Viele Geschichten, die mir während meines hektischen und unterbezahlten Berufslebens passiert sind, haben auch mit meinem leider schon verstorbenen Freund Herbert zu tun. Er war in der Bank mein Mentor, mein Reisegefährte nach Schottland und dank seiner Belesenheit und seines schwarzen Humors ein Mensch, der mir sehr wichtig war.
Die Moralpredigt, die er mir ob meiner Heiratsabsichten hielt, war geradezu prophetisch..... Sein oxfordreifes Englisch (er ging in mancher lustigen Runde in Schottland als "Einheimischer" durch und wurde nicht als Tourist erkannt) und seine oft bahnbrechenden Ideen in kleinen Dingen machten ihn zu einem unentbehrlichen Bestandteil meines Lebens. Auch seine "practical Jokes" waren in der Bank Legende. An dem Tag, an dem er bei einem Spaziergang am Lendkanal in Klagenfurt mit Sekundenherztod starb, weinte ich.
Irgendwann Anfang der 1990er Jahre bekamen wir einen neuen Kollegen "auf Probe". Der junge Mann war sehr darauf bedacht, zu gefallen und tat alles, was man ihm sagte, ohne viel weiter darüber nachzudenken.
Im Vorstandssekretariat war auch eine neue Kollegin eingezogen, deren resches Auftreten für vielerlei "Action" sorgte.
Herbert und ich hatten in dieser Zeit gerade eine "Asterix"-Phase, d.h. wir unterhielten uns fast ausschließlich in Zitaten aus den Comix. Als nun eines Tages der junge Kollege in unser Zimmer kam, sagte Herbert: "Verflixt, jetzt habe ich vergessen, bei Frau N. vorbeizugehen. Könnten Sie bitte hinüber zum Vorstand gehen und bei Frau N. den Schlüssel für den Armbrustschießstand holen? Heute ist Training der Betriebssportsektion.....!"
Astrix-Kenner wissen, daß der "Schlüssel zum Armbrustschießstand" ein Witz unter Legionären ist und in irgendeinem der Comix vorkommt.
Wie es der Zufall will, läuteten unsere Telefone und wir waren ein paar Minuten abgelenkt. Als Herbert auflegte, wollte er den Spaß aufklären, doch der junge Mann hatte sich schon auf den Weg gemacht..........
Herbert erzählte später, daß er ihn gerade noch vor der Tür des Vorstandsbereichs abfangen konnte......
Im selben Jahr fuhren wir wieder in unser geliebtes Schottland auf Urlaub. Wenn Herbert seine Nummer "spleeniger schottischer Lord" abzog, war ich meist knapp am Ersticken vor Lachen.
Eines Sonntags verirrten wir uns nach Crathie nahe Schloss Balmoral, wo die kleine Kirche steht, in der die königliche Familie ihren Sonntagsgottesdienst hat.
Die Sicherheitsvorkehrungen für diesen Anlass waren zu der Zeit (vor 9/11) weniger streng als in London, einige gemütliche Landpolizisten überwachten den Weg der Royals auf den 750 m zwischen Schlosstor und Kirche.
Herbert und ich erkundeten das Gebiet rund um die Kirche, als plötzlich die Anreise der Königin signalisiert wurde. Wir standen oben, am Beginn des Parkplatzes und ein Polizist näherte sich. "Ich kann sie leider nicht mehr weglassen, die Familie kommt gleich. Bleiben sie hier bei mir stehen und bitte winken sie....." Dann sah er in unsere Fototaschen und wir blieben, zwei Touristen und ein Polizist auf weiter Flur allein, nahe der Kirche, stehen.
Als die Landrover mit der Queen, dem Duke of Edinburgh und Prince Charles an uns vorbeifuhren, winkten wir wie treue Untertanen der Krone. Als die Queen vor der Kirchentüre den Priester begrüßte, ließ mein Freund überraschenderweise ein lautes: "Long live the Queen!" hören.
Sie drehte sich auch wirklich um und sah kurz zu uns herüber. Eine kleine Geste mit der Hand, dann war sie in der Kirche verschwunden...