Wie so oft in letzter Zeit bin ich auch heute wieder mit dem Zug unterwegs gewesen. Ich bin nach Thüringen für ein verlängertes Wochenende gereist. Und ich bin wieder einma erstaunt, wie sehr sich das Verhalten der Menschen anderen gegenüber verschlechtert. Hilfsbereitschaft dürfte für viele inzwischen ein Fremdwort geworden sein. Nur zwei Szenen, die sich heute im Zug ereignet haben, bestärken mich leider in diesem Gefühl. In München hatte ich den ICE Richtung Würzburg bestiegen. Mit dabei, außer meinem Koffer, der auf Grund der Wanderausrüstung etwas mehr wiegt, Laptop und eine große Handtasche. Im ICE ist man fast gezwungen den Koffer auf die obere Ablage zu hieven. Möglicherweise gibt es auch andere Abstellmöglichkeiten, ich habe keine gesehen, so habe ich mich dazu entschlossen, den Trolley mühsam auf die Ablage zu stemmen. Besonders erstaunlich an der Situation, es waren in dem Großraumwagon geschätzte 20Herren zwischen vermutlich 30 und 60 Jahren, die rein äußerlich nicht körperlich eingeschränkt erschienen. Ich schaute hilfesuchend in die Runde, nachdem sich keiner erbarmte, begann ich meinen Koffer zu heben, begleitet mit folgendem Kommentar meines Sitzgegenübers: „Ja, typisch Frau, zu viele Schuhe eingepackt, vermutlich, deshalb ist das Teil wahrscheinlich so schwer, hahaha!“ Auf meine Antwort, dass er statt flapsiger Ansagen, doch besser behilflich sein könnte, beantwortete er mit einem herablassenden „hätten Sie halt gleich was gesagt, Gnädige.“ Immerhin hat sich der gute Mann dazu bewegt, meinen Koffer zu verfrachten. Dafür hat er sich dann auf dem gemeinsamen Tischchen mit seinem Brunchpaket ausgebreitet, herumgebröslt und den Mist bis zum Zielbahnhof liegen gelassen. Und nein, es gab keinen freien Sitzplatz, der mir einen Wechsel ermöglicht hätte.

Eine Station später bestieg ein älteres Paar den Zug. Der Herr saß im Rollstuhl und wurde von seiner Frau geschoben. Sie steuerten die offenbar für sie reservierten Plätze an. Der Herr war zwar sehr beeinträchtigt, konnte sich aber sehr mühevoll von seinem Gefährt erheben und wollte in den Sitzplatz wechseln, was ihm aber nicht möglich war. Seine Partnerin stand hinter dem Gefährt und konnte nicht vorbeigehen. Sämtliche Passagiere beobachteten die Situation. Ich bin dann aufgesprungen und habe dem Herren in seinen Sitzplatz geholfen. Keiner der anderen Fahrgäste, egal, ob männlich oder weiblich, jung oder alt, hat sich nur einen Millimeter gerührt um zu helfen, geschaut haben alle.

Das sind nur zwei kleine Szenen, die mir wieder einmal gezeigt haben, wie sehr Hilfsbereitschaft im Alltag verlorenen gegangen ist, und das nicht nur bei der sogenannten Jugend.

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Petra vom Frankenwald

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