Über Journalisten und wie sie die Demokratie retten (sollten)

Man hat’s nicht immer leicht als angehender Journalist. Obwohl ich noch nicht mal zu den etablierten gehöre und mich noch mitten im Studium befinde, werden mir schon Anschuldigungen um die Ohren gehaut, das glaubt ihr nicht. Systempresse, Meinungszwang, Political Correctness-Fetisch und Käuflichkeit.

Wenn ich frage, woher dieser Vorwurf kommt, stoße ich auf die immer gleichen Vorwürfe. Medien seien alle gesteuert. „Oder wieso berichten alle über das Gleiche?“. Vielleicht, weil gewisse Themen einfach wichtiger sind als andere? Oder weil Medien auch nur Unternehmen sind, die es sich nicht leisten können, eine wichtige Information zu verschlafen? Nein, das lässt keiner gelten – alles von oben delegiert, gesteuert bis ins kleinste Detail, wie in der Nazizeit.

Die Gesellschaft befindet sich in einer unangenehmen Situation, gerade im Bereich des politischen Journalismus. Denn nicht nur das Ansehen der Politiker – auch das der Journalisten war schon mal größer. Heute ist der Journalist kein Held mehr, sondern ein Schurke. Hinter jeder Zeile, die er schreibt, hinter jedem gesprochenen Wort steht der Verdacht der Lüge und der Manipulation.

Dass es Einflussnahme von außen auf den Journalismus gibt – dieser Verdacht liegt nahe. Wenn man in gewissen Gratis-Tageszeitungen ein Inserat eines Ministeriums findet, kann man sich relativ sicher sein, die „Gegenleistung“ dafür noch in derselben Ausgabe zu finden. Die österreichische Medienlandschaft ist nicht nur von Konsumenten und Werbung abhängig, sondern oft auch von der Presseförderung. Das vollständig unabhängige Medium existiert wohl nur in der Theorie, und einen Verdacht auf Einflussnahme wird es immer geben – auch, wenn ich vielen österreichischen Medien attestiere, echt unabhängigen Qualitätsjournalismus zu bieten.

Aber wie erklärt man das denen, die schon einem harmlosen Fisch+Fleisch-Blogger und Jungjournalisten, der sein erstes Praktikum im Herbst hat, schon Medienmanipulation vorwerfen?

Es hilft nichts. Die Politiker? Alle korrupt, machtgeil und zahlungswillig. Die Journalisten? Wiederum korrupt und geldgeil. Kein Impfgegner in der letzten Fernsehdiskussion? Meinungsdiktatur. Wieder kein Bericht darüber, dass sie heute Chemtrails sprühen? Verschwörung.

Wenn man eine Möglichkeit gefunden hat, sich die Welt zu erklären, fällt es einem leicht, alle Ereignisse um einen herum so zu interpretieren, dass dieses Weltbild bestätigt wird. Das tun Menschen nun mal, um kognitive Dissonanzen zu vermeiden. Und das wäre eine ganz natürliche Reaktion und absolut nicht schlimm, würde es nicht um viel gehen.

Eine Demokratie lebt vom Interesse und der Informiertheit ihrer Bürger. Wenn das wegfällt, kann man mit den Worten von Colin Crouch von einer „Postdemokratie“ sprechen – einer Scheindemokratie, in der Parteien ihre PR-Berater machen lassen, um das Volk zum Wählen zu kriegen. Wenn die Menschen anfangen, aus Prinzip keinem Medium und keinem Politiker mehr zu vertrauen, spielt das den Populisten in die Hände und schadet der Wahlbeteiligung – und somit der Demokratiequalität an sich.

Genau dieser Gedankengang plagt mich jedes Mal, wenn mir jemand erklärt, keine Medien zu konsumieren sei sinnvoll. Und diese Leute gibt es gerade in meiner Generation zuhauf. Bei der nächsten Wahl werden sie vermutlich wieder nicht zur Urne schreiten. Und selbst wenn – es scheint keine mündige Wahl zu sein. Denn sie wissen nicht, was sie tun.

Wer schuld daran ist? Vielleicht haben die Medien einfach versagt dabei, ihr Produkt zu vermarkten oder überhaupt gut genug zu machen. Vielleicht hat auch die Politik versagt, weswegen die Leute sich bewusst entscheiden, sich davon abzuschotten. Vielleicht aber handelt es sich um ein schlichtes Phänomen eines gesellschaftlichen Zeitgeistes – „Wer traut schon Politikern und Medien? Bin ich deppert?“

Dass Medienkonsum und verantwortlicher Umgang mit Politik immer weniger Teil der österreichischen wie europäischen Gesellschaft ist, macht mir wahnsinnige Sorgen. Die große Herausforderung eines jeden einzelnen Journalisten ist es, die Menschen wieder zurückzuholen und zu informieren – und das alles bitte mit entsprechender Qualität. Genau das ist es, was ich tun will – die Demokratie bereichern. Und ich hoffe, dies am Ende meines Lebens geschafft zu haben.

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Silvia Jelincic

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