunft hin und bedeute in Wahrheit "Armut".

So oder so: Fünf Jahrzehnte später tritt Duchamp vor die Kamera und behauptet im Brustton der Überzeugung, er selbst könne nicht begreifen ...

Gutmeinende Kunsthistoriker gestehen ihm zu, dass in diesen 5 Jahrzehnten so oft behauptet worden sei, er habe diese Idee mit dem Urinal gehabt, dass er es am Ende selbst geglaubt habe. Böswillige, dass es zwar verwerflich, aber auch eine Form von Kunst sei, sich eine Idee zu Eigen gemacht zu haben, die die einer Frau gewesen sei, die bereits vier Jahrzehnte zuvor gestorben sei.

Ich selbst denke, dass es nicht die Zeit für aberwitzige Ideen von Frauen in der Kunst gewesen ist. Frauen hatten, wenn sie denn Kunst machten, schöne und nicht aberwitzige Dinge zu machen. Und eigentlich sollten sie vielleicht besser gar nicht Vorreiter von irgendwas gewesen sein.

Schade, dass diese Idee bis heute trägt, denn ich glaube, dass es durchaus Frauen gab, die der Nachwelt etwas zu sagen und zu geben hatten. Ob das nun Urinale waren, sei dahin gestellt. Ich halte von denen in der Kunst ebenso wenig wie von dreckigen Badewannen.

Aber gut.

Baronesse Elsa, die immer am Rand der Armut lebte, der Geld nie wirklich wichtig schien, lebte ohnehin in einer anderen Welt.

Halt bloß: Warum, verdammt, hat niemand von denen in der Leipziger Ausstellung sich mit dem Rest der Geschichte vertraut gemacht? Vielleicht werden wir es nie genau wissen. Aber: Ein wenig Zweifel, ein wenig Legende machen eine Sache doch erst richtig schön.

Noch immer weiß keiner so genau, was es mit diesem abgeschnittenen Ohr von van Gogh auf sich hat. Was ja nicht schlimm ist. Jeder mag sein Geheimnis haben und mit ins Grab nehmen. Aber dass jemand völlig belanglos ins Grab versenkt wird, der vielleicht eine der größten Kunstschöpfungen (so wenig ich sie mag) geschaffen hat, ist doch etwas ganz anderes.

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fischundfleisch

fischundfleisch bewertete diesen Eintrag 23.01.2017 21:24:02

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