“Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geist der Brüderlichkeit begegnen.”

Artikel 1. der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte

So die Theorie, Menschenrechte, so wichtig und doch so wenig beachtet.

Ich erlebe es jeden Tag, an jeder Ecke, Menschen werden kategorisiert, eingeteilt und beurteilt. Flüchtling, Nazi, Prolet, Idiot, Gewinner, Verlierer, Ausländer, Behinderter... Es gibt wohl Millionen dieser Kategorien und jeder von uns verwendet sie. Jede Kategorie bekommt noch ihre “typischen” Eigenschaften. Sei es nun etwas Harmloses wie “alle Banker tragen Anzüge” oder etwas Heftigeres wie “alle Flüchtlinge sind vergewaltiger”.

Man sieht schon hier dass der von mir zitierte Artikel 1 damit schon wieder ausser Kraft gesetzt ist.

Wir können jetzt lange darüber philosophieren, wie falsch das nicht ist, und urteilen, wir können versuchen, aus diesen Klischees auszubrechen, oder wir können versuchen, uns zu öffnen. Einfach auf die einzelnen zugehen, sie kennen zu lernen und zu sehen, ob es stimmt.

Ich selbst werde als chronisch Kranker mit meinem Behindertenausweis oft ausgeschlossen, bin in einigen Sachen eingeschränkt und bekomme selten die Gelegenheit, mich zu beweisen. Das ist ok, ich habe mich daran gewöhnt. Anfangs habe ich versucht, meine Krankheit zu verheimlichen, zu verstecken, mittlerweile gehe ich offener damit um, ich reibe es nicht jedem unter die Nase (wie bei vielen chronischen Krankheiten sieht man es nicht), aber ich schäme mich nicht dafür.

Gerade habe ich zum 3ten mal meinen Job deswegen verloren, zu oft krank, zu unsicher um tu planen, was weiß ich, was es noch für Gründe gab. Es ist okay, ich bin nicht böse. Bevor ich einen Schub bekam und ins Krankenhaus musste, habe ich noch eine dicke Gehaltserhöhung bekommen, mir wurde vom GF persönlich zugesichert, dass die Firma mich halten will und begeistert ist. Nachdem die Krankheit public wurde, war alles anders, anfangs hieß es noch, dass wäre nie ein Grund jmd. zu entlassen, dann war meine Leistung (klar, ich war im Krankenstand) zu schwach, und auf einmal war es aus. Einfach so. Insgesamt 5 Wochen Krankenstand bei einer lebensgefährlichen Krankheit, ein Liegegips hätte wohl länger gedauert.

Woran liegt das? Ich denke, ich bin einfach in die Kategorie “Behinderter” bzw. “weniger leistungsstark” gefallen. Obwohl ich auch vom Krankenhaus aus versucht habe, zu arbeiten, war es zu wenig.

Aber wie ist das bei anderen? Ich habe viel Kontakt zu Flüchtlingen.

Ich habe sie als ganz besondere Menschen kennengelernt. Gerade in Zeiten wie diesen, habe ich gesehen, wie schnell diese jungen Männer, aber auch Frauen in Kategorien wie “Schnorrer”, “Vergewaltiger” und Sonstiges geworfen werden. Das wollte ich selbst wissen, also habe ich, dank sozialer Medien wie FB, einfach Kontakt zu einigen aufgenommen. Schnell wurde mir klar, die Kategorien in denen diese Leute stecken, passen nicht ganz. Klar ich bin keine Frau, bin 1.90 groß und wiege 100 kg, mich wird kaum jmd. versuchen, zu vergewaltigen, aber auch sonstige Klischees haben einfach nicht gepasst. Mir wurden keine Drogen angeboten, auch mein Geld konnte ich in der Nähe liegen lassen.

So wurden aus vielen von ihnen auf einmal Freunde. Mir wurde immer beigebracht, Freunden und Menschen in Not zu helfen, das habe ich auch hier gemacht. Ab und zu gabs ein Getränk im Kaffehaus, oder ich habe geholfen, Möbel zu organisieren, aber auch hier hat sich die Kategorie “Schnorrer” als falsch erwiesen, ich bekam jeden Gefallen mehrfach zurück.

Es ist unglaublich, was diese Leute erlebt haben, nicht nur in Ihrer Heimat, oder bei der Flucht, nein, auch hier erleben sie viel Schlimmes.

Die Kategorie “Flüchtling” hat hier einen bösen Beigeschmack. Als Flüchtling ist man bei vielen noch weniger Wert als wir “Behinderten” (ich bin ja wenigstens Österreicher). Rassismus ist heutzutage ein großes Thema, viele werden schief angesehen, anders behandelt.

Sie versuchen sich zu integrieren, schaffen es aber nicht, da sie aus dem falschen Land kommen. Die Leute gehen nicht auf sie zu, sondern vor ihnen weg.

Was mich besonders schockiert, ist, auch der gelebte Rassismus von ehemaligen Flüchtlingen. Offenbar glauben viele, die vor 20 Jahren oder sogar mehreren Generationen zu uns kamen, sie müssen jetzt auch die Kategorie “Flüchtling” neu bewerten, jetzt, wo sie nicht mehr dazugehören. Wenn die Tochter ungarischer Einwanderer mir erklärt, die Syrer sind ja alles nur “Wirtschaftsflüchtlinge”, dann hört bei mir die Freundschaft auf.

Aber soll ich euch was sagen? Ihr ganzen Freunde der “schlechteren Kategorien”, ihr “Flüchtlinge”, ihr “Behinderten” ihr “keine Ahnung, was es noch alles gibt”:

Wir sind viele, wir sind mehr und wir sind GUT. Wir sind Menschen, wir haben unsere Talente, wir haben unsere Schwächen.

Ich werde wohl nie ein Eishockey Profi, ihr werdet wohl nie Mundl verstehen, aber das ist Okay, wir sind trotzdem gut. Wir verändern die Welt zum Guten, wir dürfen nur nicht aufhören, daran zu glauben und dürfen uns nicht durch Rückschläge aufhalten lassen.

Alle anderen bitte ich einfach nur: versucht diese Kategorien einmal abzulegen, einfach den einzelnen Menschen dahinter kennenzulernen und einfach mal offen zu sein. Ihr wisst gar nicht, wie viel ihr verpasst :)

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