Disney im Kampf gegen die Vergangenheit

Ich bin ein begeisterter Cineast: ich liebe Filme. Ich habe einen gewissen Hang zum Surrealen und Absurden a la David Lynch, aber ich kann mich an den meisten Dingen erfreuen, wobei ich die romantische Komödie eher als einschläfernd empfinde.

Ich nutze Streaming Services wie jeder andere natürlich auch und habe seit Jahren keinen Fernsehsender mehr angeschalten. Was den ORF natürlich nicht davon abhält, auf meine Kosten Propaganda in die Welt zu brüllen, aber wenigstens können sie mich nicht zwingen, diesen Unsinn dann auch noch anzusehen.

Aber ich schweife ab.

Im Gegensatz zu anderen in meiner Generation und ganz besonders im Gegensatz zu den Jüngeren kaufe ich Datenträger. Ich kaufe Filme auf Blu-ray oder DVD, zur Verwunderung vieler meiner Mitmenschen.

Als Cineast passen die Filme eben nicht unter den Fernseher: Sie füllen Wände. Auch der finanzielle Aufwand ist nicht ganz zu unterschätzen, aber über Jahrzehnte verteilt kommt eben auch etwas zusammen.

Aber warum? Die Zukunft ist digital, sagt man mir, alles sei Digital verfügbar immer und überall könne man auf alles zugreifen. Es sei ja so einfach.

Richtig.

Es ist einfach. Auch für den Inhaber der Rechte damit Unsinn anzustellen ist einfach.

Eine Szene verschwinden zu lassen ist einfach. Oder den ganzen Film. Oder aber „problematische Dinge“ zu ändern. Aber das würde doch niemals jemand tun. Das wäre Paranoia, Verschwörungstheorien und überhaupt und außerdem haben Konzerne noch nie fragwürdige Entscheidungen getroffen um ein Businessmodel durchzupeitschen das schlicht und ergreifend verrückt wäre.

Kamera abblenden, Szenenwechsel nach Amerika.

Ein kleines Kino, das Drexel Theater, organisiert jedes Jahr einen Horror Marathon mit klassischen Horrorfilmen (diesesmal: original 1976 version of The Omen und die 1986 Neuverfilmung von The Fly)

Diese Filme gehören mittlerweile Disney. Disney sagte „nein“.

Das kleine Kino ist nicht alleine. Das „Transit Drive“ ein Autokino in New York wurde das abspielen einen Filmbündels untersagt. Dieses enthielt, unter anderem: Alien, Aliens, Say Anything, The Princess Bride, und Moulin Rouge.

Überall spielen sich ähnliche Szenen ab.

Aber warum? Disney würde ja Geld verdienen. Warum schneiden sie sich ins eigene Fleisch? Warum verbrennen sie ihr Eigentum?

Nun, es bringt Geld aber eben nicht viel. In den Augen von Disney ist jede Kinoleinwand auf der nicht ihr postmoderner Murks läuft eine Verschwendung. Hierbei geht es nicht nur um die Einkünfte sondern auch um Zuschauerzahlen. Und wie jeder wirkliche Filmfan belegen wird: der postmoderne Murks kann einfach mit den Klassikern nicht mithalten.

Natürlich: wem bildgewaltiges TschingBummKrach ala Michael Bay Unterhaltung genug ist, der wird auch am Remake von Ghostbusters seine Freude haben. Wer eine Geschichte erwartet aber wird enttäuscht.

Man möge mich nicht falsch verstehen: nach einem kopflastigen harten Arbeitstag ist ein Film im Kaliber von „Superhelds epischer Kampf auf dem Planeten Kaboom“ schon ab und an das Richtige, aber diese Filme sind wie ein McDonalsbesuch: irgendwie gemütlich und nett aber eben auch nichts an das man sich 2 Wochen später zurückerinnert.

Disney macht keine Filme mehr. Disney recycelt Klassiker. In der Vergangenheit warfen sie all 7 Jahre die gleichen Filme auf den Markt, jetzt ist, dank Streaming, alles ständig verfügbar.

Sie können Robin Hood nicht als etwas Neues verkaufen, die Kids kennen es schon.

Der neue Businessplan sieht also alle paar Jahre Remakes von Klassikern vor.

Das Problem ist dass diese Remakes eben wie billige Plastikkopien eines Meisterwerks wirken. Für sich betrachtet schon ganz ok, aber im Vergleich mit dem Original erscheint es eben zweitklassig.

Die Lösung ist einfach: Man lässt die echten Klassiker verschwinden. Verschwindet etwa Pete’s Dragon von 1977 aus den Köpfen der Menschen, dann wird das Remake von 2016 zum neuen Original.

Die implizierte Frage greift aber tiefer als „Haben die sie noch alle?“. Die Frage ist ob Firmen unsere Geschichten verschwinden lassen können oder aber überhaupt verändern dürfen.

Der Film ist nicht anderes als die Legende unserer Vorfahren. Erzählten sie einst Geschichten über Eris und Odysseus, Odin und Jesus, den Teufel, Till Eugenspiegel und Rotkäppchen, so erzählen wir heute Geschichten von Kirk, Skywalker, Strangelove oder Batman. Diese Geschichten sind Teil unserer zeitgenössischen Kultur und wer das verlacht möge sich die Edda , das Nibelungenlied oder die Ilias noch einmal zu Gemüte führen, auch in diese Werke strotzen vor Sex und stumpfer Gewalt.

Hat Disney etwa das Recht Star Wars in aller Öffentlichkeit zu schänden und haben wir das Recht diese Taten schlicht zu ignorieren? Natürlich. Würde Disney die Rechte an der Ilias kaufen und beschließen würden, dass Odysseus nun eine Frau sei (und immer war), haben wir nicht im Ansatz eine Verpflichtung das ernst zu nehmen.

Ist das Problem also eventuell die Übermacht des Konzerns?

Der Markt?

Der Kapitalismus?

Habe ich endlich zugegeben dass es der Markt ist der alles korrumpiert?

Nein.

Der Grund warum Disney tun kann was sie tun sind Copyrightrechte die der Staat gewährt, die von ihm exekutiert werden.

Ohne diese Rechte dürfte jeder von uns die Geschichte in einer Form erzählen die uns gefällt, so wie es immer war. Niemand hatte ein Recht auf die Ilias, aber Hunderte erzählten die Geschichten und keiner gleich, dennoch hatten jene die sie am besten erzählt mehr Erfolg als jene die sie schlecht erzählten. Wieder sind es Privilegien die der Staat den Mächtigen gewährt, die unsere Kultur beschneiden.

Nicht der Markt.

Nicht das Volk.

Nicht wir.

Behaltet daher eure Bücher, behaltet eure DVDs.

In 30 Jahren, wenn Fightclub und Matrix, Strangelove und Gabriel over the white House nicht mehr zu sehen sind, weil sie den Mächtigen nicht ins Narrative passen, ist es eventuell interessant euren Enkeln eine Welt zu zeigen die anders war: Filme die Seele und Vision, Ideen und Herz hatten. Eventuell leuchtende Visionen die dann düstere Realität wurden (Wie eben im Falle von Gabriel over the white House).

Kunst die mehr war als Effekthascherei und politisch korrekte Quoten.

Filme die uns einfingen und Jahre später noch träumen lassen.

Filme die Mythen begründeten und die Kultur reicher machten.

Behaltet die Kopien, denn ein Film nach dem anderen wird aus der Cloud, unbemerkt und unbesungen, verschwinden und alles was bleiben wird ist wiedergekäuter Mist der uns vage an etwas erinnert das wir einst geliebt haben.

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Zaungast_01

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gloriaviennae

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Watzlawick

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