Die Entwicklungen, die sich gegenwärtig im US-Einwanderungs- und Abschiebesystem unter der Verantwortung von ICE abspielen, werfen tiefgreifende Fragen nach Rechtsstaatlichkeit, Menschenwürde und demokratischer Kontrolle auf. Betrachtet man die Strukturen und das Vorgehen der US-Behörde im Licht historischer Erfahrungen – etwa der Lagerpolitik im Dritten Reich –, drängen sich beunruhigende Parallelen auf, auch wenn Unterschiede in Systematik und Zielsetzung selbstverständlich bestehen.
Um Missverständnisse zu vermeiden, sei zunächst klargestellt: Die Konzentrationslager der Nationalsozialisten unterschieden sich noch. Neben den Konzentrationslagern – zentral für Haft, Ausbeutung und systematische Misshandlung sogenannter „Volksfeinde“ – gab es Vernichtungslager, in denen industrieller Massenmord an Millionen Menschen verübt wurde. Beide Lagerarten standen aber gleichermaßen für Entrechtung, Gewalt und eine Bürokratie, die in der Anonymität des Apparates ihre tödliche Wirksamkeit entfaltete.
Heute offenbart sich in den USA, wie laut Berichten und Augenzeugen geschildert, in den ICE-Abschiebelagern ein erschreckendes Ausmaß an Leid und Entrechtung: Menschen werden unter unmenschlichen Bedingungen oftmals über lange Zeit festgehalten, ohne dass sie oder ihre Familien über Rechte und Verfahren ausreichend informiert werden. Zugang für unabhängige Beobachter ist stark eingeschränkt. Besonders alarmierend wirkt jedoch, wie ICE selbst agiert. Deren Mitarbeiter reisen in zivilen Fahrzeugen, treten in privater Kleidung und mit anonymisierter Identität auf, erscheinen teils vermummt bei ihren Einsätzen und verschleiern selbst vor Gerichten ihre Namen. Dadurch sind sie nach außen nicht von kriminellen Gangs zu unterscheiden, wie man sie etwa von gewalttätigen Banden kennt, die in Teilen Nord- und Mittelamerika ihrerseits Schrecken verbreiten. Selbst die Gestapo, Inbegriff staatlicher Willkür, war als Behörde zumindest als solche erkennbar. Hier verschwimmen zunehmend die Grenzen zwischen demokratisch legitimierter Verwaltung und dunklen Strukturen, die sich jeder öffentlichen Kontrolle zu entziehen versuchen.
Dieses Vorgehen ist nicht das Ergebnis von Einzelfällen, sondern Teil einer politisch gewollten Strategie, wie sie vor allem unter Trump durchgesetzt und legal legitimiert werden soll. Die von Trump öffentlich geforderte und konzeptionell vorbereitete „Remigration“ kann dazu führen, dass selbst eingebürgerten Amerikanern, die durch Gesetz eigentlich geschützt sind, die Staatsbürgerschaft willkürlich aberkannt wird, wenn ihnen etwa ein wie auch immer geartetes „Gefährdungspotenzial“ zugeschrieben wird oder Trump unliebsam sind, wie dies diese Tage bereits erkennbar war. Dass solcherlei Begriffe absichtlich vage bleiben, ist kein Zufall – es sind autokratisch nutzbare Spielräume, mit denen jedes Regime politische Gegner mundtot machen kann. Dass Trumps Team selbst vor der rückwirkenden Negierung des Geburtsortsprinzips nicht zurückschreckt – also der Idee, Menschen die Staatsbürgerschaft abzuerkennen, die in den USA geboren wurden, bedeutet eine potentielle Entrechtung von Millionen. Wer heute als „unerwünscht“ definiert wird, kann schon morgen die Heimat und jeglichen Schutz vor Willkür verlieren.
Hier wird offenkundig: Diese Maßnahmen bedrohen nicht nur die betroffenen Individuen, sondern stellen einen fundamentalen Angriff auf das Prinzip allgemeiner und gleicher Rechte dar. Die dabei entstehende Kultur der Angst – dass jeder, der missliebig ist, dem ethnischen, politischen oder sozialen Raster des Regimes nicht entspricht, seiner Existenz beraubt werden kann –, markiert einen beunruhigenden Rückschritt in vordemokratische, ja protofaschistische Zeiten. Existenzen werden vernichtet, eingezahlte Sozialversicherungsbeiträge enteignet und nach oben umverteilt – ein Vorgang, wie er autokratische Systeme seit jeher zu ihrem Machterhalt nutzen.
Die Lehre der NS-Zeit ist leider bitter, aber eindeutig: Systeme der Entrechtung, Gewalt und Angst wachsen schrittweise, legitimiert durch den scheinbaren Schutz vor „Gefahren“, durch Wegschauen, Verharmlosung und eine toxische Mischung aus bürokratischer Anonymität und persönlicher Verantwortungslosigkeit. Was einst als undenkbar galt, kann schneller zur Normalität werden, als man glaubt. Der Schutz von demokratischen Grundrechten, von Transparenz bei staatlichen Maßnahmen und Kontrolle exekutiver Organe ist nicht nur eine politische Frage, sondern der Prüfstein dafür, ob eine Gesellschaft bereit ist, aus den dunkelsten Kapiteln ihrer Geschichte zu lernen.
Jeder sollte sich bewusst machen: Niemand ist in Sicherheit, wenn ein System der Willkür einmal toleriert wird. Amnesty, Menschenrechte, der Schutz der Minderheiten – sie sind nie automatisch gegeben, sondern müssen täglich verteidigt werden. Wer heute wegschaut, macht sich morgen mitschuldig. Die Wiederkehr der Unrechtmäßigkeit und der Entmenschlichung bahnt sich nie plötzlich, sondern immer schleichend ihren Weg. Darum ist entschiedener Widerstand und mahnende Wachsamkeit Pflicht für jeden, dem Demokratie und Menschlichkeit etwas bedeuten.