Warum sich die Fanatiker immer durchsetzen

Jede Bewegung hat Fanatiker, aber nicht jede Bewegung strebt nach weltlicher Macht.

Die Veganer etwa haben eine erstaunliche Menge an Fanatikern in ihrer Mitte, aber die Bereitschaft mit Waffen in die Welt zu ziehen und alle Nichtveganer umzubringen, ist überschaubar gering. Ihre Ideologie basiert auf Moral und ihre Werkzeuge sind entsprechend sozialer Druck und das Gefühl „die Guten zu sein“.

Das ist legitim und Veganer stellen daher für den breiten Teil der Bevölkerung kein echtes Problem dar, weil in der veganen Ideologie das Konzept weltlicher Macht einen untergeordneten Stellenwert hat.

Andere Ideologien sind da aber ganz anders.

In vielen Ideologien ist die Idee der Machtergreifung zentral. Mao sagte etwa, dass jede politische Macht aus einem Gewehrlauf stammt. Die demokratischen Bewegungen in Frankreich und den frühen USA stimmen dieser Idee absolut zu und nahmen den Royalisten die Macht und gaben sie sich selber und damit dem Volk.

Autoritäre Ideologien hingegen fordern einen Transfer dieser Macht weg vom Volk hin zu „Experten“ oder „guten Menschen“, da das dann am Ende dem Volk helfen würde. Dieser Transfer soll wenn möglich demokratisch passieren, eine Taktik die die Nazis verfolgten, oder aber via bewaffneter Revolution.

Auch diverse Religionen fordern ein Auslöschen aller Ungläubigen und Ketzer. Und genau hier haken wir ein. Ich hatte letztens eine interessante Debatte in der es darum ging wer „die Echten“ Gläubigen wären. Sind es jene die ihre heiligen Bücher nach Strich und Komma auslegen oder gibt es ein „echt“ überhaupt nicht?

Der Zugang zu dieser Frage kann in zwei Formen passieren: philosophisch oder pragmatisch.

Philosophisch ist die Antwort klar: keiner kann herausfinden „was echt ist“ weil die Instanz die das entscheidet (die Gottheit) in der Regel nicht antwortet und nicht klar Stellung bezieht. Tendenziell muss aber eine fundamentalistischere Ansicht „näher“ an der göttlichen Wahrheit sein, sofern das grundlegende Buch „wahr“ ist.

Der andere, wichtigere, Zugang ist ein pragmatischer. Was korrekt ist bestimmt derjenige der herrscht und am Ende des Tages herrscht der mit den größeren Kanonen. Die Demokratie etwa dominiert in unseren Breiten nur solange mehr Waffen auf ihrer Seite stehen. In dem Moment in dem mehr Waffen gegen sie stehen, ist sie so gut wie Geschichte.

Hilfreich ist hierbei die Trägheit des Systems. Menschen wollen keine Änderungen und der Staat wird sich gegen Änderungen wehren. Damit stehen schon automatisch viele Waffen auf Seiten des Status Quo.

Problematisch wird es aber wenn der Staat versagt und der Status Quo nicht aufrecht zu erhalten ist. Das bedeutet, nebenher erwähnt, dass Soldat und Polizist keinen Lohn mehr überwiesen bekommen.

In so einem Fall gehen sich die unterschiedlichen Gruppen an die Gurgel und Lösen die Frage im Wesentlichen mit der Diplomatie der größeren Waffe. Alle Ideologien die nicht bereit sind zu sterben oder zu töten fallen als erstes aus dem Rennen.

Übrig bleiben die Ideologien mit gewaltbereiten Mitgliedern.

In dieser Phase zählt nicht nur wie viele gewaltbereite Mitglieder man hat sondern auch wie viele Sympathisanten. Diese Leute kämpfen zwar nicht, aber sie unterstützen die Kämpfer mit Geld, Material, Obdach und Zuspruch. Diese Gruppe erscheint von außen homogen, ist es aber nicht.

Die moderaten Kräfte fördern die fanatischeren, denn nur die kämpfen. Die moderaten Kräfte denken dass diese Kämpfer „für ihre Sache“ eintreten oder aber fördern "das kleinere Übel".

Nach der Machtergreifung wenden sich die Fanatiker aber sehr rasch gegen die ehemaligen Verbündeten. Wer nicht mitgekämpft hat steht nun unter Verdacht kein „echter“ Kämpfer für die gerechte Sache zu sein. Die Macht selber verbleibt praktisch immer in den Händen der militärischen Führer. Oft mit den Worten "wir haben die größten Preis gezahlt, wir verdienen es zu herrschen"

Der mächtigste General wandert an der Spitze und nur in seltensten Fällen transferiert er die Macht ans Volk. George Washington könnte man hier in den Raum werfen.

In 99 von 100 Fällen aber verbleibt die Macht bei den ehemals kämpfenden Elementen und diese definieren nun wer die „Echten“ oder die „Guten“ sind und diese Definition schließt sie selber immer ein, oft unter Auslassung der moderateren Kräfte.

Die moderaten Kräfte finden sich also oftmals rasch als ausgebeutete, machtlose, Unterdrückte wieder.

Dieses Problem ist also ein eher mathematisches. Eine Gruppe von 100 Personen ist einer Gruppe von 1000 Personen zwar in Zahlen unterlegen, aber wenn die kleine Gruppe bereit ist zu sterben und zu töten, die große Gruppe aber nicht, dann wird die kleine Gruppe über die große herrschen. (Es sei denn die kleine Gruppe sind fanatische Anhänger der Demokratie)

Es macht daher wenig Sinn darauf zu pochen dass in einer spezifischen Ideologie ja „eh 90% moderat sind“ weil diese Moderaten eben in einer Krisensituation keinen dominanten Faktor darstellen sondern nur einen logistischen. Es ist daher nur relevant „welche Kämpfer sie im Zweifelsfall unterstützen“ tatsächlich relevant sind aber nur die militanten Elemente.

Die friedliche Mehrheit bekommt nur in einem System, halbwegs, was sie möchte. Das ist die Demokratie und auch dieses System wurde von militanten Personen mit Blut erkauft. Sie ist nicht aus einem Wunsch heraus entstanden oder weil das Volk es wollte, sondern weil Menschen bereit waren dafür zu sterben.

90% der Menschen, der Autor inklusive, sind nicht bereit für eine Idee zu sterben und das ist gut so. Aber wenn man ein Teil dieser 90% ist sollte man sich die anderen 10% umso genauer ansehen.

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