Was vom Fußball übrigblieb – Das kulturelle Erbe (Teil 2: Musik)

Das hatte es nun, nachdem der mittlerweile ehemalige Schalke-Aufsichtsratschef als engagierter Interpret eines Liedes des deutschen Schlagersängers Lindenberg (https://11freunde.de/artikel/ich-mach-mein-ding/2229713) auffällig geworden war, auch nicht mehr gebraucht: dass bekannt wurde, dass Tönnies den ehemaligen Rock-und Pop-Beauftragten der SPD, Sigmar Gabriel, für schlappe 10000 € im Monat unter Vertrag genommen, damit der für ihn ausbaldowere, welche Transportmöglichkeiten Richtung China es für seine Schnitzel möglicherweise geben könnte (oder so ähnlich).

Das ganze geschmacklose Schauspiel bewies erneut, wie kläglich die Verbindung zwischen den Popbranchen Musik und Profifußball, zumal in Deutschland, meistens scheitert. Schweigen wir also von den singenden Spielern wie Müller, Beckenbauer, Hartwig, deren Schlagerkapriolen von mit Fußball befassten Humorverwaltern weggesendet werden, weil die halt so herrlich skurril sind, schweigen wir auch von Nationalmannschaften, die angeleitet von der deutschen Antwort auf Frank Sinatra (Udo Jürgens) martialisch „Wir sind schon auf dem Brenner“ brüllen, und schweigen wir erst recht von Schlagerkapellen wie „Die Toten Hosen“ oder „Sportfreunde Stiller“ und ihren öden Produkten, mögen die nun den aktuellen Meister feiern („Ich, Roque“) oder verdammen („Wir würden nie zum FC Bayern München geh‘n“) – es liegt kein Segen auf dem deutschen fußballbezogenen Musikschaffen, daher schweigen wir natürlich auch von den Fanmeilenmonströsitäten eines Xavier Naidoo oder der Weltmeisterelf von 2014.

Einzig die wunderbare Operette „Roxy und ihr Wunderteam“ von Paul Abraham, der vor den Nazis fliehen musste, ragt singulär aus diesem Schlamm. Sie taucht seit einigen Jahren wieder auf den Spielplänen der Opernhäuser auf und wer die Gelegenheit hat, eine Aufführung zu sehen, wird es nicht bereuen.

Gehen wir aber nach England: 1983 veröffentlichten The Fall die Single „Kicker Conspiracy“, mit der Mark E. Smith in einem enigmatischen Songtext (wofür hat der Langweiler Bob Dylan eigentlich einen Nobelpreis bekommen?) auf die anstehende Eroberung des Fußballs durch die Mittelklasse hinweisen wollte, welche einen Stadionbesuch ebenso kompliziert wie kostspielig machen sollte. Der Song scheppert, unterbrochen von einigen Rhythmuswechseln und eher unvermuteten Zwischenrufen, großartige 4 Minuten und 22 Sekunden vor sich hin und endet dann in einem eher beiläufigen Pfeifen, so als ginge man nach einem verlorenen Spiel nach Hause. Auch die Helden einer vergangenen Epoche bleiben nicht unerwähnt: „In the booze club, George Best does rule“. Der City-Fan Smith erzählte gerne, er habe das United-Idol Best immer bewundert und sogar einmal mit ihm getrunken. Best wiederum gab der 1. Wedding-Present-LP den Titel und ist der alleinige Held des wohl besten Fußballfilms aller Zeiten („Fußball wie noch nie“ von Hellmuth Costard).

20 Jahre später nahm eine neue Ausgabe von The Fall den Song „Theme from Sparta F.C.“ auf, der es zur Titelmelodie der BBC-Sendung „Final Score“ brachte und die gewalttätigen Auswüchse des Fanwesens thematisiert. Smith selbst verlas im BBC-Fernsehen am 19.11. 2005 in einem epochalen Gastauftritt die Ergebnisse des Wochenendes.

Einer der wenigen Gäste der englischen Radiosendung „Desert Island discs“, der Fall-Schallplatten mit auf eine einsame Insel nehmen würde, ist der Komiker Frank Skinner, der zusammen mit Ian Broudie und David Baddiel die Hymne „Three lions“ schrieb. Auch wenn es den Engländern nicht gelungen ist, dem Weltmeistertitel von 1966 einen zweiten folgen zu lassen, so haben sich Skinner, Baddiel und Broudie doch mit dem Video von 1998, in dem eine deutsche Mannschaft besiegt wird, deren Spieler nicht nur mit Oliba und Minipli ausstaffiert sind, sondern auch (fast) alle den Engländer erheiternden Namen „Kuntz“ auf dem Trikot tragen, in die Herzen der Deutschlandhasser, also aller zivilisierten Menschen, gesungen.

Wenn heute Abend in einem uninteressanten DFB-Pokalfinale der Sieger ermittelt sein wird, ist es mehr als wahrscheinlich, dass in einem leeren Stadion „We are the champions“ erklingen wird, ein Song, den ein schwules Flüchtlingskind den Machos dieser Welt schenkte. Die werden erst dann ihren unheilvollen Einfluß auf den Fußball verlieren, wenn zum Bankett endlich auch die Spielermänner zugelassen sein werden.

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berridraun

berridraun bewertete diesen Eintrag 04.07.2020 17:01:44

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