Jenseits der Erde - Teil1 – die Raumstation

Konstantin Ziolkowski sagte vor über einhundert Jahren dass die Erde die Wiege der Menschheit wäre, aber dass niemand ewig in seiner Wiege bleibt. Genau mit dieser Idee möchten ich mich hier in dieser Serie befassen Die Idee ist es einen Dialog zu halten, denn vieles von dem wie wir uns so eine Zukunft in den Sternen vorstellen ist von Kunst geprägt die nicht viel mit der Realität zu tun hat, so ist etwa die Idee „erdähnliche Planeten zu finden um sie dann zu besiedeln“ eine bereits völlig absurde Idee, bedenkt man die Alternativen.

Bevor wir uns also auf das Thema des Tages werfen gilt es einige Dinge zu verstehen.

Zum ersten die Geschichte mit der Geschwindigkeit: die Lichtgeschwindigkeit werden wir nicht knacken, da ändert auch der Alcubierre-Drive nichts. In allen Betrachtungen gehe ich daher von Reisegeschwindigkeiten unter der Lichtgeschwindigkeit aus.

Zum Zweiten vermute ich dass sich die Menschheit nicht deutlich in ihrer Psychologie ändert und uns weiterhin das antreibt was uns schon jetzt antreibt.

Drittens gehe ich davon aus dass die Mehrzahl der Personen die es bis hier her geschafft haben voller Science Fiction Konzepte sind die schlicht und ergreifend falsch sind. Sich von diesen zu lösen ist schwierig. Ich spreche aus Erfahrung. Science Fiction ist Kunst, wir aber müssen uns mit der Realität herumschlagen.

Viertens: wir beschäftigen uns mit Visionen, Theorien, Hypothesen und Ideen. Nichts von dem was wir besprechen wird genauso passieren. Wir können nur versuchen abzuschätzen wohin es gehen könnte und wenn wir das tun sollten wir vom aktuell Machbaren ausgehen, nicht von Dingen die "toll wären wenn wir sie hätten". Das Ziel dieser Reihe ist also ein Leben im Weltall zu skizzieren mit Technologie die wir bereits haben.

Der erste Teil der Serie beschäftigt sich mit Raumstationen und den zahlreichen falschen Vorstellungen die wir von so einem Ding haben.

Die erste Frage ist überhaupt „warum sollten wir auf Raumstationen leben?“ und die Antwort ist recht simple: wenn man mal im Weltraum ist, wird das Leben in vielen Bereichen einfacher und Menschen ziehen, wenn sie die Wahl haben, das leichte Leben dem schwierigen vor.

Ein Raumschiff zu bauen dass fähig ist grundsätzlich im Weltraum zu navigieren ist, sofern es weder auf einem Planeten landen oder starten muss, sehr einfach. Mit sehr einfach meine ich dass es jeder mit grundlegenden mechanischen Fähigkeiten selber bauen könnte. Alles das man braucht ist eine luftdichte Kabine, einige CO2 Feuerlöscher als Navigationsdüsen und einen größeren Feuerlöscher als Antrieb. Mit so einer fliegenden Seifenkiste kann man bereits von einer Raumstation zu einer anderen fliegen. Nicht konfortabel und nicht sicher, aber doch.

Ein Gerät das etwas mehr Komfort bietet ist hierbei ähnlich einfach zu konstruieren. Wir reden also von Raumschiffen die signifikant simpler und billiger sind als heutige Autos. Die ganze Sache kann natürlich beliebig vergrößert werden, aber ein zentraler Faktor bleibt erhalten: wir könnten solche Raumschiffe mit heutiger Technologie ohne weiteres bauen. Das Problem ist dass wir hierzu eine funktionierende Industrie im Weltall benötigen. Wie wir zu dieser kommen werden wir in Teil 2 besprechen.

Wir gehen also davon aus dass diese Industrie bereits besteht und relevante Rohstoffe, vor allem Eisen, in großen Mengen zur Verfügung stehen. Wir gehen auch davon aus, dass erste kleine Siedlungen bestehen und Auswanderer darauf warten die Erde zu verlassen. Wir sprechen also nicht von den ersten Siedlungen, sondern von zwei drei Generationen nach den Pionierarbeiten. Die Wahl des Designs fällt dann für die ersten „echten Städte“, fast zwangsläufig, auf einen O-Neil Zylinder. Ein O-Neil Zylinder ist, vereinfacht gesprochen, ein hohler Zylinder der sich um seine eigene Achse dreht.

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Steht man auf der Innenseite wird man durch die Fliehkraft nach außen gedrückt, es erscheint also als würde Schwerkraft wirken. Blickt man nach oben sieht man im Mittelpunkt des Zylinders vermutlich ein grelles Licht, eine gigantische „Leutstoffröhre“ würde dem Zylinder als Lichtquelle dienen. In der „Nacht“ (also wenn das Licht abgedreht wurde) kann man an der Lichtquelle vorbeisehen und sieht genau ober sich seine Nachbarn auf der anderen Seite des Zylinders. Die Ausmaße solch eines Zylinders sind vermutlich groß, denn je größer der Durchmesser, desto langsamer muss sich das Ding drehen um passende Schwerkraft zu simulieren. Solch ein Zylinder kann anfänglich mit erheblichem Durchmesser, aber kurzer Länge gebaut werden und dann fast beliebig in der Länge erweitert werden. Ein solcher Zylinder kann also mit einer Länge von wenigen hundert Metern beginnen und in der letzten Ausbaustufe einige Kilometer an Länge aufweisen. Wir sprechen also nicht von engen Raumstationen, wir sprechen von Raumstationen die enormes Volumen aufweisen. Es liegt im Interesse solcher Raumstationen weitgehend autark zu sein. Hier kommen Pflanzen ins Spiel. Pflanzen können wunderbar genutzt werden um zum einen CO2 zu binden und daraus Nahrung zu machen. Zudem mögen Menschen Pflanzen. Es ist also absolut denkbar dass so eine Raumstation zumindest so grün ist, wie übliche kleinere Städte. Vermutlich grüner.

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Menschen auf einer Raumstation wüssten viel genauer dass sie in einer Symbiose mit Pflanzen leben, als wir und entsprechend wären Pflanzen ein Teil der Kultur. Die Natur ist für den Menschen in der Raumstation nicht mehr etwas das besiegt werden muss sondern etwas das sein Überleben ermöglicht. Auch Fauna ist vermutlich Teil einer Raumstation, zumindest an Bienen oder Hummeln kommen wir nicht vorbei. Vor allem für Vögel (aber auch fliegenden Insekten) sollte die Sache interessant werden, denn je weiter sie ins Zentrum der Station fliegen, desto geringer wird die Schwerkraft. Anpassung an diese Lebensweise dürfte sehr interessante Resultate liefern.

Die autarke Lebensweise dieser kleinen Städte im Himmel ermöglicht massive kulturelle Vielfalt. Praktisch jede Lebensweise, mit ausreichend Anhängern, wird sich ihre eigene „Stadt“ bauen können. Diese Stadt hat völlige Kontrolle darüber wer in ihren Grenzen lebt. Migration kann nur kontrolliert erfolgen, alles andere ist praktisch unmöglich. Diese kulturelle Vielfalt wird sich in Konflikten niederschlagen, wobei ein militärischer Konflikt auch für unbeteiligte dramatische Folgen (Trümmer stellen eine Gefahr für alle dar) hätte, es gilt also anzunehmen dass Kriege zwischen Stationen von anderen Stationen verhindert werden, gleichzeitig ist aber das Embargo im Weltall eine noch mächtigere Waffe als auf der Erde. In anderen Worten: Konflikte wird es geben, aber Invasionen oder das Zerstören anderer Raumstationen ist absurd schwierig.

Für den Menschen auf der Raumstation steht sprichwörtlich das Weltall offen, denn praktisch alles ist im Weltall billiger als auf der Erde. Strukturen können aus Eisen gebaut werden, weil im Weltall eben nichts rostet. Stahlen und Aufprallschutz fürs Raumschiff? Man fängt einfach einen Haufen Steine ein und bindet sie mit einem Netz rund ums Raumschiff, mit dem Nebeneffekt dass sogar Atombomben jetzt nur noch ein Ärgernis darstellen.

Erstaunlich viele Probleme die wir mit extremer Finesse lösen müssen, vor allem weil für uns Gewicht so eine dramatische Rolle spielt, können mit stumpfer, roher Gewalt gelöst werden. Die meisten O-Neil Zylinder würden also nicht „nackt“ im Wetall liegen sondern entweder von Netzen, gefüllt mit Steinen, eher aussehen wie ein gigantischer Stein, oder aber gleich in ausgehöhlten Gesteinskörpern gebaut werden.

Aus der Perspektive eines Menschen der im Weltall aufgewachsen ist kann die Motivation wieder auf einen Planeten zu ziehen nicht groß sein.

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Ich sehe keine klaren Vorteile eines Planeten gegenüber einer Raumstation. Dennoch wird es eine winzige Minderheit dort hin ziehen. Es liegt aber in der Natur der Sache dass in überaus absehbarer Zeit, also wenigen Jahrhunderten, weit über 95% der Menschen im Weltall leben würden. Will auch nur ein Bruchteil davon auf der Erde leben, explodiert das Problem der Überbevölkerung auf der Erde noch stärker. Die Erde wird damit vermutlich immer unattraktiver und es liegt praktisch auf der Hand dass in absehbarer Zeit mehr Natur im Weltall existiert als auf der Erde. Oder aber die Erde wird zum Monaco unserer Welt: ein Spielplatz der Superreichen.

Die Energiequelle der Wahl für die Raumstationen ist vermutlich Solarenergie (Im Weltall ist immer Tag) und die maximale Anzahl an Raumstationen ergibt sich im Wesentlichen aus der Menge an Energie die wir von der Sonne bekommen können.

Am Ende wird die Sonne von so vielen Raumstationen umzingelt sein dass sie von einem anderen Sternensystem aus nicht mehr zu sehen ist. Wir sprechen hierbei von einem „Dyson Schwarm“. Spätestens ab diesem Zeitpunkt schnallen einige Raumstationen Triebwerke an ihre Hülle und machen sich auf den Weg in andere Sternsysteme, aber das ist eine andere Geschichte.

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Miki

Miki bewertete diesen Eintrag 13.10.2020 15:26:51

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