Wertschätzung unterschiedlicher Arbeit

Was der da an einem Tag macht, das mach ich doch in einer halben Stunde!“ Ist ein Satz den man im Berufsleben sowie auch im privaten Umfeld recht regelmäßig hört, vor allem wenn in diesem Umfeld Menschen leben die wenig unterschiedliche Arbeiten in ihrem Leben verrichtet haben.

Menschen sind in ihrer Wahrnehmung in diesem Bezug eigenartig. Zum Einen unterschätzen wir unsere eigenen Fähigkeiten und sind der Meinung was wir können, könne im Grunde jeder der bereit wäre sich ein wenig mit der Materie zu beschäftigen, zum Anderen überschätzen wir unsere Fähigkeit Dinge zu tun die wir noch nie getan haben.

Beides macht grundsätzlich Sinn.

Das Unterschätzen der eigenen Fähigkeiten motiviert uns zu lehren und das Überschätzen unserer eigenen Fähigkeiten motiviert etwas zu tun das wir noch nicht getan haben.

Sozial führt es aber zu Spannungen, etwa wenn Gruppen als überprivilegiert verstanden werden und man selber nicht in diese Gruppe wechseln möchte.

Einer der prägendsten Momente meines Lebens war ein heiterer Abend in der Stadt. Wir saßen in einem gemütlichen Bierlokal neben einer ähnlich großen Runde, ähnlich alter junger Männer. Irgendwann fiel das Thema auf irgendetwas das uns alle interessierte und das Gruppengespräch mischte sich. Etwa eine halbe Stunde lief alles gut bis die andere Gruppe fragte woher wir uns denn kennen würden, denn sie wären alle Handwerker und kennen sich aus dem Betrieb. Wo wir denn arbeiten würden, lautete die Frage, die wir damit beantworteten, dass wir miteinander studieren.

Es dauerte keine Viertelstunde bis die andere Gruppe sich unter lauten „Glaubt ihr ihr seid was Besseres?“ zurückzog. Ich kann mein Leben nicht drauf verwetten aber ich glaube fest daran dass keiner aus meiner Runde sein Verhalten ihnen gegenüber geändert hätte. Aber das war eben gar nicht nötig.

Die Vorurteile reichten scheinbar.

wiener Zeitung https://www.wienerzeitung.at/themen/recht/recht/968023-Un-Gleichbehandlung-von-Arbeitern-und-Angestellten.html

Die Vorurteile gegen „Die da oben“ kommen früh, selbst wenn „der da oben“ zum aktuellen Zeitpunkt nur über einen Bruchteil des Geldes eines Arbeiters verfügt und auch das Ansehen nicht wirklich astronomisch ist. Also nicht wirklich „oben“ ist, aber so wahrgenommen wird.

Dieser Unsinn zieht sich dann durchs Leben. Menschen erzählen wie sie die Weltwirtschaft retten würden, ohne ihre eigenen Finanzen im Griff zu haben, geben Beziehungstipps obwohl sie keine langjährigen Beziehungen führen, Erziehungstipps ohne Kinder und im Job will einem ohnehin jeder sagen wie man es richtig machen sollte, wenn sie sich nicht gerade wundern dass so ein kleines Programm so lange braucht um programmiert zu werden, man an 10 Seiten Bericht nicht in der Mittagspause schreiben kann, eine CNC Maschine mehr Inputs braucht als eine Zeichnung, ein faustgroßer Drehteil zwei Tage Arbeitszeit verschlingt und so weiter und so fort.

Ich selber bin recht stolz darauf viele Dinge in meinem Leben gemacht zu haben und jedes weitere Ding erfüllt mich mit etwas mehr Demut für das Handwerk des Anderen. Selbst das der Betriebswirte.

In meiner Erfahrung ist es deutlich einfacher mit Menschen zu arbeiten und zu leben die selber ein breites Band an Erfahrungen mitbringen und nicht davon ausgehen dass alle rund um sie tollpatschig oder dumm sind.

Was ist die Lösung?

Eventuell wäre es sinnvoll in unserer Bildungsystem aktive Einblicke in alle Berufsbereiche zu geben. Umfassendes Wissen kann hier nicht vermittelt werden, aber schon ein Tag in einem Feld kann vermitteln wie mühsam Arbeiten sind die von außen betrachtet nicht so wirken.

Ich vermute nur, dass genau das nicht im Sinne der Mächtigen ist. Genau diese Ignoranz ermöglicht es ja uns einzureden dass es Parteien für Arbeiter gibt und eine andere für Angestellte.

Tatsächlich arbeitet jeder, der etwas macht das nachgefragt wird, daran die Welt zu verbessern und uns alle motiviert im Wesentlichen <Geld> diese nützlichen Dinge zu tun. Jeder tut was er kann, nach besten Wissen und Gewissen und unter Ausschöpfung seiner Fähigkeiten. Nicht jeder von uns kann Atomphysiker werden aber auch nicht jeder kann eine saubere Schweißnaht erzeugen. Und obgleich praktisch jeder eine Buchungsliste erstellen könnte, so tun eben auch die Betriebswirte was sie eben können und leisten ihren Teil für die Gesellschaft. Auf sie verächtlich herunterzublicken ist daher falsch, wenn auch verlockend.

Der Markt beantwortet die Frage was die Arbeit wert ist und diese Antwort sollten wir akzeptieren, auch wenn sie zum Teil verstörend ist.

Eine Arbeit klein zu reden die man selber noch nie getan hat ist daher immer dumm. Wenn eine andere Arbeit mehr Geld oder Prestige bringt und man genau das haben möchte, sollte man sie tun anstatt zu fordern dass man diesen Leuten etwas wegnimmt.

Würden wir mehr streben als fordern, wo wäre dann die Menschheit?

Ich vermute etwa zweitausend Sternsysteme weiter als dort wo wir gerade sind.

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