Die Zeit stellt gerade wieder verwundert fest, dass die AfD eher einfache Bürger zu den Wahlurnen treibt:

"Die Alternative für Deutschland hatte bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg unter den Arbeitslosen von allen Parteien den größten Stimmenanteil erreicht (32 Prozent). Für CDU und Grüne votierten jeweils 20 Prozent der arbeitslosen Wähler. In Sachsen-Anhalt, wo der Anteil der Erwerbslosen höher ist als im Südwesten, erhielt die AfD 38 Prozent der Stimmen der Arbeitslosen."

Ich wundere mich immer wieder über dieses Augenreiben: "Huch, das ist ja das einfache Volk, welches die AfD wählt."

Es sollte doch klar sein, dass man keinen IQ von 120 benötigt, um einer Partei wie der AFD mit ihrem Programm zu folgen. Im Gegenteil. Es braucht nur ein paar Menschen, welche es verstehen, sich den selbstempfundenen Globalisierungs- und Feminismusverlierern als das scharfe Schwert zu verkaufen, welches etwas an den Mißständen im Land etwas ändert und eine Alternative bietet. Das haben die Nazis im Grunde genommen nicht anders gemacht. Da haben anfangs auch die wenigsten der Mitläufer "Mein Kampf" gelesen, oder die Judenfrage für ein lösenswertes Problem gehalten.

Wenn man sich das Programm der AFD ansieht, dann gibt es einen Themenschwerpunkt "Zurück in die gute alte Zeit". Ohne Globalisierung. Ohne die Grabenkämpfe des Feminismus. Wo Atomkraft noch kein Schimpfwort war und wo man als Mann nicht mit dem Patriachatsschuldkomplex herumzulaufen zu hatte.

Klar, dass man damit Menschen, die sich als Opfer von Globaliserung und femistischer Staatsideologie empfinden, für sich begeistern kann und dabei ist es egal, ob diese Vergangenheit einer rationalen Analyse überhaupt Stand hält, denn Wut und Angst sind leider nicht gerade die Emotionen, die dafür bekannt sind, dass sie die rationale Analyse fördern.

Wenn Menschen Existenzängste haben, und sich zu den Verlierern zählen, die das Gefühl haben, dass sie keine Chance haben, ihr Leben in den Griff zu bekommen, dann sind sie einfach dankbar dafür, dass jemand da ist, der einfach nur sagt: "Du bist nicht schuld. Schuld sind die Asylanten die unser Land überrennen. Schuld ist die EU, wo es kein anderer Staat so gut schafft seine Wirtschaft am expandieren zu halten (egal, ob wir dafür zum Billiglohnland werden mussten) und wo wir die ganzen Fehlplanungen finanzieren müssen. Schuld sind die Feministinnen, die Männer oder das Patriarchat verantwortlich machen für ihr selbstverschuldetes Elend."

Wem diese Argumentation bekannt vorkommt, der lese sich doch einmal Anne Wizoreks Danksagung an den Feminismus durch, denn diese Argumentation ist leider die gleiche mit der Frau Wizorek versucht ihre Peter Pan-Frauen in Schutz zu nehmen, die es immer noch nicht schaffen, ihre überdurchschnittlichen Schuldabschlüsse in gewinnbringende Beschäftigungsverhältnisse zu verwandeln. Ihr Tenor da ist auch: Nein, liebe kleine Frau. Du bist nicht schuld daran, dass du mit deinem Abschluss in Genderstudien mit einer 30 Stundenstelle 22% weniger Stundenlohn bekommst. Schuld ist der Typ der Informatik studiert hat, und mit seiner 39,6 Stundenstelle einen soviel höheren Stundensatz hat. Schuld ist der böse Sexismus der dich dazu zwingt "Frauenberufe" zu ergreifen. Schuld ist das Patrichat, welches die Genderbeauftragte nicht ebenso hoch bezahlen will wie den Ingenieur. Das böse Patriachat, unter dem Frauen ja heutzutage exklusiv und allein zu leiden haben.

Und genauso wie sich Anne Wizorek beim Feminismus bedankt, dass sie wütend sein kann, kann sich der Wutbürger bei der AFD bedanken, dass er endlich eine Möglichkeit hat seine Hilflosigkeit zu kanalisieren.

Die Wut der AfD-Wähler ist nämlich kein Gefühl, dass aus Stärke heraus geboren wird. Das widerspräche auch dem Wesen der Wut. Wut ist in der Evolution der letzte Rettungsanker. Ein Ausdruck der Verzweiflung, wenn die Hoffnung verloren ist. Es ist die Emotion, die uns dazu bringt, trotzdem zu kämpfen, selbst wenn die Ratio uns sagt, dass wir eigentlich keine Chance haben, den Kampf zu gewinnen. Deshalb sind wütende - ebenso wie ängstliche - Menschen auch rationalen Argumenten nicht zugänglich. Das unterscheidet Anne Wizorek nicht von einem AFD-Wähler.

Wut bringt uns sogar dazu, gegen die Hydra zu kämpfen, egal wie schlecht unsere Überlebenschancen stehen. Und die Hydra (mit den Köpfen Staat, Lügenpresse, Genderismus und alles wogegen die AFD angeblich kämpft) wird den Wütenden, der die AFD als Waffe wählt, wohl kaum zur Vernünft bringen, wenn sie ihm andauernd sagt: "Bu, bist ein Nazis, weil Du die AFD wählst".

Es tut mir leid, aber mit dieser Haltung sind die etablierten Parteien und die etablierten Medien leider genauso Brandstifter, weil sie den Bauernfängern der AfD den Zulauf nicht abgraben, sondern verstärken.

Die Wut bringen die "Eliten" nicht zum Abebben, indem sie dem "kleinen Mann" sagen: "Du bist scheisse. Wir sind die Guten. Du bist leider zu dumm zu kapieren, dass alles, was dir nicht gefällt, leider alternativlos ist. Da musst Du halt halt durch". Die Wut bekämpft man indem man wieder Hoffnung gibt, dass man auch ohne Ausländerfeindlichkeit und ohne Gleichberechtigungsrollback in die 50er Jahre eine Perspektive hat.

Und zwar indem man diese Perspektiven zeigt und nicht einfach nur sagt, dass es nicht an einer gleichberechtigten Frau oder dem ausländischen Nachbarn liegt, wenn die eigene Situation gerade beschissen ist, und indem man diesen Menschen eine Perspektive bietet wie es besser sein könnte.

Aber wenn man dem Volk die Schuld geben will, weil es nicht einsieht, dass die Eliten Recht haben, dann sollten die Eliten es vielleicht mit Berthold Brecht halten:

"Das Volk hat das Vertrauen der Regierung verscherzt. Wäre es da nicht doch einfacher, die Regierung löste das Volk auf und wählte ein anderes?"

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