Wie lange können wir ein Leben ohne Sozialkontakte überstehen?

Auf der einen Seite will und muss man diese drastischen Maßnahmen machen, damit man überhaupt eine Chance hat, dieses Virus zu verlangsamen, um eben Zeit zu gewinnen, damit man auch Gegenmaßnahmen im ausreichenden Maß ergreifen kann. Auf der anderen Seite sind das massive Eingriffe, die unser Freiheit einschränken, so wie wir, die nach dem Krieg Geborenen, das noch nie erlebt haben. Aber es muss sein.

Wenn wir nach Italien oder jetzt auch auf Ostfrankreich schauen, dann bekommt man ein Bild davon, was uns erwartet, wenn wir das nicht schnell genug in den Griff bekommen. Da werden schon Patienten aussortiert, wer wenig Chancen auf Überleben hat oder ein gewisses Alter überschritten hat, der bekommt nicht die volle Versorgung. Das hört sich herzlos an, aber es ist eine Maßnahme, die im Katastrophenfall so gehandhabt werden muss. Dort sieht man was passiert, wenn auf einmal mehr Kranke als Intensivbetten vorhanden sind. Wollen wir das auch bei uns so sehen?

Man könnte natürlich jetzt auch sagen: „Alte wollt ihr denn ewig leben?“

Angeblich trifft es ja NUR Alte. Aber es trifft auch Junge, die mit Vorerkrankungen, die Immunschwachen, auch die mit Atemwegserkrankungen. Es trifft also auch die Krebspatienten, die HIV Infizierten, die Asthmatiker, und, und, und.

Achtzig Prozent sollen milde Verläufe haben, so wird es uns erzählt. Diese Zahlen stammen aus China. Aber ich habe in einem Bericht gelesen, dass die Chinesen unter milde Verläufe auch Lungenentzündungen gezählt haben und nur die, die an Beatmungsmaschinen angeschlossen sind laufen unter schweren Verläufen. Ob jetzt eine Lungenentzündung ein leichter Fall ist, vor dem man sich so gar nicht fürchten muss?

Auf jeden Fall ist die Einschränkung, die wir jetzt erleben für niemand schön, aber es ist nicht nur für den eigenen Schutz erforderlich sondern auch für den Schutz der Schwächeren. Und vor allem ist es der Schutz davor, dass morgen ganz Deutschland gemeinsam Coronakrank im Bett liegt. Ganz schlecht ist eben, wenn dein Arzt plötzlich neben dir auf der Intensivstation liegt.

Und die die es erwischt hat? Es ist ja nicht nur schlimm, dass man sterben muss, sondern auch wie man sterben muss.

Ganz schlimm finde ich auch dass die Coronakranken keine Besuche mehr erhalten dürfen, was ja angesichts der Lage richtig ist, aber wie einsam müssen die sich dann fühlen? Und deren Angehörige, welch Leid müssen die ertragen, wenn sie ihre Mutter oder den Opa usw. nicht mehr besuchen dürfen, wo sie doch damit rechnen müssen, sie vielleicht nie mehr lebend in den Arm zu schließen.

In Italien spielen sich richtige Tragödien ab. Die Leute die an Corona sterben, die sterben ganz allein ohne Angehörige, ohne sich nochmals zu verabschieden. Wenn dann die Handynachricht, gesprochen im Angesicht des Totes, das einzige und letzte ist, dass man noch von seinen Angehörigen hat, dann ist das schon ganz schön hart. Und wahrscheinlich auch ganz und gar nicht lustig, selbst wenn der Verstorbene auch schon sehr alt war und man ja sowieso mal sterben muss. Das ist kein Trost. Das wünscht man auch niemanden.

Deshalb wäre ein innehalten angebracht. Was ist denn daran so schlimm, dass es keine Fußballspiele mehr gibt, kein Biathlon und sonstige Sportveranstaltungen? Was wäre daran so schlimm, wenn wir jetzt alle keine Partys mehr feiern können, uns nicht mehr mit unseren Freunden treffen, kein Kinobesuch, kein Konzert, keine Aufführungen, einfach nichts mehr unternehmen können? Wenn das öffentliche Leben einfach für eine gewisse Zeit nicht mehr statt fände?

Das wäre sicherlich für manche dieser lauten Spaßgesellschaft mal ein innehalten um über sich und die Welt nachzudenken. Auch darüber was braucht man eigentlich um zu leben. Ist das alles was wir heute als unentbehrlich halten wirklich ein Garant für Glück.

Aber es trifft ja nicht nur die, die in einer lauten Spaßgesellschaft leben und denen das wirklich gut tun würde, mal plötzlich mit sich selbst konfrontiert zu sein.

Aber es gibt auch die Kehrseite, die mir ebenfalls große Sorge bereitet.

Ich habe Angst davor, dass ganz viele Leute noch mehr vereinsamen. Wir haben nämlich auch das Problem, dass es Menschen gibt, die eben nicht permanent an allem teilnehmen müssen. Sondern die sich schon vor Corona allein, abgehängt und ausgeschlossen gefühlt haben. Was passiert mit den Menschen, wenn jetzt vielleicht auch noch der letzte soziale Außenkontakt verloren geht?

Familien und Paare überstehen das Ganze sicherlich besser, als Singles. Die schrille Gesellschaft wird es auch überstehen mal nicht mehr an allem teilnehmen zu können.

Es gibt in Deutschland aber auch ganz viele Menschen die (fast) niemanden haben, der sich um sie kümmert, selbst Eltern sind einsam weil ihre Kinder weit weg am anderen Ende der Welt leben, da sind Kontakte zu den Nachbarn wichtig um die Einsamkeit zu überstehen.

Man sollte sich auch die Frage stellen, was macht das mit den Menschen? Wenn wir jetzt vielleicht wochen- oder sogar monatelang die sozialen Kontakte begrenzen. Der Mensch ist ein sehr soziales Wesen und verkümmert ohne Sozialkontakte. Selbst im Gesundheitswesen weiß man um die heilende Wirkung der Sozialkontakte.

Selbstverständlich müssen wir jetzt mal weitest gehend darauf verzichten. Wir sollen die Enkel nicht zu den Großeltern bringen und unser alten Eltern nicht mehr besuchen , um sie vor der Ansteckung zu schützen.

Aber wie lange darf so etwas dauern, bis andere Schäden auftreten? Wird es da mehr Selbstmorde geben? Werden die Depressionen zunehmen? Wie bekommen wir diese Menschen über die Zeit, in der wir uns isolieren müssen?

Bitte vergesst also nicht, in eurem Selbstmitleid, dass so gar nichts mehr stattfindet, und sich viel Langeweile breit macht, dass es da auch noch Leute gibt, die ihr zumindest anrufen könnt, damit die nicht völlig vereinsamen.

Ruft euer Lieben an und zeigt ihnen, dass sie trotz Quarantäne nicht allein sind.

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