Aufs falsche Schaf gesetzt

Heut morgen auf nüchternen Magen sah ich sie: Eine Herde Schafe.

kiraka.de

Was ja nichts so ganz Besonderes ist hier aufm Land.

Daneben stand, nicht ganz so wollig und selbstgewiss, eine kleine Herde Führungskräfte in spé.

Jung, dünn, blass. Stadtkinder, die angesichts der 600 Schafe schon ein bisschen ängstlich schauten. Denn irgendwie fühlte sich das offenbar ganz anders an als dunnemals die süßen Schäfchen im Bilderbuch.

Daneben ein sehr selbstgewisser Mann spätmittleren Alters, der - obschon kein Schäfer - die Schafe offenbar kannte und zu erklären suchte, wie man mit ihnen umgeht.

Konsequent, vielleicht auch etwas lauter, und immer wissend, wo lang es geht, sollten die blassen Führungskräfte in spé die Herde von da nach dort führen, notfalls treiben usf.

Rat-, ahnungs- und mutlos, aber sehr bestimmt sich gebend gingen die Stadtkinder die Sache an. Was so einfach nicht war. Nicht nur der Menge wegen, sondern auch, weil da ein Leittier war, dem zu folgen die Schafe gewöhnt waren.

Nur die einzige ältere Führungskraft unter ihnen verstand, dass man sich wohl besser mit dem Leittier gut stellt, wenn man etwas erreichen will. Die anderen rannten, schubsten, schrien, bildeten Ketten und taten alles, was man als Stadtkind eben so tun zu müssen meint, um eine Herde dazu zu bringen, dass ihrerseits sie tut, was man für richtig und wichtig hält.

Aha, soso, dachte ich: Wenn Führungskräfte heute so führen lernen, wundert mich gar nichts.

Schließlich habe ich in einem langen Berufsleben allerhand erlebt.

Zeiten, in denen man über Jahre und Jahrzehnte vom Lehrling zum Betriebsdirektor aufstieg.

Zeiten, in denen Erben oder Ex-Offiziere die Führungsetage besiedelten, dicht gefolgt von richtigen Fachleuten, die das Schlimmste verhüteten und weit, weit drunter das schaffende Fußvolk.

Zeiten, in denen McSchlimmsey in Firmen jeder Art einzog und immer das gleiche Programm durchzog: Personal reduzieren, die Zügel straff anziehen, Controlling jede Menge und Rausschmiss jede Menge bei den allergeringsten Verfehlungen. (Sie erinnern sich sicherlich an die Putzfrau, die gehen musste, weil sie ein olles Brötchen vom Büffet des vortägigen Führungskräftetreffens genommen hatte. Oder die Verkäuferin, die eine Pfandflasche, die vor der Tür lag, kostenpflichtig eingelöst hatte.)

Angesichts dieser postjugendlichen Führungskräfte dachte ich einen Moment lang, man ließe sie besser noch ein bis zwei Jahrzehnte lang bei den Schafen, statt sie auf Menschen loszulassen. Damit sie Gelegenheit zur Demut bekämen, der echten, statt zu glauben, ihr unter Mithilfe von Helikoptereltern erworbener bravouröser Studienabschluss sei bereits ihre Lebensleistung. Und ich konnte nicht verhindern, dass mir - wieder einmal - jene Dreißigjährige einfiel, die ihren 7000-Euro-Job gekündigt hatte, weil "... man ja da so viel arbeiten musste." "Man will ja doch auch noch ein wenig leben!", hatte sie energisch hinterher geschoben, und auf meine Anfrage, ob sie nicht glaube, dass in dieser Gehaltsgruppe Überstunden bereits mit eingepreist seien, mich unverständig angeschaut.

Ich lass das jetzt mal so stehen und wende mich einer Freundin zu, die in einer sehr großen Firma arbeitet. So einer, die unter Mitwirkung von McSchlimmsey und Co. gelegentlich Mitarbeiterumfragen macht. Das Resultat der letzten, die sich auf eben die Führungskräfte bezog, ist gerade heraus gekommen und war niederschmetternd.

Die Mitarbeiter, die ihre Aufgabe wichtig finden und mit dem Herzen dabei sind, mögen es nicht, wie ihre Führungskräfte mit ihnen umgehen. Sie verlangen immer mehr, loben praktisch nie, kritisieren und controllen dafür umso mehr. Die Einhaltung, gar nicht so selten: sinnloser, Kennziffern wird mehr in den Vordergrund gestellt als der Auftrag am Kunden und Formalien sind wichtiger als der Mensch.

Über weite Strecken habe es, in Schulnoten, eine 5 bis 6 und damit eine Versetzungsgefährung gegeben.

Während ich in den farbenprächtigen Abendhimmel sehe, ist mir immerhin klar: Solange es jungen Führungskräften beigebracht wird, dass ihre Mitarbeiter wie Schafe zu behandeln sind, müssen wir uns über nur sehr wenig noch wundern.

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