Aus dem Tagebuch eines Fußgängers......

Zweimal in meinem Leben habe ich bisher Weltgeschichte hautnah erleben dürfen. Und wenn es mir auch zu dem Zeitpunkt nicht so vorkam, so war ich doch dabei, bei einer Zeitenwende und dem Ende einer Ära.

Es war ein Sonntag im August 1997, als ich mit Herbert wieder einmal Schottland unsicher machte. Wir wollten an diesem Tag der Queen in Balmoral unsere jährliche Aufwartung machen und starteten sehr früh in Inverness.

Beim Wegfahren bemerkte ich, daß der Tank des Wagens sehr bald leer sein würde. Also fuhr ich an die erste offene Tankstelle und füllte auf. Als ich den Shop betrat, standen da zwei Frauen, die hemmungslos schluchzten. Mir war die Situation peinlich, doch als auch der Tankwart mit geröteten Augen aus dem Hinterzimmer kam, wurde es mir unheimlich. Ich zahlte und suchte das Weite.

Wie immer wollten wir dann auf der Fahrt BBC hören, doch zu unserem großen Erstaunen spielte der ansonsten immer sehr gute Highland-Kanal der BBC nur Trauermusik.

„Die Queen wird doch nicht unser Date vergessen habe?“ feixte Herbert.

In den einsamen Hochlandgegenden ist Radioempfang nicht immer einfach; als wir an unserem üblichen Parkplatz bei Balmoral ankamen, staunten wir nicht schlecht. Unzählige Menschen, Sendewagen von Fernsehstationen und ein Großaufgebot an Polizei säumten die Straße.

Herbert sprach einen der Polizisten an und fragte, was denn passiert sei. Der sah ihn mit großen Augen an. „Sie sind der Einzige im ganzen Königreich, der noch nicht weiß, daß Lady Diana in Paris gestorben ist…..“

Unnötig zu erwähnen, daß wir dann auch noch in den Begräbnisrummel in London kamen und wir dort drei Tage lang das Phänomen „Massenhysterie“ hautnah studieren konnten…..

Acht Jahre früher, im November 1989, bereitete ich mich auf meine erste Reise nach Berlin vor. Ich war zu der Zeit Schiedsrichter des österreichischen Volleyballverbandes und hatte es bis zum Schiedsrichter in der 1. Bundesliga gebracht. Zeitweise war ich auch Vizepräsident des österreichischen Volleyballverbands, das nur als Fußnote.

Mein Verein, bei dem ich als Pressereferent und Mädchen für Alles tätig war, war zum ersten Mal im Europacup aktiv. Das erste Auswärtsspiel sollte in Berlin stattfinden. Anreise per Bahn, mit dem damals noch verkehrenden, legendären „Austria-Express“. Schon auf der Fahrt nach Hannover, wo wir umsteigen mußten, machte die Kunde die Runde, daß im „Osten“ etwas im Gange sei. Wir waren mehr auf das kommende Spiel konzentriert und registrierten daher nur die trostlose Zonengrenze bei Helmstedt, die bewaffneten Kontrollorgane und die mürrischen Zöllner der DDR.

In Berlin herrschte Hochstimmung. Kein Wunder, war doch in der Nacht unserer Anreise die Mauer zum ersten Mal „durchlässig“ geworden.

Während unsere Mannschaft das erste Training in der Sporthalle absolvierte, fuhren mein Kollege Christoph – er war auch Schiri – und ich zum Potsdamer Platz. Hochstimmung überall, die Freude der Menschen war unbeschreiblich.

Ich, versonnen: „Wäre doch toll ein Stück der Mauer als Souvenir zu haben….“

Christoph: „Klar, das machen wir!“

Er erspähte einen Bauwagen der Westberliner Stadtverwaltung, an dem, wie bestellt, eine Spitzhacke lehnte. Flux war diese „requiriert“ und Christoph begann, auf die Mauer einzuhauen. Betonstücke spritzten, es war ein tolles Gefühl.

Allerdings hatten wir nicht damit gerechnet, auf einmal von Fernsehteams umringt zu sein, die unser Treiben filmten. ARD, ZDF, BBC……. „Mehr, mehr!“ schrieen die Reporter und wir folgten der Regieanweisung….

So wurden Christoph und ich zu den ersten „Mauerspechten“ und nach Aussage des Portiers unseres Hotels waren wir tatsächlich im Fernsehe zu sehen. Ein Stück der Mauer dient mir heute noch – in Kunstharz gegossen – als Briefbeschwerer auf meinem Schreibtisch.

Bei der Rückfahrt dann bot der vorher so verwaiste Bahnhof Helmstedt ein anderes Bild. In Sechserreihen warteten DDR-Bürger in einer Schlange, die über 1 km lang war, auf die Fahrt in den Westen nach Braunschweig. Die Bahn setzte Sonderzüge ein. Unser Internzonenzug bot auch ein sehr buntes Bild. In Erinnerung geblieben sind mir vor allem die auf einmal lachenden und freundlichen Zöllner. Es schien, als ob von einem ganzen Volk die Last abgefallen war…. Als mir der Zöllner seinen Transitstempel in den Paß knallte, meinte er: „Gut aufheben! Uns gibt’s bald nicht mehr….“ – er sollte Recht behalten.

In Erinnerung blieben mir auch die ersten Volleyballer aus der DDR, die uns nach der Wende in Kärnten besuchten. Sie wollten unbedingt das Meer sehen, so beschlossen wir, einen Ausflug nach Triest zu machen. Wie üblich wurde unser VW-Bus mit Kärntner Kennzeichen an der Grenze einfach „durchgewunken“. Nach ca. 30 km auf italienischem Gebiet fragten uns die Freunde aus Leipzig, wann denn endlich die Grenze käme. Wir erklärten ihnen, das wir diese vor 20 Minuten passiert hätten….. Die jungen Leute konnten sich den ganzen Tag lang nicht beruhigen. Sie konnten nicht verstehen, warum man an einer Grenze „durchgewunken“ wird…..

PS: Das Spiel in Berlin haben wir damals verloren, 3:1. Das war aber nebensächlich.

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fischundfleisch

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