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Vielleicht erinnern Sie sich noch an meine Worte über mangelnde Aufmerksamkeit beim Hund? Es gibt keine unaufmerksamen Hunde, es sind die Menschen, die nicht genügend aufmerksam gegenüber ihren Vierbeinern sind. Wer mag, kann gerne hier nachlesen:

Gleiches gilt auch für das mehr als mangelhafte Vertrauen, das Zweibeiner ihren Vierbeinern entgegenbringen- und nicht umgekehrt.

Mangelndes Vertrauen in eine Spezies, die wirklich alles tut, um es den Menschen recht zu machen.

Und wie danken wir es ihnen?

Beispielsweise mit einem Maulkorb. Eine der übelsten Erfindungen an Zwangsmaßnahmen für ein Tier mit Herzensgüte und Hirn.

Deutschland, Berlin, 2. Juli 1863. Eine Anordnung der Polizei ergeht an das Volk, nach der "jeder Hund, welcher auf öffentlicher Straße oder an Orten, wo das Publikum sich aufhält, verkehrt oder zu verkehren pflegt, mit einem regelrechten Maulkorb versehen sein muß". Trägt der Hund auf der Straße keinen Maulkorb, wird er „im Interesse der allgemeinen Sicherheit“ durch private Scharfrichtereigesellen eingefangen, denen man das Tier aber wieder wegnehmen konnte- wenn man denn rechtzeitig an Ort und Stelle war.

Österreich, 2017. Heute herrscht fast überall Maulkorbzwang. Die Mentalität der Menschen zu ihren Hunden hat sich stark verändert.

Tatsächlich zum Besseren?

Dazu werfen wir mal einen kurzen Blick auf den faszinierendsten Sport der Hundewelt, den Schlittenhundesport.

Auch die Vereinswelt rund um den Schlittenhundesport hat sich stark verändert. Nicht immer zum Guten.

Mangelndes Vertrauen in seine eigenen Hunde da wie dort lässt stark daran zweifeln, ob wirklich die richtige Richtung eingeschlagen wurde.

Die nordischen Schlittenhunde (Nach FCI: Siberian Husky, Alaskan Malamute, Samojede und Grönlandhund) wurden immer mehr zurückgedrängt oder die Rasse selbst mittlerweile so verändert und angepasst, dass sie dem Rassestandard teilweise schon nicht mehr entsprechen. Trotzdem erhalten sie Papiere und gelten als reinrassig. Alaskan Huskies, German Trail Hounds, Vorsteherhunde, und jede Menge für Geschwindigkeit gezüchtete Mischlinge prägen mittlerweile das Bild von Schlittenhunderennen“, so schildert ein Fachmann der Schlittenhunde-Szene in Österreich die aktuelle Lage. Einer der es wissen muss, aber hier nicht namentlich genannt werden will, weil die Guten im Land bekanntlich immer angegriffen werden.

Was ebenso bedenklich ist wie die falsche Richtung, weil meist genau die Menschen (oder in dem Fall die Musher) Kritik einstecken müssen, die ihre Hunde ohnehin lieben, hegen und pflegen.

Fragen wir doch einmal genauer nach beim Schlittenhunde-Experten, wie es überhaupt so weit kommen konnte:

„Mit der Entscheidung die die Vereine damals trafen, sich nun erstmals zu mischen, wurde auch das Ende der klassischen Schlittenhunderennen eingeläutet, und auch das Thema Tierschutz vernachlässigt. Durch die höheren Geschwindigkeiten die die Offenen fahren wollten, kam es unweigerlich zu Problemen mit den Nordischen. Die Hunde wurden als „Bremse“ und „Hindernisse“ bezeichnet, die Trails sollten immer gerader verlaufen (was Nordische gar nicht mögen, aber den Offenen höhere Geschwindigkeiten ermöglichten), die Nordischen vertrugen sich untereinander aufgrund ihrer gemeinsamen Körpersprache halbwegs gut, die Offenen mit ihren Angewohnheiten (frei laufen lassen, herumtoben am Gelände, etc.) passten da nicht rein, Beißereien und Streit war vorprogrammiert. Auch die Mentalität der beiden Musher-Gruppen unterschied sich in Punkto Hundehaltung, Beziehung zu den Hunden, und den einzelnen Charakteren gewaltig. Die Musher der Nordischen waren großteils froh dass sie fahren konnten, die offenen forderten immer mehr Änderungen zu Gunsten ihrer Hundeart. Dazwischen gab es dann noch die Gruppe von Mushern, die nun begannen, die Nordischen praktisch hochzuzüchten, um diese schneller zu machen. Ehrgeiz und Stockerlgeilheit begannen sich nun zusätzlich durchzusetzen. Man wollte ja die Offenen irgendwie schlagen.“

Punkto Tierschutz und Sicherheit für Mensch und Tier haperts da also auch gewaltig, wie der Experte berichtet.

„Prinzipiell ist es leider so, dass all jene die ohnehin mit den Hunden nicht ganz klarkommen, auch auf alle Sicherheitsvorschriften pfeifen. Man macht es sich so einfach wie nur möglich, und das geht oft zu Lasten der Hunde. Die Hunde selbst sind so unterschiedlich, dass man durchaus sagen kann, es sind zwei Welten. Ein Mischling aus den „offenen“ Bereichen wird immer auf seinen Musher hören und die Kommandos umsetzen. Klar, die ursprünglichen Rassen sind Jagdhunde, und die setzen eben Blind die Kommandos ihrer „Herren“ um. Das hat sich auch bis in die Hunde im Schlittenhundebereich weiter vererbt. Dementsprechend sind sie auch relativ leichter zu handhaben. Aber, das bringt auch Nachteile mit sich. Man kann diese Hunde zu Höchstleistungen antreiben, die weit über ihren Grenzen liegen. Dies führte schon oftmals zu brenzligen Situationen wie Überhitzung und Kreislaufproblemen. Ein Grund, warum die „offene“ Szene mit der 15 Grad Temperaturbeschränkung für Rennen antanzte und durchsetzte. Ein „Jagdhund“ wird laufen bis er tot umfällt. Das weiß in der Szene jeder der sich mit dem Sport beschäftigt. Es liegt am Hundeführer und der Hundeführerin, die Hunde so zu bremsen das dies nicht geschieht. Doch hier setzt dann der falsche Ehrgeiz ein, man will ja unbedingt gewinnen. Bei den Nordischen Hunden schauts anders aus. Sie sind eher schwer zu Kontrollieren. Sitz, Platz und Fuss funktionieren bei diesen Hunden im Regelfall nicht. Das was sie jedoch blind umsetzen sind ihre Kommandos ab dem berühmten „Go!“. Sie laufen und halten sich an die Richtungskommandes ihres „Mushers“ hinten drauf. Ein Nordischer wird jedoch trotzdem jedes Kommando hinterfragen, und denkt darüber nach ob ihm die Ausführung nun etwas bringt oder nicht. Am Trail ist es im egal, hier geht’s ums Laufen. Und das tun sie für ihr Leben gern. Ein Nordischer wird sich seine Kraft immer genau einteilen und dosieren wenn man ihn lässt. Die Gefahr einer Überhitzung ist daher nur dann gegeben, wenn man auch hier aus falschen Ehrgeiz die Hunde antreibt und Leistungen abverlangt die für sie nicht natürlich sind. Im Normalfall geht das nicht, aber es gibt leider schon sehr viele Hunde, die durch Angst dazu getrieben werden. Es ist eben nicht alles Gold was glänzt. Auch wenn sich die Musher gerne als Superhundeliebhaber darstellen wollen. Es geht immer nur um Altmetall und Stockerlplatz.

Und um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, wird auch noch immer öfter auf Asphalt gefahren (obwohl in Österreich laut Tierschutzgesetz verboten!), seit neuestem Beißkörbe zugelassen (nicht auszudenken was passiert, wenn der Hund in vollem Lauf damit wo hängen bleibt!), und man schreckt nicht zurück auch bei zum Beispiel den Bikes immer gefährlichere Dinge anzuwenden, wie die aufkommenden Klickpedale. Alles zusammen geht man schwer an die Grenzen, denen man Hunde aussetzen sollte. Ich sage immer: Wo der Ehrgeiz des Menschen einsetzt ist das Tier bereits fehl am Platz! Es müsste viel mehr reglementiert UND eingehalten werden. Doch dazu ist man im Lande weder bereit, noch gewillt. Nach außen hin wird zwar immer nur das Beste gezeigt und erzählt, doch innerhalb der Szene schaut es vollkommen anders aus…“

Und genau hier findet sich auch in der Expertenmeinung detailliert das wieder, was ich eingangs schon kritisiert habe: mangelndes Vertrauen seinen Tieren gegenüber, welches wettgemacht wird durch eine Zwangsmaßnahme, die ganz besonders im Schlittenhundesport nichts verloren hätte.

Beißkörbe zeugen nur von einem: von der totalen Hilflosigkeit des Menschen und seiner großen Angst, ein Lebewesen nicht so unter Kontrolle zu haben, wie man es in der heutigen Zeit gerne hätte. Hunde werden behandelt wie gefährliche Monster, die nichts Anderes im Sinn haben, als unentwegt aufeinander loszugehen, um sich gegenseitig zu töten.

Schwere Verletzungen sind aber gerade durch das Tragen von Beißkörben an der Tagesordnung. Welche aus tierärztlicher Sicht bei einem Hunderennen strikt abzulehnen sind.

Erstens werden Hunde, die eine hohe sportliche Leistung erbringen müssen, stark behindert durch einen Beißkorb. Er stört massiv beim Rennen. Die Atmung und besonders das lebenswichtige Hecheln für die Wärmeregulation werden dadurch beeinträchtigt. Sogar der Laie weiß, dass Hunde das Maul weit aufreissen müssen, während sie hecheln. Dabei hängt die Zunge aus dem Maul heraus. Genau das ist mit Beißkorb nicht möglich und führt dadurch bestenfalls zu einer schlechteren Leistung, schlimmstenfalls zum Kreislaufkollaps oder Tod des Hundes.

Zweitens schützt ein Beißkorb nicht vor Raufereien. Im Gegenteil, dadurch können die Hunde sogar schwer verletzt werden. Ist er aus Metall, kann sich das Metall verbiegen und dem Hund Quetschwunden zufügen. Empfindliche Hundenasen können daran festfrieren, Schnee bleibt darin haften und verstopft die Luftzirkulation völlig. Hämatome sind möglich.

Drittens können, und das ist wohl das Gefährlichste überhaupt, die Hunde während der Fahrt mit dem Beißkorb überall hängenbleiben. Im schlimmsten Fall bedeutet das Genickbruch für das Tier. Bestenfalls bedeutet es hochgradige Verletzungen der Wirbelsäule und des Kopfes.

Insgesamt findet also nicht wirklich ein Verbesserung im Sinne des Tierschutzes statt, sondern eher eine massive Verschlechterung.

Gerade diese Entwicklung im Schlittenhundesport spiegelt ganz deutlich die Zeichen unserer Zeit wieder: alles dreht sich um Ruhm, Ehre, Geld und Prestige.

An die, die das überhaupt ermöglichen, denken dabei die Wenigsten.

Den wenigen Mushern, die sich noch trauen, die Wahrheit zu sagen, hängt man ebenfalls gerne einen menschlichen Maulkorb um.

Ein Armutszeugnis des Menschen, der zwar immer Höchstleistung, Aufmerksamkeit, Liebe und Vertrauen von seinem Hund erwartet, aber selbst nichts davon gibt.

Herzlichst Bela Wolf,

Tierarzt, Autor und Tiergesundheitsjournalist

https://tierarztwolfblog.wordpress.com

Christian Veigl

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