Das Chaos rund um die Wahlkarten kann doch ein willkomener und sehr positiver Anlass sein, das Bundespräsidentenwahlgesetz und das Bundesverfassungsgesetz, in dem zahlreiche Bundespräsidentenrechte geregelt sind, manche aber auch sehr mangelhaft, zu reformieren.

Die Reformen können sein:

1.) Reihungswahlrecht statt Lieblingswahlrecht: beim Reihungswhalrecht reihen die Wähler die Kandidaten: "Am liebsten ist mir A, am zweitliebsten B, am drittliebsten C, ...". Reihungswhal würde mit einem Wahlgang auskommen, d.h. man würde sich das Stichwahlchaos ersparen, weil es keine Stichwahl gibt. Außerdem ist Reihungswhalrecht immun gegenüber Wahlmanipulation durch taktisches Wählen und falsche/irreführende Meinungsumfragen, die strafrechtlich relevant sein könnten: §263 "Täuschung bei einer Wahl"

2.) Präzisierung der Bundespräsidentenrechte im B-VG: schwammige Formulierungen im B-VG wie "Bundespräsident ernennt Bundeskanzler", bei dem nicht klar ist, ob es eine völlig freie Wahl ist (ob der Bundespräsident also auch seinen Chauffeur oder einen Ausländer zum Kanzler ernennen kann), oder ob der Präsident bei der Kanzlerernennung die Mehrheitsverhältnisse im Parlament berücksichtigen muß, oder ob der Präsident bei der Kanzlerernennung die Mehrheitsverhältnisse und Einigungsbeziehungen im Parlament berücksichtigen muß, war schon Ursache von Staatskrisen wie im Jahr 2000, als Bundespräsident Klestil glaubte, eine Regierung durchsetzen zu können, die zwar eine Mehrheit im Parlament gehabt hätte, deren beide beabsichtigte Mitglieder (SPÖ und ÖVP) sich aber absolut nicht auf ein gemeinsames Programm einigen konnten.

3.) Parlamentarische Wahl des Präsidenten / Abschaffung der Volkswahl. Wenn das Parlament den Bundespräsidenten wählt, so wie in Deutschland, dann ist Präsidentenwahlchaos wie in Österreich unmöglich. Parlamentarische Wahl des Präsidenten wäre auch eine Kostenersparnis.

4.) Kollektivorgan Staatsoberhaupt ähnlich der Schweiz: in der Schweiz bilden die vier stimmenstärksten Parteien die Regierung und die Funktion des Bundespräsidenten rotiert unter den Regierungsmitgliedern.

Modofiziert könnte man auch ein Modell andenken, bei dem die drei bis sechs stimmenstärksten Kandidaten des einzigen Wahlgangs im Rotationsprinzip das Kollektivorgan Staatsoberhaupt bilden: falls der Bundespräsident verhindert ist, ist schon jetzt die Erledigung seiner Aufgaben durch das Kollektivorgan Nationalratspräsidium vorgehen.

Alles in Allem könnte das Wahlkartenchaos endlich eine längst überfällige Reform des Bundespräsidentenwahlgesetzes und des Bundes-Verfassungsgesetzes einleiten, frei nach dem Vorarlberger Sprichwort, dass nichts so schlecht ist, dass es nicht doch zu irgendwas gut ist.

Bundespräsidentenwahlgesetz:

http://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10000494

Bundes-Verfassungsgesetz:

http://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10000138

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