Tanz der Vampire - Vergnügungssteuer bei Musikkonzerten in Österreich

Was ist Ihr erster Gedanke, wenn ich PAROV STELAR schreibe? Bleiben Sie sitzen und denken in aller Ruhe nach? Oder swingen in Ihrer Vorstellung plötzlich Ihre Beine mit im Rhythmus – weil man einfach mit muss?

Ja, Parov Stelar – der österreichische Export im Bereich Jazz, Elektroswing und House. Marcus Füreder, Produzent und DJ, und seine Band begeistern international. Von Medien liebevoll “Godfather of Electroswing” betitelt. Erst kürzlich am weltberühmten Coachella-Festival in Kalifornien, vor begeistertem Hollywood-Publikum, aufgetreten. Österreich hat wieder einen musikalischen Botschafter, der Open-air-Festivals und Hallen füllt und begeistert. Und nicht nur mehrfache Amadeus Award-Auszeichnungen bestätigen dies. Die Konzerte sind ausverkauft und Tickets rar am Markt.

Das dürfte einen übermotivierten österreichischen Revisionsbeamten dazu angeleitet haben, sich selbst einen Überblick, bei einem Konzert in der Wiener Rinderhalle, zu schaffen. Parov Stelar gaben wie gewohnt ihr Bestes. Das Publikum dankte es mit nonverbalem feedback – sie tanzten. Tanz ist ein Ausdruck von Gefühlen, Verstehen und ein Aufbau einer Beziehung. Bereits seit den 40er-Jahren wird der Tanz als eigene Therapieform anerkannt und angewendet. Tanz ist das älteste, nonverbale Ausdrucks- und Kommunikationsmittel aller Kulturen und bedeutet schlicht und einfach Vergnügen. Dass bei Vergnügen die Meinungen auseinander gehen können, ist schnell berichtet: Der oben zitierte Beamte wollte das Konzert nicht als Konzert rhythmischer Bewegungen, sondern als Tanzveranstaltung klassifizieren und somit wurde Vergnügungssteuer fällig; immerhin eine stolze Summe von in etwa € 10.000,--.

Ob rhythmische Bewegungen, Tanz, Vergnügen – sie haben einen Nenner: Gefühle. Ruth Cohn, Begründerin der Themenzentrierten Interaktion, deren Lebenswerk darin bestand, die Erfordernisse der Sache mit den Erfordernissen des Menschlichen in Einklang zu bringen, war davon überzeugt, dass “das Postulat, dass Störungen und leidenschaftliche Gefühle den Vorrang haben, bedeute, dass wir die Wirklichkeit des Menschen anerkennen und diese die Tatsache enthalte, dass unsere lebendigen, gefühlsbewegten Körper und Seelen Träger unserer Gedanken und Handlungen sind.” Friedemann Schulz von Thun, bekannter Psychologe und Kommunikationswissenschafter, versuchte mit seinem Kommunikationsquadrat das Verständnis für zwischenmenschliche Vorgänge zu vertiefen. In seiner Trilogie “Miteinander reden: 1 Störungen und Klärungen” geht er auf die “Stimmigkeit” ein, die für Schulz von Thun “….. in Übereinstimmung mit der Wahrheit der Gesamtsituation zu der neben der inneren Verfassung und Zielsetzung auch der Charakter der Beziehung, die innere Verfassung des Empfängers und die Forderungen der Lage gehören.” Sich der Stimmigkeit zu entziehen, bedeute jedoch “sich der Lebendigkeit und dem Glück zu entziehen”.

Parov Stelar sollte also nicht nur der Ruth Cohn-Award überreicht werden, sie bestätigen mit ihrer musikalischen Botschaft auch einen der weltweit bekanntesten Kommunikationswissenschafter und Psychologen.

Sehr geehrter Herr Revisionsakteur! Ich weiß nicht, ob Ihnen diese wissenschaftlichen Erkenntnisse in Ihrer subjektiven Entscheidung, das Konzert als Tanzveranstaltung einzuordnen, bekannt waren. Aber - und da bin ich mit Sicherheit nicht alleine – ich würde sehr gerne Ihre Intention, Ihre Motivation kennen, eine solche Entscheidung zu treffen und somit nicht nur Österreich als Veranstaltungsland für zukünftige Gigs in Frage zu stellen, sondern auch all die Menschen, die miteinander vergnügt kommuniziert haben. Und auch wenn mir bewusst ist, dass Sie nur ausführendes Organ sind, halten Sie Ihre Entscheidung für stimmig? Reden-wir.at!

1
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
6 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

Silvia Jelincic

Silvia Jelincic bewertete diesen Eintrag 29.09.2016 22:48:18

10 Kommentare

Mehr von UW