Vorausgeschickt, da manche schon nach dem klicken auf die Überschrift beginnen Kommentare zu schreiben: die meisten Frauen verhalten sich nicht toxisch. Die meisten Männer auch nicht. Jedes Muster kann, wenn es ins Extrem gezogen wird, sehr unangenehm werden. Die toxische Männlichkeit ist etwas von dem man laufend hört und um über die toxische Weiblichkeit zu reden sollten wir dieses Thema vorher behandeln, eventuell spart uns das ein paar hundert Seiten Debatte in den Kommentaren.

Im Wesentlichen handelt es sich bei der toxischen Männlichkeit um das extreme männliche Muster des Wunsches immer der Erste und Beste zu sein, das Alpha Männchen eben. Die Betonung liegt hierbei auf „extrem“. Der Drang besser zu sein als alle anderen kann sich unterschiedlich manifestieren.

Beobachtungen bei Mäusen zeigen dass sich entweder Mäuse durchsetzen die über Leichen gehen und mit Angst und Schrecken ihre Dominanz durchsetzen oder aber solche die die Sache sozialer angehen und quasi Bündnisse schmieden. Die beachtenswerte Manifestation ist Spielverhalten: der Tyrann gewinnt im spielerischen Rangeln immer, der Sozialere lässt gelegentlich andere gewinnen, was diesen (scheinbar) einen gewissen Reputationsgewinn bringt, was sich in Paarungschancen niederschlägt.

Das Resultat ist dass der Tyrann zwar immer alle Paarungschancen hat aber auch immer alleine steht. Das endet meistens sehr ungünstig für ihn, spätestens wenn er einen schlechten Tag hat. Sozialere Alphatiere „herrschen“ hingegen deutlich länger.

Dasselbe passiert auch bei Menschen.

Der toxische Mann geht über Leichen und endet in seinem Erfolg meistens recht alleine, umzingelt von Menschen die ihn fallen sehen wollen. Die literarische Fülle zu dem Thema ist überwältigend und jeder liebt es solche Typen eben fallen zu sehen, egal ob historischer Cesar oder fiktiver Thanos, niemand mag diese Leute, der gütige Herrscher ala Augustus wird hingegen als Ideal verstanden.

Wichtig sei hierbei erwähnt dass auch Frauen sich toxisch männlich verhalten, genauso wie Männer sich toxisch weiblich verhalten können. Es gibt nur eben eine gewisse Tendenz.

Das alles aus dem Weg geräumt: was aber macht die toxische Weiblichkeit aus?

Die toxische Weiblichkeit ist eine deutlich komplexere Angelegenheit und nicht so offensichtlich dumm-zerstörerisch wie ihr männliches Gegenstück. Es handelt sich um die „verschlingende Mutter“ die ihre Kinder nicht loslassen kann. Auch hier gilt es vorherzuschicken dass es sich hierbei keineswegs um Mütter und Kinder handeln muss aber dazu kommen wir später.

Der gesunde Treib hinter diesem Problem ist der Trieb der Mutter Kinder von Gefahren wegzuzerren. Sehr bekannt ist die Mutter die ihr Kind hebt um es von der Schlange in Sicherheit zu bringen. Menschen weisen immer einen Beschützerinstinkt auf, tendenziell umfasst dieser Instinkt beim Mann aber Frauen und (bevorzugt eigene) Kinder (aber nicht unbedingt andere Männer), bei Frauen aber eher nur (bevorzugt eigene) Kinder (also eher keine anderen Frauen oder Männer). Der Hintergrund ist im Grunde recht unromantisch evolutionär: Männer sind stets die ersetzbarsten und die eigenen Kinder zählen mehr als die Nachbarin oder ihre Kinder.

Wir können dieses Verhalten in der gesamten Natur betrachten und dieser Instinkt gehört zu den wichtigsten in der Natur.

Die Extremform ist eine Person die nicht aufhören kann ihre Schutzfunktion auszuüben und sie auch auszuüben wenn gar keine reale Gefahr besteht. Sie identifiziert zu vieles als feindlich, hält ihre Kinder in Angst vor der „grausamen Welt da draußen“ und stemmt sich eisern gegen jede (eingebildete) Gefahr. Alles was sie im Austausch dafür möchte ist bedingungslose Liebe. Will das Kind ihren Schutz verlassen versucht sie das mit der Induktion von Schuldgefühlen zu verhindern, nicht aber mit Gewalt oder Einschüchterung.

Wo die toxische Männlichkeit nach ständiger Kontrolle trachtet will die toxische Weiblichkeit im Grunde helfen, schützen ja: dienen.

Ein bekanntes zeitgenössisch mediales Beispiel ist die Mutter von Howard Volovitz in „the big bang theory“. Für Vertreter der älteren Generationen bietet sich „Rose Hovick“ aus dem 1962er Film „Gypsy“ an. Generell wird diesem Typus aber deutlich weniger literarischer Aufmerksamkeit gegeben als er verdient, denn praktisch jeder kennt dieses Verhalten irgendwo in seinem sozialen Umfeld: Eltern die ihre Kinder einfach nicht ihre eigenen Fehler machen lassen.

Interessant wird es vor allem wenn dieses Verhalten sich in abstrakteren Formen manifestiert. Wie bereits festgestellt ist die toxische Männlichkeit so subtil wie ein Vorschlaghammer und leicht als eine aggressive Haltung zu identifizieren. Die weibliche Variante aber manifestiert sich in genau dem Gegenteil, einer zu großen Bereitschaft zu gefallen, zu helfen und bis zur Selbstaufgabe zu dienen und das alles nur um geliebt zu werden. So ein Verhalten als bedrohlich zu empfinden liegt nicht wirklich auf der Hand.

Dennoch ist es eine Gefahr. Die Gefahr findet sich zum einen darin dass das beschützte Objekt (das kein Mensch sein muss. Es kann auch eine Katze oder abstrakter: die Natur oder Flüchtlinge sein) zu infantilisieren und zu proklamieren dass eben besagte Entität ohne den Schutz der „Guten“ nicht existieren könnten. Das führt dazu dass „der/die/das Geschützte“ Objekt zunehmen in eine tatsächliche Abhängigkeit gedrängt wird aus der er kaum entkommen kann, da jeder Versuch erwachsen zu werden mit Schuldgefühlen bombardiert wird.

Das Resultat sind Menschen die tatsächlich lebensunfähig sind und auf Schutz und Hilfe angewiesen sind. Der Umstand dass es diese Menschen gibt ("aber was machen wir mit all den Arbeitslosen?" ) führt dazu dass zuvor gesunde Personen beginnen dieses Muster der verschlingenden Mutter zu übernehmen, was die Sache weiter verschlimmert.

Menschen die diesen Zustand kritisieren werden als „Angreifer“ verstanden vor denen man seine Schützlinge „schützen“ muss. Die Idee dass man für sein eigenes Brot arbeiten sollte wird so zum bedrohlichen Angreifer der mit aller Gewalt zurückgedrängt werden muss. Das oben beschriebene männliche Muster von Dominanz und Wettbewerb wird als gefährlich verstanden und auch schon in seinen nützlichen Formen als toxisch identifiziert. Die Idee dass Wettbewerb je etwas Gutes sein könnte wird verworfen.

Das führt zu einer Infantilisierung insbesondere der Männer die in solchen Gesellschaften aufwachsen.

Ironischerweise besteht aber eine erhebliche Nachfrage nach Alphamännchen seitens der weiblichen Bevölkerung. Das führt zu der gewissen Schizophrenie in der Gesellschaft mit allerlei interessanten Auswirkungen.

Die Frage die sich aus der ganzen Sache ergibt ist im Grunde sehr einfach: gibt es schützenswerte Erwachsene oder aber macht fehlender Schutz und Selbstverantwortung den Erwachsenen überhaupt erst aus?

Oder einfacher: kann man zu viel helfen?

Und die gesunde Antwort muss "Ja" lauten.

weblyf https://www.weblyf.com/2020/07/the-devouring-mother-archetype-and-the-psychology-of-infantilization/

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