Nebenerwerbsverfassungsrichter verklagt Bürger dieses Landes

Die jüngsten Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes über Anträge zu Maßnahmen gegen COVID-19 lassen den Schluss zu, dass es mittlerweile Zeitverschwendung ist, gegen einzelne Verordnungen, die oft nur kurz in Kraft sind, zu klagen. Der VfGH hat - nach kritischen Urteilen im Juni 2020 - nun offenbar einen regierungskonformen Kurs eingeschlagen. Da kann man schon mal auf den Artikel 1 B-VG vergessen: "Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus." Vom Volk, liebe Verfassungsrichter, nicht von der Regierung geht das Recht aus!

VFGH https://www.vfgh.gv.at/images/0001_Richtergruppe__17A6659-ip3_Maximilian_Rosenberger.jpg

Das Volk, von dem das Recht ausgeht, wird von den Nationalratsabgeordneten vertreten. Das Parlament, und nur das Parlament, wäre laut Verfassung (Artikel 56 B-VG) für die Gesetzgebung zuständig. Die Selbst-Ermächtigung der Regierung (im Widerspruch zu Artikel 19 B-VG) und die Selbst-Entmächtigung des Parlaments im Bereich der Legislative ist eines der zentralen Probleme, das nach Ausbruch der Corona-Herrschaft zu einer realen Gefahr für unsere Demokratie geworden ist. Allerdings sind die Verfassungsrichter der Überzeugung, es sei nicht ihr Auftrag, sich mit derartig essenziellen Fragen zu beschäftigen. So gesehen: jede Verfassungsklage über eine Corona-Verordnung ist eine willkommene Ablenkung zum gut bezahlten Zeitvertreib der Verfassungsrichter.

Manche Verfassungsrichter sind offenbar durch ihre Nebenbeschäftigungen zu sehr von den Grundsätzen der Verfassung abgelenkt. Ex-Justizminister Wolfgang Brandstetter musste von seinem Versorgungsposten im VfGH zurücktreten. Sein Rechtsverständnis hat er folgendermaßen artikuliert: "Es tut dem Land nicht gut, wenn öffentlich mit Gift und Galle Menschen in öffentlichen Funktionen angegriffen und angepatzt werden. Ein privates Gespräch unter Freunden und öffentliche Äußerungen sind gänzlich verschiedene Dinge." (Quelle: Die Presse) Zur Erinnerung: zwei hochrangige Justiz-Beamte lästern über Entscheidungen des Höchstgerichtes und der Ex-Justizminister betrachtet es als "privates Gespräch".

Und nun kommt Rechtsanwalt Michael Rami, 2018 von der FPÖ ins Amt des Verfassungsrichters gehievt, und verklagt dutzende Facebook-Blogger, die angeblich die Ehre der Gattin von Innenminister Karl Nehammer verletzt haben. Ein Blogger hat behauptet, Katharina Nehammer habe sich am Maskendeal bereichert. Dieser Fall wurde mit einem Vergleich abgeschlossen. Schwamm drüber, würde jeder andere Kläger in so einem Fall sagen. Nicht aber die Frau des Innenministers und ihr Anwalt.

Nehammer und Rami verklagen alle Facebook-User, die das inkriminierte Posting geteilt haben. Dabei geht es um die schlappe Summe von 3.500 Euro pro Posting als "Entschädigung" für die Frau Nehammer und zusülzlich 942,84 Euro Anwaltskosten für den Neberwerbs-Verwalstungsrichter, hauptberuflich Partner der der Gheneff - Rami - Sommer Rechtsanwälte GmbH & Co KG

Damit ich nicht ins Visier des Anwalts Dr. Rami komme, möchte ich meiner Überzeugung Ausdruck verleihen, dass es Nehammer+Rami bei ihrer Klage NICHT!!! darum geht, Bürger dieses Landes abzuzuocken. Das beweist der Herr Anwalt mit folgender Aussage gegenüber der Zeitung "Österreich": "3.500 Euro sind nicht einmal 10% des gesetzlichen Höchstsatzes für derartige Fälle." Ich möchte dem Herrn Anwalt ausdrücklich für seine humane Tarifgestaltung in der Bemessung der "Schadenshöhe" danken. Seit Immanuel Kant hat der Humanismus in Europa keinen rechtschaffeneren Vertreter mehr gefunden!

Die Pointe am Ende, wie man sie nicht erfinden, sondern nur in Österreich erleben kann: der FPÖ-Nationalrat Christian Hafenecker, der zwar ein paar Semester Jus studiert, aber nicht abgeschlossen hat, macht sich zum Anwalt der Opfer des Nehammer-Rami-Geschäftsmodells.

P.S. Hier zu den aktuellen Urteilen des VfGH, publiziert am 20. Juli 2021

Maskenpflicht im Handel

Abgewiesen wurde ein Antrag des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich auf Feststellung, dass die Verpflichtung zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes im Kundenbereich in geschlossenen Räumen in Betriebsstätten gesetzwidrig war (§ 2 Abs. 1a COVID-19-Lockerungsverordnung idF BGBl. II 398/2020). Diese Bestimmung war vom 14. bis einschließlich 20. September 2020 in Kraft. Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz hat nämlich hinreichend dargelegt, auf Grund welcher tatsächlichen Umstände die strittige Regelung erfolgt ist; diese Maskenpflicht verstieß daher nicht gegen das COVID-19-Maßnahmengesetz.

(V 35/2021)

Ein ähnlicher, früherer Antrag des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich bezog sich auf die Stammfassung der COVID-19-Lockerungsverordnung (BGBl. II 197/2020), auf Grund derer im Mai 2020 eine Maskenpflicht im Handel gegolten hatte. In diesem Fall hatte es der Gesundheitsminister verabsäumt, nachvollziehbar festzuhalten, warum er die im Handel geltende Maskenpflicht für erforderlich hielt. Diese Bestimmung war daher gesetzwidrig.

(V 587/2020)

Verbot von „Click & Collect“ im Spätherbst 2020 war verhältnismäßig

Erfolglos blieb ein Antrag, mit dem die Handelskette IKEA das Verbot des Betretens und des Befahrens des Kundenbereichs von Betriebsstätten des Handels und damit auch das Verbot von „Click and Collect“ im November 2020 (§ 5 Abs. 1 Z 1 COVID-19-Notmaßnahmenverordnung idF BGBl. II 528/2020) angefochten hatte, also das Abholen bereits bezahlter Ware. Der VfGH stellte fest, dass der mit dem Verbot verbundene Eingriff in das Grundrecht der Erwerbsfreiheit bzw. in das Eigentumsgrundrecht angesichts der epidemiologischen Lage verhältnismäßig war, zumal das angefochtene Verbot nur für einen Zeitraum von zehn Tagen galt und der Onlinehandel zu keinem Zeitpunkt untersagt war. Der VfGH verweist in der Entscheidung auch darauf, dass der Gesundheitsminister zuvor noch versucht hatte, die Verbreitung von COVID-19 durch die Anordnung gelinderer Maßnahmen zu verhindern. Der VfGH erkannte auch keine unsachliche Ungleichbehandlung darin, dass im gleichen Zeitraum die Abholung von Speisen und Getränken erlaubt war, da deren ständige Verfügbarkeit als Güter der Grundversorgung essentiell ist.

(V 592/2020)

Papier- und Schreibwarenhandel: Ausweichen auf Online-Handel war zumutbar

Auch im Hinblick auf Betriebe, die mit Papier- und Schreibwaren handeln, verstieß das genannte Verbot des Betretens und des Befahrens des Kundenbereichs von Betriebsstätten des Handels vom November 2020 nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz. Zwar, so stellte der VfGH fest, sind Papier- und Schreibwaren für den Alltag vieler Menschen, die sich während der COVID-19-Pandemie im Home-Office oder im Distanzunterricht befinden, besonders wichtig; der Verordnungsgeber konnte aber in einer Durchschnittsbetrachtung vertretbar davon ausgehen, dass für die Kundinnen und Kunden ein vorübergehendes Ausweichen auf den Online-Handel zumutbar war. Der VfGH stellte auch keinen unverhältnismäßigen Eingriff in die Freiheit der Erwerbsbetätigung bzw. keine unverhältnismäßige Eigentumsbeschränkung fest.

(V 593/2020)

Begräbnisse: Beschränkung auf 50 Teilnehmer war unverhältnismäßig

Als verfassungswidrig hat der VfGH eine Bestimmung in der 2. COVID-19-Notmaßnahmenverordnung aufgehoben, wonach bei Begräbnissen die Zahl der Teilnehmer mit 50 Personen begrenzt war. Eine Oberösterreicherin – sie konnte am Begräbnis ihrer Tante nicht teilnehmen – hatte Teile der Verordnung angefochten, die ab 26. Dezember 2020 für einige Wochen in Kraft gewesen war. Die Beschränkung war, so der VfGH, bei gesamthafter Betrachtung unverhältnismäßig: Zwar verfolgte die Maßnahme legitime Ziele und war dazu auch geeignet, jedoch ist die letzte Verabschiedung von nahestehenden Verstorbenen weder wiederhol- noch substituierbar und stellt daher einen besonders schweren Eingriff in das Recht auf Privatleben dar (Art. 8 EMRK).

Hingegen erachtete der VfGH das Verbot des Betretens (Befahrens) des Kundenbereichs von Betriebsstätten zur Inanspruchnahme von körpernahen Dienstleistungen (z.B. Massage) – die Oberösterreicherin hatte auch dieses angefochten – im Hinblick auf die damaligen epidemiologischen Verhältnisse als sachlich gerechtfertigt, ebenso die ab 26. Dezember 2020 geltende ganztägige Ausgangsregelung.

(V 2/2021)

Testpflicht bei Ausreise aus Tirol war verhältnismäßig

Die Testpflicht für die Ausreise aus Tirol bzw. aus den Tiroler Bezirken Kufstein und Schwaz im Februar bzw. März 2021 war gesetzeskonform; der VfGH hat Anträge mehrerer Einzelpersonen sowie des Landesverwaltungsgerichtes Tirol, die dies in Frage gestellt hatten, abgewiesen. Diese Einschränkung des Rechts auf Freizügigkeit war zum Schutz vor der Verbreitung bestimmter Virusvarianten von COVID-19 („südafrikanische“ bzw. „britische“ Mutation) verhältnismäßig. Da dem Bundesminister für Gesundheit bzw. den Bezirkshauptmannschaften Kufstein und Schwaz zum Zeitpunkt der Verordnungserlassung Studien vorlagen, wonach sich Personen mit Antikörpern gegen COVID-19 nochmals mit den Virusvarianten anstecken könnten, war die Testpflicht als Bedingung für die Ausreise auch für Personen sachlich gerechtfertigt, die bereits eine Infektion mit COVID-19 durchlaufen hatten.

(V 87/2021 u.a. Zlen.)

Verkehrsbeschränkung in Nenzing: Unternehmen im Recht auf Gleichheit verletzt

Stattgegeben hat der VfGH der Beschwerde eines Vorarlberger Unternehmens, in dem es um eine Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Bludenz vom 21. März 2020 ging. Die Verordnung hatte das Betreten und das Verlassen der Ortsteile Nenzing-Dorf und Beschling in der Gemeinde Nenzing verboten. Dem Epidemiegesetz 1950 folgend hatte das Unternehmen drei Arbeitnehmern aus Nenzing das Entgelt weiterbezahlt und dafür Ersatz nach dem Epidemiegesetz 1950 beantragt. Der VfGH entschied nunmehr, dass das – formal auf das COVID-19-Maßnahmengesetz gestützte – Verbot des Verlassens bestimmter Ortsteile in Nenzing in diesem Gesetz keine Grundlage findet. Es handelt sich vielmehr um eine Verkehrsbeschränkung nach dem Epidemiegesetz 1950, das für diesen Fall grundsätzlich einen Ersatzanspruch vorsieht. Indem das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg diesen Anspruch allein auf Grund der Promulgationsklausel der Verordnung verneint hat („Die Bezirkshauptmannschaft Bludenz verordnet als zuständige Behörde gemäß § 2 Z. 3 des COVID-19-Maßnahmengesetzes…“), hat es das Unternehmen im Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz verletzt.

Der VfGH hat daher die angefochtene Entscheidung aufgehoben. Im fortgesetzten Verfahren hat das Landesverwaltungsgericht zu prüfen, ob ein Anspruch auf Vergütung nach dem Epidemiegesetz 1950 an sich besteht und ob das Unternehmen Zahlungen erhalten hat, die auf diesen Anspruch anzurechnen sind.

(E 4044/2020)

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