Jetzt geht es also ans Eingemachte zwischen der neuen griechischen Regierung und den Spitzengremien von EU und Euroland. Es bedarf nur einer leichten polemischen Übertreibung, dies als Konfrontation von Menschen mit Märkten zu verstehen.

Im Grundsatz hat die neue griechische Regierung den europäischen Konsens von der marktgerechten Demokratie aufgekündigt, setzt das Schicksal von Millionen Griechen über die Logik von Marktgesetzen und Verträgen.

Ein unverdächtiger Zeuge wie der Ex-Politiker und Industrielle Hannes Androsch bringt die sogenannte „Griechenlandhilfe“ auf den Punkt: Dadurch „wurden … die Banken in den Ländern der Kreditgeber geschützt und der griechischen Bevölkerung unzumutbare Lasten auferlegt“.

Tatsächlich konnten die Griechen von 230 Milliarden Euro aus den Hilfspaketen nur 27 Milliarden für Staatsausgaben verwenden, fast 90 Prozent flossen auf verschiedenen Wegen in die „Märkte“.

Und tatsächlich haben die früheren griechischen Regierungen Auflagen der Kreditgeber und Diktate der Troika akzeptiert, die große Teile der griechischen Bevölkerung schwerstens belasten. 300.000 Haushalte ohne Strom, Hunderttausende nach Pensionskürzungen und Jobverlust in Armut und ohne Sozialversicherung, vielfach nicht einmal mehr in der Lage, die Kosten für Operation, Arzt-Besuch und Medikamente aufzubringen, 1,3 Millionen in Arbeitslosigkeit.

„Barbarei“ nennt Ministerpräsident Alexis Tsipras zurecht diese Politik, deren Ergebnis auch noch rapide weiter gewachsene Staatsschulden und sinkender Hoffnung auf einen echten wirtschaftlichen Aufschwung jenseits der Schönfärberei, die ein mögliches Miniwachstum von 0,6 % nach einem Einbruch um 25 % in den vergangenen Jahre zur Erholung hochjubelt.

Gewiss, die neue Regierung in Athen hat in der Rhetorik überzogen. Wenn etwa der Ministerpräsident „Verpflichtungen nur gegenüber dem griechischen Volk“ gelten lassen will. Die Verpflichtungen gegenüber den Kreditgebern, die Regel von den Verträgen, an die sich auch neue Regierungen halten müssen, können die linken Stars Tspiras und sein Finanzminister Yannis Varoufakis nicht so einfach einseitig aufkündigen.

Aber andererseits können sich die EU- und Europartner der Griechen nicht der offensichtlichen Realität verschließen, dass die Griechen das bisherige Programm nicht einhalten und sozial auch nicht durchhalten können.

Der humanistische gebildete Androsch verweist zurecht auf „eine altorientalische Weisheit, … dass auch der Gläubiger Verantwortung  trägt, wenn der Schuldner seinen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen kann“.

Selbstverständlich mussten die europäischen Partner Griechenlands seit vielen Jahren wissen, wie trist es dort um die Wirtschaft steht, dass die Verwaltung keinem europäischen Standard entsprach, dass die Klientel-Politik der beiden Großparteien Oligarchen schonten und Wähler mit Staatsposten und Sozialleistungen kaufte.

Grob fahrlässig wurde Griechenland dennoch in den Euro-Klub aufgenommen. Aus politischen und (NATO-)strategischen Gründen und gegen alle wirtschaftliche Vernunft. Dass dafür die US-Globalbank Goldman Sachs mit abenteuerlichen Tricks die griechischen Finanzen schönrechnete, musste zumindest den europäischen Finanzpolitikern aufgefallen sein. Dass damals der damalige Europa-Chef von Goldman Sachs von diesen windigen Deals nichts wusste, muss man erst glauben wollen. Dass Mario Draghi jetzt als EZB-Präsident den Griechen die Finanzierungen abschneidet, ist mehr als eine unappetitliche Fußnote.

Und schließlich wurden die EU-Partner schwer mitschuldig an der anhaltenden Griechen-Krise mit ihren Auflagen für die Hilfspakete. Auf 100 Seiten bekam Griechenland detaillierte Sparauflagen zulasten der Bevölkerung. Die Einschränkung der exorbitanten Ausgaben für Rüstungskäufe wurde aber nicht gefordert, im Gegenteil: Milliardengeschäfte mit deutschen und französischen mussten eingehalten werden.

Allein gelassen werden die Griechen auch jetzt noch mit dem existenziellen Problem der Kapitalabflüsse aus den geschonten oder schwarzen Kassen ihrer Oligarchie in westeuropäische Banken und Luxusimmobilien.

Kein Zweifel, dass die griechische Politik über Jahrzehnte versagt hat. Kein Zweifel auch, dass die Griechen tatsächlich über ihre Verhältnisse gelebt haben. Aber wer soll das dem ökonomisch ahnungslosen Durchschnittsgriechen vorwerfen, wenn auf der anderen Seite die westeuropäische Exportindustrie und vor allem die Banken mit diesen griechischen Missständen ungeniert beste Geschäfte gemacht haben.

Die griechische Krise ist knapp vor dem Absturz in eine Tragödie. Das darf nicht weiter mit kalter Logik Europas und mit brutalen Marktgesetzen beantwortet werden. Die Griechen brauchen, sie verdienen Hilfe, die bei den Menschen ankommt und dem Land eine echte Chance gibt.

Eimai Ellenas – Ich bin Grieche.

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