Die Merkel-Medien – eine One-Woman-Show?

Warum wir medial nicht in einer lupenreinen Demokratie leben

Das Erste / Web.de

Das sonntägliche Interview von Kanzlerin Merkel bei ihrer persönlichen Stichwortgeberin Anne Will sorgt auch zwei Tage später noch für Schlagzeilen.

Klug gewählter Zeitpunkt

Die Kanzlerin wählt dieses mediale Instrument bereits zum zweiten Mal innerhalb weniger Monate. Sie nutzt es augenscheinlich, um ihre Politik zu erklären und dem "besorgten Bürger" wahlweise die Angst zu nehmen oder ihn zu denunzieren, kommt darauf an, wie man "besorgter Bürger" eigentlich definiert.

Mit solchen Haarspaltereien hält sich die Kanzlerin jedoch nicht auf. Kann sie ja auch gar nicht. Sie muss ja schließlich Europa retten. Da hat man für Detailfragen wenig Zeit.

Zeit genug hat Frau Merkel jedoch, sich medial kurz vor den anstehenden Landtagswahlen noch einmal gekonnt in Szene zu setzen. Einen passenderen Zeitpunkt hätte sie dafür nicht wählen können. Mit diesem Auftritt mag es ihr gelingen, den enormen Schaden, den ihre Partei voraussichtlich bei den Wahlen erleiden wird, etwas einzudämmen.

Wo bleiben die anderen Parteien?

Unabhängig von der Tatsache, dass die Essenz dieser Frage-Antwort-Show mit bereits vorher abgesprochenen Fragen an die Kanzlerin, auf die sich sich gut vorbereiten und die sie rhetorisch gewandt parieren konnte, vergleichsweise gering war (einzig, dass Frau Merkel zugab, keinen Plan B zu haben, bleibt mir im Gedächtnis und lässt mich etwas schaudern!) bleibt eine Frage offen: Wenn die Kanzlerin das Recht hat, die Bühne für eine vorbereitete Wahlkampf- und, spitz formuliert, Propagandashow zu bekommen, warum erhalten die gleiche Bühne nicht auch andere Parteivorsitzende, Oppositionsführer oder aufstrebende Politikneulinge?

Zugegeben, würde man die "Chefs" der Grünen oder der SPD einladen, würden diese mehr oder weniger in das Loblied auf die Kanzlerin einstimmen. Interessant wäre vielleicht noch, Frau Wagenknecht im 1:1 zuzuhören. Vermutlich würden die Fragen hier etwas kritischer gestellt, aber die gute Frau weiß sich schließlich auch verbal zu wehren.

Nun kommen wir aber zu den "Problemfällen": Wir wäre es, Herrn Seehofer oder gar Herrn Gauland einzuladen. Ebenfalls mit Vorabinformationen über die Fragen, die gestellt werden ausgestattet? Dürften die auch eine solche breite mediale Bühne benutzen? Die Antwort ist, speziell in letzterem Fall, natürlich "Nein!" – diese Bühne hat die deutsche "Monarchin" exklusiv.

Paradebeispiel "Elefantenrunde"

Es wäre geradezu naiv zu glauben, man könne die AfD in medialen Wettstreit mit der Kanzlerin stellen, und zwar in einem rhetorischen Kampf mit gleichen Waffen und Voraussetzungen. Wie die Meinung der deutschen öffentlich-rechtlichen Medien zu einer sachlichen Auseinandersetzung mit der "neuen Rechten" aussieht, hat man ja bei den peinlichen Possen rund um die Elefantenrunden zu den Landtagswahlen gesehen. Da stellt sich der grüne Ministerpräsident lieber trotzig hin, stampft wie ein Dreijähriger auf den Boden und sagt "Mit denen spiel' ich nicht!". Dabei hätte er doch in einer solchen Runde, zudem in vier- bis fünffacher Überzahl, die angeblichen "Hetzer" mit sachlicher Argumentation medial vor einem Millionenpublikum vorführen können. Kann es sein, dass ihm eben diese Argumente fehlen und er schlicht Angst hat, die "einfachen Lösungen" wären am Ende die besseren weil realitätsnäheren?

Schonungslose Transparenz schafft Vertrauen

Zurück zur Kanzlerin: Es wäre interessanter, würde man Frau Merkel tatsächlich einmal unvorbereitet in einer (echten) Livesendung mit den Vorsitzenden der Regierungsparteien, der Opposition und der AfD – oder noch interessanter: nur mit einem Politiker der AfD – zusammenbringen und Zuschauerfragen ungefiltert via Telefon, Facebook, Twitter, Skype, etc. stellen und jeder Partei die Möglichkeit geben, hierauf ihre eigene Antwort zu geben. Ich fürchte nämlich, dass unsere Kanzlerin dann doch arg ins Schlingern kommen würde, denn wenn sie etwas kann, dann ist es, gut vorbereitet auf Sicht zu fahren. Ein Szenario wie oben beschrieben scheint mir allerdings in der regierungstreuen Schönen Neuen Welt pure Utopie zu sein.

Abschließend noch ein Wunsch: Herr Lucke und seine ALFA-Partei, quasi eine AfD ohne rechtsextreme Tendenzen, finden in meinen Augen viel zu wenig Gehör. Mich würde ein 1-Stunden-Interview mit ihm alleine oder gar zusammen mit Frau Merkel reizen. Lucke, der in den Medien vor 2 Jahren noch der rechte Hetzer war, erhält jedoch kaum öffentliche Präsenz. Schade eigentlich, denn für all jene, denen die AfD mittlerweile zu rechts ist, wäre seine Partei die echte Alternative.

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Trifero

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