"Wir dulden keinen politischen Islam!" ist das Schlagwort vieler Parteien, die sich ein bisserl bis sehr islamkritisch geben.

Als undurchdachtes Echo findet diese Formulierung auch Niederschlag in Blogs und Foren:

https://www.fischundfleisch.com/mag-robert-cvrkal/der-politische-islam-ist-das-gift-unserer-gesellschaft-karl-nehammer-60715

Aber alleine schon die Formulierung ist manipulativ und suggeriert, dass eine Trennung existieren würde zwischen einem unpolitischen Islam und einem politischen Islam.

Ein wirklicher Islamkrenner (und keiner dieser politischen Pseudo-Islamkenner und -kritiker), der selbst Mitglied der Moslembrüderschaft war und dann einer der kompetentesten Islamkritiker wurde, nämlich der Deutsch-Ägypter Hamed Abdel-Samad, meint, das Gerede vom politischen Islam, das gleichzeitig bedeutet, dass es einen unpolitischen Islam gäbe, nutze nur den Islamischen Fundamentalisten und Dschihadisten (wie z.B. dem IS), weil diese sich dann gegenüber Nicht-Experten als unpolitische Moslems darstellen können, wozu die islamische Taqqiya sogar eine Vorschrift ist, bzw. als solche verstanden werden kann.

Und in der Tat gibt es viele Argumente, dass es einen unpolitischen Islam gar nicht geben kann:

Mohammed, der Religionsgründer des Islam, war politischer und religiöser Führer gleichzeitig (militärischer und juristischer übrigens auch), so gesehen ist eine Trennung zwischen Politik und Religion im Islam unmöglich.

Zahlreiche Islamische Staaten sind Theokratien, wie z.B. der Iran, wo religiöse Führer (Mullahs und Ajatollahs) auch politische Führer sind, und noch dazu unanwählbare, wie z.B. der Vorsitzende des "Revolutionswächterrats", Ajatollah Khamenei, nicht zu verwechseln mit Staatsgründer Ajatollah Khomeini. Eben deswegen, weil es aus Khomeinis Sicht keinen unpolitischen Islam gibt, "musste" er auch alle säkularen Kampf- oder Revolutionsgenossen gegen Schah Mohammed Reza Pahlevi ausschalten.

Auch wenn es einen unpolitischen Islam und eine Trennung zwischen Politik und Religion so gesehen, aufgrund der klassischen Interpretation nicht geben kann, so gibt es dennoch zwei Perspektiven:

.) eine weitgehende Islamreform (die derzeit aber nicht absehbar ist). Genau in diesem Sinne ist der Spruch "Wir wollen keinen politischen Islam!" auch verstehbar, als Ausdruck des Wunsches nach einer tiefgehenden Reform des Islam, während es diesen Reformislam derzeit nicht gibt. Aber dann ist es eben die Doppeldeutigkeit des Spruches "Wir wollen keinen politischen Islam!", die das Problem darstellt: soll damit gemeint sein, dass es jetzt schon einen unpolitischen Islam gäbe, oder dass ein solchen in der Zukunft anzustreben sei, weil es ihn eben in der Gegenwart nicht gäbe ?

.) auch wenn es keinen unpolitischen Islam geben kann (gegeben die derzeit dominierende Interpretation), so kann es dennoch unpolitische Muslime bzw. Pseudo-Muslime geben, die z.B. nur die islamischen Bet- und Fastenregeln einhalten, aber sonst keine islamischen Vorschriften.

CC / Spekking https://de.wikipedia.org/wiki/Hamed_Abdel-Samad#/media/Datei:Hart_aber_fair_-_2018-04-09-8849.jpg

Islamkritiker Hamed Abdel-Samad, ein scharfer Kritiker der These vom "unpolitischen Islam", die seiner Meinung nach nur den islamsichen Fundamentalisten nutzt, die sich dann als Vertreter des unpolitischen Islam darstellen können oder gemäß Taqqiya sogar müssen.

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