Während der deutsche Finanzminister Lindner (FDP) eine Beteiligung des Bundes an einem – möglichen – Nachfolgemodell des „9-€-Tickets“ strikt ablehnt, ein Modell, das die bundesweite Nutzung des Nahverkehrs für einen Monat ermöglicht, allerdings Ende August 2022 ausläuft, kündigt Verkehrsminister Wissing (FDP) eine „Evaluation“ an, die nötig sei, bevor es, vielleicht, 2023 zu einem ähnlichen Angebot kommen könne. Lindners Position mag ja noch verständlich sein, handelt es sich doch bei ihm um einen Politiker, der nicht nur während der Koalitionsverhandlungen im engen Austausch stand mit der Porschechefetage, sondern auch eine Erhöhung der „Pendlerpauschale“ in Aussicht stellte, also die steuerliche Subventionierung eines flächenversiegelnden Lebensstils, in dem man im PKW zwischen Arbeitsplatz, Einkaufszentrum und Eigenheim bewegt. Was aber will Wissing noch „evaluieren“? Der große Erfolg (allein 21 Millionen verkaufte Tickets im Juni) zeigt doch, dass zahlreiche Menschen einen erschwinglichen und unkomplizierten öffentlichen Nahverkehr wünschen.

Genau das könnte das Problem sein: Denn die Verkehrsinfrastruktur der BRD ist auf den PKW-Verkehr ausgerichtet, was nicht verwundert, da die Auto- nicht nur eine Schlüsselindustrie dieses Landes, sondern auch – s. oben – sehr einflussreich ist. Und deshalb werden und wurden Autobahnen ausgebaut und gleichzeitig Eisenbahnstrecken stillgelegt oder Milliarden bei sinnfreien Großprojekten wie „Stuttgart 21“ vergeudet.

Aber man nimmt hierzulande achselzuckend hin, dass der Stärkere sich durchsetzt und der Schwächere zum Schaden auch den Spott hat: Wissings Vorgänger von der CSU wehrte sich vehement gegen ein Tempolimit, während er Steuergelder mit einer Anzeigenkampagne für Fahrradhelme verpulverte, anstatt das Geld sinnvollerweise dafür zu verwenden, Autos zumindest aus den Innenstädten herauszuhalten. Er durfte bis zum Ende seiner an Affären reichen Amtszeit weitgehend ungestört arbeiten.

Wir leben, machen wir uns nichts vor, in einer Diktatur, die Fakten auch gegen den Willen einer wachsenden Zahl von Menschen schafft: Wer sich mit Hitzerekorden und Überschwemmungen nicht abfinden will, sieht sich einem Bündnis aus Industrie und Politik gegenüber, das zäh einen Lebensstil verteidigt, der mit den Ressourcen der Erde leichtfertig und verschwenderisch umgeht. Der von nörgelnden alten Männern verwendete Begriff „Klimadiktatur“ beschreibt unfreiwillig die Methoden, mit denen die Welt zu- und hingerichtet wird. Es wird Zeit, diese Klimadiktatur zu beenden: Ein Ende der steuerlichen Subventionierung umweltschädlicher Technologien bei einem gleichzeitigen kostenlosen öffentlichen Nahverkehr wäre ein guter Anfang.

4
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
6 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

berridraun

berridraun bewertete diesen Eintrag 27.07.2022 09:03:00

Bachatero

Bachatero bewertete diesen Eintrag 27.07.2022 01:28:46

extravagantinteressantergorillaboy

extravagantinteressantergorillaboy bewertete diesen Eintrag 26.07.2022 18:34:20

rahab

rahab bewertete diesen Eintrag 26.07.2022 15:51:08

5 Kommentare

Mehr von thomas schweighäuser (ex Gotha)