In meinen frühen Jahren war ich ziemlich gewalttätig, das hat sich erst im Laufe der Jahre abgemildert. Bei meiner letzten Schlägerei muß ich so umra 8 gewesen sein, ich hab da ordentlich was auf die Nuß bekommen. Mit 13 hab ich zwar dem Huber Edi mit Skischuhen in den Arsch getreten, aber das zählt nicht wirklich als Schlägerei, sondern eher als einseitiger Gewaltexzeß meinerseits. Und das kam so:

Die dritten Klassen (a, b und gy) der Oberrealschule Pfarrkirchen waren damals aus welchen Gründen immer ausgelagert. Das Gebäude lag direkt an der Ringallee, welche den Verlauf der Alten Stadtmauer nachzeichnete. Die Ringallee war nicht direkt zugänglich, eine Backsteinmauer zwang dich zu einem kleinen Umweg, aber das war für unsere Geschichte das kleinste Problem.

Wir hatten in der Schule zwei Pausen, meine Mutter hat mir für diese zwei Pausen jeweils überreichlich Proviant eingepackt. Wir hatten eine kleine Metzgerei, die Versorgung mit Wurst war nicht das Problem. Das erste Wurstbrot habe ich in der ersten Pause verzehrt, die zweite Pause lag viel zu nah am Mittagessen, als daß ich Lust auf ein zweites Wurstbrot gehabt hätte. Ich hatte das meiner Mutter schon mehrfach gesagt, aber sie fürchtete wohl, ich könnte vom Fleische fallen, sah ich doch - so meine Mutter - damals aus wie der Gandi. Ich wußte zwar nicht, was ein Gandi ist, aber er muß in einem bejammernswerten Ernährungszustand gewesen sein.

Nun begab es sich aber, daß in der zweiten Pause mit erheblicher Regelmäßigkeit mein Pausenbrot ohnehin verschwunden war. Der Pausenbrotdieb war, soviel wurde mir bald klar, der Huber Edi. Ich habe dem Huber Edi gesagt, ich käme auch ohne zweite Wurstsemmel über die Runden, aber ich würde es zu schätzen wissen, wenn er dies transparent machen würde und mich um die zweite Semmel bäte. Genau betrachtet wollte ich nur informiert werden, die Erlaubnis hatte er eh. Würde der hintenrumige Wurstsemmelklau jedoch nicht eingestellt, solle er sich auf Gewalt meinerseits einstellen. Dies alles sagte ich ihm mehrmals und in ruhigem und freundlichen Ton, der von mal zu mal freundlicher und ruhiger wurde. Das war kein gutes Zeichen. Die meisten Leute werden umso lauter und aggressiver in ihrem verbalen Verhalten je näher sie der Schlägerei - oder wahlweise: dem Atombombenabwurf - kommen. Meine Drohungen dagegen werden umso ruhiger und sanfter, je entschlossener ich bin, bei nächstpassender Gelegenheit Gewalt anzuwenden.

Der Huber Edi aber, um wieder auf diese heimtückische Drecksau zurückzukommen hat alles abgestritten und sich auf das von mir angebotene Gentleboy-Agreement nicht eingelassen. Eines Tages habe ich ihn beim erneuten Wurstsemmelklau erwischt. Es war Winter, ich habe extrem festes Schuhwerk, wie man es damals unter anderem zum Skifahren benutzt hat getragen und ich habe ihm mit voller Wucht in den Arsch getreten. Noch heute fühle ich das Steißbein vom Huber Edi an meinen Zehen, wenn ich dran denke. Es ist bemerkenswert, wirklich bemerkenswert, daß ich ihm keinen Knochen zertrümmert habe, das Bemerkenswerteste allerdings war, daß ich nicht in jäher aufbrausender Wut zugetreten habe, sondern ganz ruhig, fast entspannt geblieben bin.

Die Pausenbrotdiebstähle hörten von da an auf.

Was ist das für eine Welt, so dachte ich damals schon, in der freundliche Worte nichts bewirken, ein brutaler Tritt in den Arsch dagegen schon.

0
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
0 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

2 Kommentare

Mehr von Theodor Rieh