Um die Grenzwertigkeit vieler Debatten rund um die politische Korrektheit zu demonstrieren, nehme man nur diesen einen Gegenstand:

CC / Rainer Z https://de.wikipedia.org/wiki/Schokokuss

Galt früher dieser Gegenstand als Negerkuss oder Mohrenkopf, so wurden diese beiden Begriffe neuerdings als politisch unkorrekt eingestuft, und sollen laut den hypermoralischen Sprachpolizisten ersetzt werden durch zum Beispiel Schokokuss oder Schaumsüssware; in Österreich hat sich vielfach der Begriff der Schwedenbombe eingebürgert, der zwar keinen potenziell rassistischen Hintergrund hat (außer vielleicht einen anti-schwedischen, aber ein solcher ist den Sprachpolizisten noch nicht aufgefallen), aber dennoch einen potenziell militaristischen, der aber den Sprachpolizisten bisher noch nicht aufgefallen zu sein scheint.

Auf jeden Fall handelt es sich um ein Genussmittel, also etwas positives, und Süssigkeiten assoziieren die meisten, insbesondere Kinder mit positiven Gefühlen. So gesehen ist es natürlich keine Abwertung, den Begriff "Negerkuss" oder "Mohrenkopf" zu verwenden, wenn auch der "Mohrenkopf" insofern problematisch ist, als er eine gewisse Affinität zum Kannibalismus hat.

Die politische korrekte Sprachumdefinition beruht auf der Annahme, dass man keine Begriffe verwenden darf, die irgendjemand der Bezeichneten als diskriminierend interpretieren könnte.

Manche Farbige empfinden den Begriff "Negerkuss" als abwertend, andere nicht.

Allerdings ist auch hier die Debatte sehr selektiv. Rund um den Negerkuss ist eine Riesendebatte entflammt und die Rassismusvorwürfe (gegen Weisse) in diesem Zusammenhang waren massiv.

Aber wenn zum Beispiel Bewohner und Bewohnerinnen des Außerferns, eines Tiroler Bezirks, diesen Begriff ablehnen als diskriminierend, weil er von Innsbruck geprägt wurde, und eine gewisse Affinität zum "Hinterwäldler" und "Provinzler" hat, dann löst das keine Politische-Korrektheits-Debatte aus, weil die Betroffenen / Diskriminierten ja Autochtone sind, Weisse.

Somit zeigt sich das wahre Gesicht der politischen Korrektheit: es geht nicht darum, jede Diskriminierung, jede Abwertung zu bekämpfen und jedem Abwertungsgefühl zu entsprechen, sondern beispielsweise nur die gegen Farbige gerichteten Begriffe zu bekämpfen, nicht aber die gegen Weisse gerichteten Begriffe. Womit der Anti-Rassismus selbst einen rassistischen Unterton bekommt.

Es ist klar, dass eine von derartiger Doppelmoral getragene Begriffs- und Sprachpolizei mehr Widerstand als Unterstützung erzeugt.

Eine Spezialdebatte ist die rund um das Mohrenbräu, die wir hier auf FUF schon einmal hatten.

CC / Mohrenbrauerei Dornbirn https://upload.wikimedia.org/wikipedia/de/thumb/3/36/Mohrenbr%C3%A4u_Logo.svg/189px-Mohrenbr%C3%A4u_Logo.svg.png

Dabei spielt der religiöse Hintergrund eine große Rolle: für Muslime ist Alkohol Sünde und Haram. Die Assoziierung von Mohren (was sich vielleicht etymologisch/sprachlich von den Mauren bzw. Mauretanien ableitet) mit Alkohol ist daher abwertend, bzw. kann als abwertend empfunden werden.

Genau umgekehrt im Christentum: im Christentum hat Alkohol eine positive Rolle, insbesondere der Wein, der zu Zeiten des vergifteten und krankheitsverbreitenden Wassers eine desinfizierende Funktion hatte und als Messwein auch religiös-heilige Funktion hat. Was ein christlicher Schwarzafrikaner also als positiv empfinden kann, nämlich die Assoziation von Mohr und Alkohol kann bzw. muss ein muslimischer Schwarzafrikaner als abwertend empfinden, zumindest, wenn er nicht über die eigene Kultur hinausdenkt, bzw. sich weigert, über die eigene Kultur hinauszudenken.

Da das politische Spiel sehr wesentlich darin besteht, sich selbst zum Opfer zu erklären und die Anderen, insbesondere das andere politische Lager zu Tätern, hat sich das hartnäckige Nicht-Hinausdenken-über-die-Grenzen-der-eigenen-Kultur und der daraus hervorgehende Opferstatus als wesentlicher Teil des politischen "Wir sind die Guten, die Anderen sind die Bösen"-Spiels entwickelt.

Es stellt sich die Frage, ob die krampfhafte Neigung, überall oder viel zu oft Rassismus zu sehen, auch dort, wo gar keiner ist, nicht letztlich dem Anti-Rassismus schadet und dem Rassismus nutzt.

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