Warum Deutschland die AfD braucht – und auf Herrn Höcke besser verzichten sollte.

Herr Höcke, der Vorsitzende der AfD-Fraktion im Thüringer Landtag und Chef der AfD in Thüringen hat wieder einmal gesprochen. Das kann er gut. Er ist ohne Zweifel ein begnadeter Redner. Er weiß, wie man Zuhörer packt und begeistert und manipuliert. Er ist das, was man gemeinhin einen Demagogen nennt.

Er hat bei seiner Rede in Dresden auch viel Wahres gesagt, aber er ist - wieder einmal - über das Ziel hinaus geschossen. Damit hat er allen, die sich nach einer Alternative zum verkrusteten politischen System in Deutschland sehnen, geschadet, am meisten seiner eigenen Partei, der AfD. Er ist, das hat Frauke Petry richtig erkannt, eine "Belastung für die AfD" geworden.

Man muss sich nur die Reaktionen im deutschen Blätterwald ansehen. Man muss nur die Politiker von CDU über SPD, Grüne bis zur Linken hören. "Sprache der NSDAP" (Barley), "blaubraune Truppe" (Tauber), "Neonazipack" (Stegner). Sie frohlocken und schließen von Höcke auf die AfD insgesamt, Tenor: Wie kann man so eine Partei wählen? Das sind Nazis.

So einfach ist es nicht. Herr Höcke ist - noch - nicht die AfD. Und natürlich werden die Altparteien dadurch nicht besser, dass sie mit Fingern auf die AfD zeigen. Ja, die von Höcke thematisierte Vergangenheitsbewältigung in Deutschland ist ein Thema. Nur man kann es nicht wie Höcke angehen.

72 Jahre sind seit dem Ende des 2. Weltkrieges und dem Ende des Nationalsozialismus vergangen. Selbst wer dieses Ende nur als Kind erlebt hat, ist heute ein Greis. Deutsche Schuld hat es gegeben, doch schuldig kann nur sein, wer Schuld auf sich geladen hat. Wer heute 20 oder 30 Jahre ist, ja selbst den 70-jährigen, sie trifft keine Schuld. Doch wir Deutschen haben uns in der Dauerbüßerrolle fast schon bequem eingerichtet. Das ist zu einfach. Kein Volk kann ohne ein gewisses Maß an Nationalbewusstsein leben. Die "Deutschland, du mieses Stück Scheiße-Parolen", hinter denen auch Claudia Roth nur zu gern marschiert, können jedenfalls nicht Deutschlands Zukunft sein, nur Deutschlands Ende.

Wissen um die deutsche Schuld in der Vergangenheit ist wichtig, deutsche Geschichte darf jedoch nicht auf die Jahre zwischen 1933 und 1945 reduziert werden. Wir Deutschen haben jede Menge, worauf wir stolz sein können: deutschen Erfindergeist, deutsche Kultur, die Wende des Jahres 1989. Wer uns dies abspricht, fördert Extremismus, statt ihn zu verhindern. Und deutsche Schuld darf nicht dazu dienen, andere Schuld in Abrede zu stellen. Ja, die Bombardierung von Dresden und anderer deutscher Städte war ein Verbrechen. Das muss man heute sagen dürfen. Wenn nicht, dann überlassen wir das der NPD.

Wir dürfen dabei jedoch auch nicht geschichtsvergessen werden. Darum sind die Aussagen Höckes zum Holocaust-Denkmal in Berlin, über dessen künstlerischen Wert man sich freilich streiten kann, unangemessen. Wirklich erstaunlich ist, dass ein Mann wie Höcke, immerhin Geschichtslehrer, dies nicht erkennt oder sollten wir besser sagen: nicht erkennen will. So erscheint er uns wie ein thüringischer Agent Provocateur.

Olaf Kosinsky / https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:2016-02-25_Plenum_im_Thüringer_Landtag_by_Olaf_Kosinsky-13.jpg

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