Hat jeder Mensch ein Recht auf Freude bei der Arbeit?

Ich vertrete die These, dass es ein Menschenrecht sein sollte, eine Arbeit auszuüben, die Freude bereitet und Sinn erfüllend ist.

Für uns moderne Menschen, die in der Marktwirtschaft aufgewachsen sind und daher auch marktwirtschaftliches Denken verinnerlicht haben, mag dies wie eine unerfüllte Utopie erscheinen.

Thomas Herzig

Dass Arbeit keine Freude bereitet, sondern als notwendiges Übel empfunden wird, ist allerdings ein einmaliges Phänomen, das nur beim modernen zivilisierten Homo Sapiens auftritt, aber nirgendwo sonst in der Natur, außer bei Tieren, die vom Menschen in Gefangenschaft gehalten werden.

Die Katze empfindet das Mäusefangen nicht als als mühsame Arbeit, sondern sie empfindet Lust dabei. Das Huhn hat Freude dabei den ganzen Tag lang scharrend nach Nahrung zu suchen. Ein Huhn ist sogar unglücklich, wenn es dieser Tätigkeit nicht nachgehen kann, selbst wenn es reichlich Futter in der Schale gibt. Auch eine Ameise ist nicht gezwungen unermüdlich für das Gemeinwohl zu arbeiten und sich aufzuopfern. Es entspricht ihrem Instinkt, ihrer Veranlagung so zu handeln.

Die Natur hat es im Laufe der Evolution so eingerichtet, dass in jedem Individuum ein innerer Antrieb für jene Verhaltensweisen vorhanden ist, der dem eigenen Überleben, dem Überleben der Gruppe und dem Überleben der Spezies dienlich ist, ja, ein Antrieb, der uns Freude empfinden lässt.

Ein Raubtier, das gerne jagt, jagt öfter und entwickelt dabei ambitioniert geschicktere Methoden als eines, das nicht gerne jagt. Ein Tier mit starkem Sexualtrieb, wird sich öfter paaren als eines mit geringerem Sexualtrieb, obwohl Sex mit Zeitaufwand und Energieaufwand verbunden ist. Es hat daher eine größere Chance, sich fortzupflanzen.

Auch der Mensch hat diese innere Veranlagung Tätigkeiten, die dem eigenen Überleben, aber auch altruistische Tätigkeiten, die der Gemeinschaft dienen, gerne auszuüben. Bloß schafft die vom Menschen künstlich geschaffene Zivilisation Voraussetzungen unter denen die natürlichen Triebe oft unterdrückt werden müssen und stattdessen der Mensch sich täglich mit Dingen beschäftigen muss, die ihm eigentlich zuwider sind.

Jene Handlungen, die ein Steinzeitmensch zum Überleben vollzog, machen uns auch heute noch Freude. Es verbringen daher Menschen ihre Freizeit mit folgenden Tätigkeiten:

Jagen, Pilze und Früchte sammeln, klettern, an der eigenen Unterkunft bauen (man denke an die vielen passionierten Heimwerker in heutigen Tagen), Werkzeuge bauen und reparieren (dies findet seine moderne Entsprechung in Leuten, die gerne an ihrem Motorrad oder Auto oder Computer schrauben), die eigenen Kinder großziehen, eigenes Gemüse anbauen, Kunst, Musik und Spiel etc…u nd natürlich die Sexualität.

Viele dieser Handlungsmöglichkeiten, für die in der modernen Gesellschaft oft kein Platz mehr ist, werden ersatzweise in einer virtuellen Scheinwelt in Computerspielen angeboten. Bei den meisten dieser Spiele geht es um Jagen, Flüchten, Kämpfen, Sexualpartner finden, und Dinge konstruieren. Wer hingegen würde gerne Buchhaltung machen? Oder in einem Callcenter Beschwerdeanrufe entgegen nehmen, Straßen asphaltieren, Lagerregale schlichten, mit Wertpapieren handeln, diktierte Vertragstexte in den Computer tippen, am Fließband arbeiten, Pakete für Amazon zustellen, etc…, wenn er/sie nicht dringend benötigtes Geld dafür bekäme? Diese Tätigkeiten machen nicht von sich aus Freude, sie sind bloß ein notwendige Übel, um zu Geld zu kommen.

Warum nun müssen wir heutzutage so viele Arbeiten verrichten, die keine Freude bereiten?

Ist dies ein notwendiger Preis, den wir für gesicherten Überfluss an Nahrung, gute medizinische Versorgung und einen Überfluss an industriellen Produkten bezahlen müssen? Ist dieser Preis es wert?

Ist dies eine notwendige Konsequenz, die der technische Fortschritt mit sich bringt ?

Ich glaube nicht, dass die Ursache im technischen Fortschritt liegt. Vor 200 Jahren als die Industrialisierung gerade erst begonnen hatte, waren die Sklaven in den Baumwollplantagen und die Weber in den Manufakturen, und die Grubenarbeiter in den Bergwerksstollen auch nicht glücklich mit ihrer Arbeit

Es liegt viel mehr an den Rahmenbedingungen der Arbeit und am Zweck, den die Arbeit erfüllen soll.

Wer sich seine Tätigkeit nach Interesse und Talent aussuchen kann, anstatt bloß eine Tätigkeit wählen zu müssen, die genug Geld bringt, hat mehr Freude mit dieser Tätigkeit. Wenn ich meine Arbeit eigenverantwortlich organisieren kann, bin ich dabei glücklicher als wenn ich weisungsgebunden bin.

Wenn das Ergebnis meiner Arbeit einem höheren Zweck dient, der mit meinem Weltbild in Einklang steht, werde ich mehr Freude damit haben, als wenn der Zweck meiner Arbeit vorwiegend darin besteht, jemand anderem finanziellen Profit zu bescheren.

Wenn ich z.B. in Handarbeit eine Puppe herstelle, und frei bin, meine Kreativität für die Gestaltung und den Charakter der Puppe einzusetzen, und diese Puppe vielen Generationen Freude bereiten wird, bin ich glücklicher dabei, als wenn ich am Fließband immer die gleichen Barbiepuppen zusammenschraube und nicht den geringsten kreativen Freiraum dabei habe. Ein Fließbandarbeiter kennt die Kinder nicht, welche die unzähligen gleichförmigen Puppen, die durch seine Hände gehen, bekommen werden. Er weiß nur, dass diese Barbiepuppe den Kindern nur kurze Zeit Freude bereiten werden und nach 2 Jahren am Müll landen, mit all den damit verbundenen ökologischen Problemen.

Sein Mitwirken an diesen Puppen ist bloß auf ein paar wenige schnell eingelernte Handgriffe beschränkt und daher ist er leicht durch einen anderen Arbeiter ersetzbar.

Wie sollte er bei solch einer Arbeit Freude und Stolz empfinden?

Emotional unbefriedigende Lohnarbeit ist aber keine Notwendigkeit in einer modernen Gesellschaft, sondern ein Übel, welches sich aus schädlichen Hierarchien und Zwängen der Marktwirtschaft ergibt.

Dabei gibt es auch heute in unserer Gesellschaft Menschen, die über finanzielle Zwänge hinweg und ganz aus eigener Motivation dennoch in ihrem Beruf Großartiges leisten und geleistet haben.

Die meisten hochbegabten Künstler, Wissenschafter, Erfinder, und Philosophen haben ihre Werke aus innerem Antrieb und oft sogar unter großen finanziellen Entbehrungen erschaffen. Solche Menschen brauchen kein Geld, um zum Arbeiten motiviert zu sein. Sie brauchen bloß ein Umfeld, in welchem sie nicht durch lästige finanzielle Angelegenheiten in ihrer Mission gestört werden.

Ein Komponist, der begabt ist wie Mozart wird immer mit Hingabe komponieren, egal, wieviel Geld er für seine Kompositionen bekommt. Ein mittelmäßig begabter Komponist wird hingegen nie eine Komposition wie Mozart zustande bringen, selbst wenn man ihm dafür 100 Millionen Euro in Aussicht stellt.

Aber auch Menschen ohne solch offensichtliche besondere künstlerische oder technische Begabung leisten oft ehrenamtlich Großartiges wenn sie zugleich ausreichend materiell abgesichert sind, um sich für diese Tätigkeiten Zeit nehmen können, ohne ihre finanzielle Existenz zu gefährden.

In der Marktwirtschaft herrscht das Prinzip : „Wer zahlt schafft an“ bzw. die „Goldene Regel = Wer das Gold hat, macht die Regel“ (Zitat Frank Stronach).

Wofür ein Mensch seine Arbeitskraft einsetzt, bestimmt demnach der Geldgeber, der seinen Gewinn mehren möchte. Dies muss nicht unbedingt mit Zielen übereinstimmen, welche für die Gesellschaft und für die Natur im allgemeinen vorteilhaft wären.

Eine Alternative wäre eine Schenkökonomie bei der es keine Bezahlung gibt, sondern jeder ohne finanziellen Druck und ohne finanzielle Motivation selbst bestimmt, wofür er seine Arbeitskraft einsetzt und was er damit in seinem Umfeld und in der Gesellschaft bewirken möchte. Nach welchen Kriterien mag solch ein freier Mensch daher eine Tätigkeit wählen?

Er wird etwas wählen, das dem eigenen Talent und den eigenen Interessen entspricht. Das fördert nicht nur die Freude an der Arbeit, sondern auch deren Qualität. Er wird sich selbst überlegen, wie er anderen Menschen damit Freude machen kann, und wie er einen sinnvollen Beitrag für die Allgemeinheit leisten kann.

In unser heutigen Gesellschaft ist das materielle Vermögen für den sozialen Status und die Anerkennung eines Menschen relevant, Wie er zu dem Vermögen gekommen ist, ist dabei nebensächlich. Das soziale Prestige, welches mit einer bestimmten Arbeitstätigkeit verbunden ist, richtet sich daher auch vorwiegend nach der Bezahlung.

In einer Schenkökonomie aber ist übermäßiger materieller Besitz nicht erstrebenswert:

Der Besitzer einer 20 Zimmer Villa für sich alleine wäre mit der Instandhaltung und Reinigung überfordert, da er kein finanziell bedürftiges Hauspersonal dafür finden würde.

Er kann auch nicht finanziellen Gewinn durch eine Vermietung der Villa erzielen.

Folglich würde jeder nur nach so viel Besitz streben wie er/sie selbst nutzen und bewirtschaften kann. Den Rest würde man mit anderen in der Nutzung teilen.

Da jeder geschenkt bekommt, was er braucht, würde übermäßiger Besitz nicht zu höherem sozialen Prestige führen. Im Gegenteil: So ein Mensch würde von seinen Mitmenschen als gierig und maßlos gering geschätzt werden. Hingegen kann man sich die Anerkennung und Zuneigung der Mitmenschen verdienen, indem man sich freundlich und hilfsbereit verhält und mit seiner Tätigkeit einen wertvollen Beitrag für seine Mitmenschen leistet.

Anders als in einer Marktwirtschaft, wo materieller Reichtum erstrebenswert ist, um soziales Prestige zu erlangen, ist in der Schenkökonomie ein positives Wirken auf die Mitmenschen der Schlüssel zu sozialem Erfolg.

Ein: „Danke! Das hast Du gut gemacht! Damit hast Du mir wirklich sehr geholfen!“ kann sogar mehr Freude bereiten als finanzielle Entlohnung, da eine solche Äußerung ehrlich aus dem Herzen kommt, während die Bezahlung bloß aufgrund vertraglicher Verpflichtungen erfolgt.

Sämtliche heute im Geschäftsleben üblichen freundlichen Bekundungen wie:

„Danke für ihren Einkauf, Herr Generaldirektor! Für Sie stets zu Diensten! Beehren Sie uns bitte bald wieder!“ sind hingegen meistens nicht ehrlich der Person geschuldet, sondern bloß dem Geld des Kunden. Meistens bedankt sich auch nicht der Empfänger der Leistung beim Erbringer der Leistung, sondern umgekehrt, der Leistungserbringer bei dem, der ihn bezahlt.

In der Natur ist es völlig normal, dass Arbeit Freude bereitet, sodass der Begriff „Arbeit“ auf die Tierwelt im Allgemeinen auch gar nicht angewendet wird. Man spricht hingegen von „Jagen“ , „Nahrungssuche“, „Balz“, „Nestbauen“

Und auch in der modernen Zivilisation sollte es ein Menschenrecht sein, eine Arbeit auszuüben, die mit innerer Erfüllung und Freude verbunden ist, und nach Möglichkeit auch der persönlichen Weiterentwicklung dient.

Ansonsten ist Arbeit vergeudete Lebenszeit.

Ich war kürzlich beruflich in China, wo in einer für dort typischen Fabrik die von mir designten aufblasbaren Gebäude, hergestellt werden. (www.pneumocell.com). Das Einzige, was die Manager dort an meinen ambitionierten Projekten beeindruckte, war, dass es „schwierig zu produzieren“ ist, weil es sich nicht etwa um 5000 Stück identische Wasserbälle handelte, sondern um Module mit komplexer Geometrie, die Nachdenken und Sorgfalt bei der Produktion erfordern.

Die 2 Wochen Aufenthalt in der Fabrik waren für mich mit viel Ärger und Stress verbunden. Mir ist dort leider aufgefallen, dass fast nie jemand stolz auf seine Arbeit ist. Dies hat meine Überzeugung von der Schenkökonomie nochmals vertieft:

Geld ist in unserer heutigen Gesellschaft nötig um zu überleben und auch um am sozialen Leben Teil zu nehmen, indem man Dinge besitzen und tun kann, die auch Andere besitzen und tun.

Geld ist aber kein gutes Motivationsmittel, damit jemand seine Arbeit gut macht.

Um wirklich gute Arbeit zu leisten, muss man das, was man tut, auch lieben und mit Leidenschaft ausführen, und man braucht das richtige Talent dazu in sich, ein Talent, welches sich dringend entfalten möchte.

Aber dies ist nicht oft der Fall, speziell in China nicht. Die Arbeiter vermieten bloß ihre Körper als Maschinen an ihre Arbeitgeber im Austausch gegen die Bezahlung, und die Manager interessieren sich bloß für maximalen Profit bei minimalen Aufwand.

Wenn man Menschen zur Arbeit zwingt, machen sie ihre Arbeit nicht gut und interessieren sich nicht für die Qualität des Endergebnisses in ihrem Arbeitsprozess. Wenn ihnen dann ein Fehler passiert, versuchen sie diesen zu verbergen, um den unangenehmen finanziellen Konsequenzen zu entgehen, wodurch letztlich jemand anderer unter den Folgen des Fehlers leiden wird. Zudem hat ein zuvor versteckter Fehler, der erst später bei der Nutzung des Produkts entdeckt wird, meistens viel schlimmere Auswirkungen, als wenn man sich gleich damit konfrontiert.

Sklaven können niemals gute Arbeit leisten, und es macht dabei keinen Unterschied ob du Sklave eines Sklavenhalters oder Sklave des Geldes bist, welches du zum Überleben in deinem sozialen Umfeld brauchst.

7
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
6 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

Spinnchen

Spinnchen bewertete diesen Eintrag 26.02.2017 13:31:45

zeit im blick

zeit im blick bewertete diesen Eintrag 26.02.2017 11:00:13

Die Tempeltänzerin

Die Tempeltänzerin bewertete diesen Eintrag 26.02.2017 09:24:19

Silvia Jelincic

Silvia Jelincic bewertete diesen Eintrag 26.02.2017 00:02:32

VladIII.

VladIII. bewertete diesen Eintrag 25.02.2017 14:05:30

pirandello

pirandello bewertete diesen Eintrag 25.02.2017 10:43:30

Thomas Herzig

Thomas Herzig bewertete diesen Eintrag 25.02.2017 10:02:29

55 Kommentare

Mehr von Thomas Herzig