Resozialisieren, markern oder clickern? Oder darf es sonst noch was sein?

Facebook ist ja gelegentlich unterhaltsam, wenn man genug Chips und Bier bei der Hand hat und einen bequemen Ohrensessel, in dem es sich gemütlich räkeln lässt, während man zusieht, wie sich selbsternannte Trainer, fachgerecht ausgebildete Trainer und auch sonstiges Hundepersonal erster und zweiter Güteklasse gegenseitig zur Schnecke machen.

Wohlgemerkt: meist geht es um nichts.

Aber immer um eines ganz gewiss: Jeder! Von! Ihnen! Hat! Immer! Recht!, wenn es um eine spezielle Methode der Hundeerziehung oder sonst was im Umgang mit unseren vierbeinigen Freunden geht! (Ein gut geeignetes Thema für Knabbergebäck und Alkohol ist in dieser Kombination auch Vegan vs. Barf vs. Trockenfutter. Da geht bekanntlich immer was, falls Sie längere Unterhaltung wünschen. Impfen und Kastrieren können da kaum mithalten. Und Auslandstierschutz ist schon zu abgenutzt.)

Aber zurück zum Thema Hundeausbildung.

Der eine clickert für sein Leben gerne. Also ich möchte ja kein Hund sein, der das ganze Clickerprogramm erst mal durchschauen muss, bis er kapiert, dass einfach nur "Sitz" gemeint ist. Oder "Nein". Und wenn Frauchen das Ding zu Haus vergisst, was dann?

Der andere markert gerne, aber da bin ich noch nicht tief genug in die Materie vorgedrungen, um jetzt schlaue Worte abzusondern, die auch lesenswert wären. Und ganz ehrlich, ich habe es auch nicht vor.

Der dritte reißt am Halsband herum und zerrt an der Leine, als gäbe es kein Morgen, der vierte schreit, als wäre der Hund taub, der fünfte tritt gnadenlos hin (Trittchen! Es sind immer nur Trittchen!) und der sechste prügelt einfach drauf los.

Und da haben wir noch gar nicht den unseligen Alphawolf und den ganzen Rudelkram-Müll mit ins Spiel gebracht.

Der siebte hält eine Flexleine für das Mittel der Wahl, die dem Hund zwar gefährlich um die Ohren sausen kann, schwere Brandwunden verursacht oder dergleichen mehr, sowie den Hund zudem permanent auf Zug hält. Wieder andere schwören hingegen strikt auf Nasenhaltis, die gerne hündische Nasenbeine brechen lassen, während Nummer "ich-zähle-jetzt- nicht- mehr- mit" der Horde ganz aktuell mit einem Geschirr Gas gibt, wo der Zug seitlich vorne am Kehlkopf liegt.

Da wären noch Hundegeschirre, die sich fest und schmerzhaft um Oberschenkelarterien ziehen beim Zerren, solche, die sich um Vordergliedmaßen und Hals zuzurren und, last but not least, der Stachelwürger, die Königin der Qual, gleich gefolgt von Millanschen Halsungen, die auf Parotiden und Halsschlagadern drücken und so die Blut- und Sauerstoffzufuhr ins Gehirn drosseln. (Verbotene Stromschlaggeräte wie Teletac und in Halsbänder integrierte Ultraschallgeräte oder Spritzpistolen und dergleichen führe ich jetzt gar nicht mehr an.)

Liebe Güte!

Ist es eigentlich im 21. Jahrhundert unmöglich seinem Tier, einem Hund, nicht etwa einem gefährlichen Sibirischen Tiger oder einer Königskobra, sondern bloß einem Hund (!), irgendetwas beizubringen, was er im Leben auch wirklich braucht, ohne dabei etwas Sinnbefreites, Groteskes oder Brutales anzuwenden?

Ist es wirklich so schwierig mit seinem besten Freund zu kommunizieren ohne Leckerli, Marker, Clicker, Geplärre, Geplapper, Gewürge und Getrete?

Sie meinen, das kann man nicht in eine Topf werfen? Aber ja! Ich kann!

Es ist ein Hund, ein Lebewesen, das Worte versteht wie wir Menschen, ein Gedächtnis hat wie wir Menschen, das Dinge versteht und lernt durch Zuschauen, Abschauen und intuitives Handeln, das Lob wahrnimmt, auch wenn Menschen dabei nicht jedes Mal in die Kuchenkiste greifen, Stimmungen, Höhen und Tiefen der menschlichen Seele fühlt und versteht, ohne dass der dumme, unsensible Mensch das Geringste davon vorher, nachher oder währenddessen mitbekommt. Geschweige denn randwertig kapiert. Während er vielleicht noch im Internet nach Tipps zur Verblödung seines Hundes sucht, die Gebrauchsanweisung des Clickers studiert oder im Handbuch „Tipps vom geistigen Oberwauwau-Flüsterer: Wie wirst auch Du Rudeloberdepp in nur zehn Tagen“ nachliest, wie er seinen Hund am besten steinzeitmäßig aber dafür schnell (ja, es heißt jetzt nachhaltig) zu Fall bringt.

Eine traurige Geschichte, das Kapitel Hund im 17. Jahr des neuen Jahrtausends. Die damaligen Jäger und Sammler würden sich an den Kopf tippen, könnten sie den Zirkus heute sehen, den manche Trainer und sonstige hundekundige Anführer veranstalten. Die Wölfe würden allesamt auf der Stelle kehrt machen und es gäbe heute keine Hunde, hätten die das damals geahnt.

Wie wär’s mal zur Abwechslung mit ein bisschen Verständnis und Liebe? Dann geht Hund-Deutsch, Deutsch-Hund auch ganz ohne halbwissenschaftliche Erklärungen, ohne Verschwörungstheorien von der Weltherrschaft und auch ohne Rudelgetue.

Die Hunde würden sich sicher freuen! Die tippen sich wahrscheinlich auch schon heimlich ans Hirn, während sie ihren Zweibeinern dabei zusehen, wie die sich zu dem machen, von dem sie alle abstammen.

Nämlich zum Affen.

Die ja bekanntlich nicht unbedingt zu den klügsten und freundlichsten Vertretern im Tierreich gehören.

Herzlichst Bela Wolf,

Tierarzt, Autor und Tiergesundheitsjournalist

https://tierarztwolfblog.wordpress.com

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