[Rezension] Albrecht Müller - Glaube wenig, Hinterfrage alles, Denke selbst - Wirtschaftliche Motive

Albrecht Müller (SPD) wurde 1938 in Heidelberg geboren, Diplom-Volkswirt, Autor, Publizist und weiterhin Mitglied der SPD. Müller (SPD) leitete 1972 den Wahlkampf für den von 1969 bis 1974 amtierenden Bundeskanzler Willy Brandt (SPD). Ab 1972 leitete Müller (SPD) die Planungsabteilung unter Willy Brandt (SPD) und Helmut Schmidt (SPD). Zwischen 1987 und 1994 war Müller (SPD) zudem Mitglied des deutschen Bundestages. [1] [2]

Die Demokratie wird oft synonym mit Selbstbestimmung verwendet. Tatsächlich ist die Schnittmenge abhängig vom Grad der Meinungsmache und der Fremdbestimmung der öffentlichen Debatte. Als Folge werden dann politische Entscheidungen unter dem Einfluss einzelner Interessensgruppen getroffen. Und Müller (SPD) hat es sich zum Ziel gemacht die von ihm diagnostizierte Meinungsmache durch Medien, Politiker und Parteien aufzudecken. Hierfür schreibt Müller (SPD) dieses und andere Bücher und hat das Blog NachDenkSeiten mitinitiiert und schreibt hier auch regelmäßig. [1] [2]

Agenda 2010

Riester Rente

Banken

Agenda 2010

Eine der wirtschaftspolitischen Motivationen von denen nach Müller (SPD) Meinungsmache ausgeht ist die Umsetzung der Interessen von Arbeitgebern und allgemein Investoren. Müller (SPD) erläutert hierbei wie mehreren Akteure mit verschiedenen Mitteln ihre Interessen durchsetzen. Und diese Kampagne propagiert höhere Unternehmensgewinne, niedrige Löhne und Außenhandelsungleichgewichte als nützlich für alle. Hierfür werden Sprachregelung verwendet, dass der Arbeitsmarkt ist zu unflexibel oder die Löhne beziehungsweise Lohnnebenkosten zu hoch seien. Unwahrheiten oder Halbwahrheiten werden propagiert, wie zum Beispiel dass der demographischer Wandel und Globalisierung die beiden großen Herausforderungen unserer Zeit seien oder Exportüberschüsse seien gut und es gehe uns gut. [1,p.22-24] [1,p.34-36] [1,p.78-80] [1,p.105-117]

Begleitet von dieser Meinungsmache wurde die Agenda 2010 unter Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD). Hiermit wurde der Arbeitsmarkt in Deutschland liberalisiert, das heißt dass Leih- und Zeitverträge erleichtert wurden und der Kündigungsschutz gelockert wurde. Die Umsetzung der Agenda 2010 wurde auch damit befördert dass ein Reformstau herrsche, Reformen also gut seien. Dazu kommt dass die Denkweise hinter der Agenda 2010, wie zum Beispiel jeder ist seines Glückes Schmied oder wenn jeder an sich denkt, dann ist an jeden gedacht, propagiert wurden. Im Gegensatz dazu wurden die Reformen unter Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) als Reformitis oder Reformklimbim verunglimpft. Diese hatten jedoch ein besseren Sozialstaat und einen höheren Lebensstandard zum Ziel. [1,p.93-97] [1,p.97-100]

Der Binnenmarkt der EU und die Euro Währung werden von vielen immer noch gelobt. Mit dem freien Verkehr von Gütern und Dienstleistungen sei der Handel für alle einfacher geworden. Mit der Mitgliedschaft im Binnenmarkt der EU akzeptiert man aber auch den wirtschaftsliberalen Freihandel im extrem ungleichen Wettbewerb und gibt Kritik am Lohndumping auf. Mitgliedstaaten müssen dann weiterhin mit denen die ganz unterschiedliche Arbeitskosten oder Arbeitsproduktivität aufweisen konkurrieren. Hochlohnländer aus West-Europa müssen dann mit den Niedriglohnländern aus Ost- und Südost-Europa konkurrieren. Mit dem Euro seien die komplizierten Wechselkurse weggefallen. Außerdem würden die nationalen Währungen verschiedener Länder aus Süd-Europa nicht mehr regelmäßig abwerten. Dies sind jedoch die Gründe für die anhaltende Krise des Euros und der Wirtschaft verschiedener Mitgliedsstaaten.

Wenn in einer Währungsunion wie die Euro Währung eine ist die Wechselkurse wegfallen, dann führte dies dazu dass Länder ihre Außenhandelsbilanz nicht mehr durch eine Aufwerten oder Abwerten der Währung ausgleichen können. Die Exportüberschüsse eines Lands verdrängen jedoch Arbeitsplätze in den Ländern mit einem Exportdefizit. Die hiesige Wirtschaft wird hierbei durch Importe ersetzt. Die Länder mit Exportüberschüssen wirtschaftet folglich auf Kosten anderer Länder und exportiert Arbeitslosigkeit in andere Länder. Eine Währungsunion wie die Euro Währung eine ist setzt als eine gleichmäßige Entwicklung der Löhne und Arbeitsproduktivität in allen Mitgliedstaaten voraus. Dies war jedoch nicht der Fall und ist der Grund für die anhaltende Krise des Euros sowie die hohen Arbeitslosenquoten in den Mitgliedstaaten Süd-Europas. Mit dem Euro und dem Binnenmarkt der EU haben aus mehreren Staaten mit ihren eigenen Volkswirtschaften ein Volkswirtschaft mit konkurrierenden Standorten gemacht. Siehe: Euro Währung

Riester Rente

Dazu kommt die Kampagne mit der die gesetzliche Rente schlecht geschrieben und geredet wurde um für Versicherungen und Investoren neue Einnahmequellen zu eröffnen. Es lief unter Bundeskanzler Schröder (SPD) eine Kampagne wonach der demographische Wandel die gesetzliche Rente überfordern würde und nun nur noch eine private Altersvorsorge helfen würde. Tatsächlich wurde die Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung wurde systematisch vermindert, unter anderem durch die Fixierung des Beitragsatzes auf maximal 20%. [1,p.69-75] Hierfür wurden die Botschaften wiederholt, in Talkshows einhellig vertreten und durch Experten untermauert. Die Experten die sich hierfür einspannen ließen sind Bert Rürup, Bernd Raffelhüschen und Meinhard Miegel. [1,p.29-34] [1,p.34-36] [1,p.40-42] [1,p.53-54] Außerdem wurde verschwiegen dass der Anstieg der Arbeitsproduktivität die Entwicklung der Bevölkerung nachweislich schlägt. [1,p.29-34]

Österreich und Deutschland haben beide auf Umlage basierte Rentensysteme. Der Teil der Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter bezahlt also für die Menschen im Rentenalter. Und nach Eintritt in die Rente werden die ehemals arbeitenden Menschen von der nachfolgenden Generation versorgt. Was den demographischen Wandel angeht, so sind die Bevölkerungspyramiden beider Länder nahezu identisch. [3] [4]

In Deutschland liegt der Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung bei 18,9 Prozent, Arbeitnehmer und Arbeitgeber übernehmen jeweils 9,45 Prozent. Das Regelrentenalter für Frauen und Männer liegt bei 62,7 Jahren. Und auf 100 Einzahler kommen 35 Rentner. Damit liegt der Anteil der Einnahmen der Rentenversicherung am Bundeshaushalt bei 23,6 Prozent. Nach mindestens 45 Jahren Beitrag bleibt dann eine durchschnittliche Rente für von 50 Prozent vom Durchschnittsverdienst übrig. Das ist nur knapp über der Armutsgrenze. [5,S.15] [5,S.16] [6,S.217] [6,S.266]

In Österreich liegt der Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung bei 22,8 Prozent, Arbeitnehmer übernehmen 10,25 und Arbeitgeber übernehmen 12,55 Prozent. Das Regelrentenalter für Frauen und Männer liegt bei 62,7 und 60,2 Jahren. Auf 100 Einzahler kommen dann 30 Rentner. Damit liegt der Anteil der Einnahmen der Rentenversicherung am Bundeshaushalt bei 22,7 Prozent. Nach mindestens 45 Jahren Beitrag bleibt dann eine durchschnittliche Rente für von 92 Prozent vom Durchschnittsverdienst übrig. Nach min. 45 Jahren Beitrag macht Österreich daraus wesentlich mehr für Menschen. [5,S.15] [5,S.16] [6,S.217] [6,S.266]

Bereits heute liegt das deutsche Rentenniveau in der Auflistung der OECD weit hinten, während Österreich einen der vorderen Plätze einnimmt. Es stellt sich also die Frage warum Deutschland als die angeblich reichste Volkswirtschaft Europas ein deutlich niedrigeres Rentenniveau als das kleine Österreich hat. Ein wesentlicher Teil der Antwort ist die Kürzung des zukünftigen Auszahlungsbetrags der gesetzlichen Rentenversicherung im Rahmen der Agenda 2010 zur Lohnzurückhaltung.

Banken

Ein weiterer Fall der Meinungsmache sind die Umdeutungen und das Ausnutzen der Bankenkrise ab 2007. Hier wurden angeschlagene Banken durch mehrere Milliarden Euro vom Staat unterstützt oder gerettet. Die dadurch gestiegenen Staatsschulden wurden dann jedoch zur Staatsschuldenkrise umgedeutet. Und unter dem Deckmantel dieser vermeintlichen Staatsschuldenkrise wurden dann Spar- und Privatisierungsprogramme umgesetzt. [1,p.75-78] [1,p.100-104]

Da wäre zum einen die Behandlung von Griechenland durch die Troika und die Medien. Die Troika besteht aus der EU-Komission, der europäischer Zentralbank (EZB) und dem internationalen Währungsfonds (IWF). Sie soll von den Mitgliedsstaaten in die sie geschickt wird Einsparungen staatlicher Ausgaben einfordern damit die Mitgliedsstaaten die dringend erforderlichen Notkredite erhalten. Eingesetzt wurde sie in Irland, Portugal, Zypern, Spanien und Griechenalnd. [1,p.128-129] [7] [8,en] [8,de]

Die Troika besteht jedoch aus nicht gewählten Bürokraten, die für ihre Handlungen nicht zur Verantwortung gezogen werden. Als Konsequenz wurde für den Staaten massive Sparprogramme (Austeritätsprogramme) auf Kosten der Bevölkerung verordnet. Die Ausgaben des Staates, sowohl Sozialleistungen als auch direkte Ausgaben, sind aber immer ein Teil des BIP eines Landes. Mit den Sparprogrammen (Austeritätsprogrammen) wurde also einerseits der Lebensstandard der Bevölkerung gesenkt. Andererseits fielen durch die Kürzung der direkte Ausgaben des Staates für verschiedene Unternehmen die Aufträge aus. Über die Auswirkungen dieser Katastrophe hat der Journalist Harald Schumann die sehr sehenswerte Dokumentation "Macht ohne Kontrolle" gedreht. [7] [8,en] [8,de]

[1] Albrecht Müller - Glaube wenig, hinterfrage alle, denke selbst - Wie man Manipulationen durchschaut- ISBN 978-3864892189

[2] NachDenkSeiten

https://www.nachdenkseiten.de/

[3] demographics Germany/Demographie Deutschland

https://de.wikipedia.org/wiki/Deutschland#Bevölkerung

[4] demographics Austria/Demographie Österreich

https://de.wikipedia.org/wiki/%C3%96sterreich#Bevölkerungsbewegung

[5] ALTERSSICHERUNG IN DEUTSCHLAND UND ÖSTERREICH: VOM NACHBARN LERNEN?

http://www.boeckler.de/pdf/p_wsi_report_27_2016.pdf

[6] Pensions at a Glance 2015 OECD anD G20 indicators

http://www.oecd.org/berlin/publikationen/pensions-at-a-glance-2015.htm

[7] Eurokrise - Die Troika: Macht ohne Kontrolle 2015-02-24

https://www.tagesspiegel.de/politik/eurokrise-die-troika-macht-ohne-kontrolle/11406286-all.html

[8,en] The Trail of the Troika (HD 720p) | A must-see to understand the situation in Greece

https://youtu.be/BLB3uu1IXM0

[8,de] Macht ohne Kontrolle - Die Troika (ARTE, Harald Schumann)

https://youtu.be/Sw3gdliKYBM

0
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
0 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

Noch keine Kommentare

Mehr von Xaver Philipp Schlesinger