Normal ist subjektiv was man kennt. Objektiv ist normal aber etwas völlig anderes. Wirklich normal ist was viele tun.

Wenn man etwa ein einem Dorf aufwächst wo man am Sonntag in die christliche Kirche geht und das ganze Dorf dort ist, ist es normal, dass man am Sonntag in die Kirche geht. Es ist aber für ein Kind darüber hinaus so normal dass jeder ein Christ ist, dass es nicht einmal darüber nachdenkt, dass es anders sein könnte. Als Karl May seine Märchengeschichten im wilden Westen geschrieben hat beschrieb er was er kannte: Winnetou stirbt mit den Worten „Ich bin ein Christ“ auf den Lippen und davor lebt er ein defacto christliches Leben, denn Manitou ist der christliche Gott mit anderem Namen, die ewigen Jagdgründe der Himmel mit anderem Namen.

Für May war das tatsächliche Göttersystem der Apachen unverständlich vor allem weil es ihm unbekannt war.

Für einen echten Mescalero war etwas anderes normal als für Winnetou aber für den May begeisterten Deutschen war Manitou realer als die Ga'ns, die tatsächlichen „Götter“ dieses Volkes.

Unsere Idee „was normal ist“ ist geprägt von dem was rund um uns ist und was wir erlebt haben. Das versteht auch der Tourismus. Nach einem Urlaub in Nord-Korea hat man die Vorstellung, dass Nord-Korea gar nicht so schlimm ist, weil sehr genau geplant wird was man sehen darf. Die Normalität die man sieht, ist aber nicht die Normalität der meisten Nordkoreaner.

Genau wie die oben beschriebenen Kirchgeher sind wir im Westen aber eine Minderheit. Wie wir leben ist nicht normal. Normal ist es eine brutale Autokratie über sich zu haben die in Saus und Braus lebt und die 99% unter sich nicht nur ausbeutet sondern ihr Leben in einem Ausmaß regeln das für uns unvorstellbar ist.

Die Mehrzahl der Menschen im Westen jammert darüber dass es bei uns nicht anders sei, eine kleine Elite würde in Saus und Braus leben und uns ausbeuten, dabei verstehen sie aber nicht den Unterschied zur restlichen Welt.

Im Westen herrschen zwei Sorten von Bonzen: solche die es selber geschafft haben absurde Gelder anzuhäufen indem sie irgendetwas nützliches gemacht haben für das wir ihnen freiwillig Geld geben, also die Musks und Bezoses, oder aber Menschen die ihre Zähne in die Brust von Mama Staat geschlagen haben und Steuergeld trinken: Manager in staatlichen Betrieben, hohe Beamte oder Konzerne die Milliardenförderungen erhalten.

Erstere sind nützlich, zweitere sind aber die Normalität.

In den meisten Gesellschaften gibt es nur die zweite Gruppe. Ein Musk wäre in einer sozialistischen Planwirtschaft ein kleiner Ingenieur mit einem Ingenieursgehalt und vermutlich weniger motiviert Innovationen zu pushen, so wie Alexey Pajitnov, der Erfinder von Tetris. Wäre er im Westen gewesen als er Tetris erfand wäre er reich geworden und wir hätten mehr Spiele aus diesem brillanten Kopf erhalten. So blieb es bei Tetris, und wäre Henk Rogers nicht darüber gestolpert, hätten wir es nie kennengelernt.

Die meisten Gesellschaften sind arm, weil ihre Spitze vollständig aus Parasiten besteht. Unsere Gesellschaft ist so reich, weil wenigstens ein Teil ihre Position durch Arbeit erreicht haben und es einen Weg nach Oben gibt der über Arbeit führt.

Eine Gesellschaft die nur verdiente Menschen als Elite zulässt muss geradezu zwangsläufig noch reicher, freier und gerechter sein als das was wir haben. Das wird aber nie passieren, denn es liegt in unserer Natur unsere Unterdrücker anzuhimmeln, um so mehr die Daumenschrauben gedreht werden, desto größer wächst die Liebe so vieler für ihre Unterdrücker, denn wer sie unterdrückt, der schützt sie vor noch schlimmeren Leuten.

Auch das ist Normal und aus genau dieser Normalität entwächst das was für die meisten auf der Welt normal ist.

Normalität ist was eben passiert und es scheint als bewegen wir uns, in variabler Geschwindigkeit, aus einer sehr abnormalen Phase im Westen wieder dorthin wo die restliche Welt ist, unter schallendem Applaus der Menschen die panische Angst vor Selbstverantwortung und Selbsteigentum haben, denn diese beiden Dinge sind, historisch betrachtet, völlig abnormal für die breite Masse und ein Privileg der Spitze.

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Matt Elger

Matt Elger bewertete diesen Eintrag 25.10.2022 23:19:25

A. M. Berger

A. M. Berger bewertete diesen Eintrag 25.10.2022 09:20:37

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