Warum öffentliche Schmähungen nicht nur in Deutschland notwendig und gefordert sind

Am Mittwoch, 27. April 2016, wird auf Seite 19 der Dürener Zeitung DZ folgender Leserbrief abgedruckt.

Beleidigter Sultan und hilflose Merkel: Realsatire pur.

Hans-Jürgen Klunker aus Aachen geht auf den Vorschlag der nordrhein-westfälischen Regierung ein, den Paragrafen zur Beleidigung von Staatsoberhäuptern noch vor der Sommerpause über den Bundesrat kippen zu lassen:

Das Vorhaben der Landesregierung wirft einige Fragen auf:

1. Unterstellt man einmal, der Beitrag von Herrn Böhmermann hätte sich nicht mit dem türkischen, sondern mit dem chinesischen Staatspräsidenten befasst und die chinesische Regierung würde eine Bestrafung verlangen und Importrestriktionen ankündigen. Würde die Landesregierung dann auch zum jetzigen Zeitpunkt die Abschaffung des Paragrafen verlangen und sich schützend vor Herrn Böhmermann stellen? Oder würde sie dann lieber dem Interesse an einem florierenden Export nach China den Vorrang einräumen?

2. Unterstellt man weiter, ein rechtsradikales Hetzblatt würde – gekennzeichnet als Satire – ein vergleichbares Schmähgedicht über den israelischen Staatspräsidenten veröffentlichen und die israelische Regierung die Bestrafung verlangen. Würde unser Justizminister dann auch erklären, auf die besondere Empfindlichkeit des israelischen Präsidenten dürfe keine Rücksicht genommen werden? Würden dann auch die SPD, die Opposition und viele Journalisten die Ansicht vertreten, solche Äußerungen weit unter der Gürtellinie seien selbstverständlich von der Meinungsfreiheit gedeckt?

3. ...

.............................

Die zu schützende Meinungsfreiheit treibt wilde Blüten im Blätterwald. Um persönliche Ansichten zu unterminieren, werden Beispiele an den Haaren herbeigezogen, die jeder Unwissende für wahr hält. Sind wir nicht alle Unwissende? Ist uns die Freiheit unserer Meinung nicht wichtiger als alle Tatsachen?

Ad 1.

Der Präsident der Volksrepublik China Xi Jinping hat etwas Besseres zu tun, als sich mit Beleidigung in Publikationen aus Deutschland zu befassen. Er tut alles, damit China groß und stark bleibt. China ist auf Exporte und auf Importe angewiesen. Keine verantwortungsbewusste Chinesische Regierung wird Deutschland oder einer anderen Handelsnation wegen Beleidigung des Staatspräsidenten mit Sanktionen drohen. Es gehört zur türkischen, nicht jedoch zur chinesischen Kultur, seine persönlichen Empfindungen offen zu zeigen. Ich erinnere mich noch zu Anfang meiner medizinischen Tätigkeit, als mir eine Krankenschwester erklärt hat, kein selbstklebendes Pflaster auf eine männliche türkische Haut zu platzieren. Das Abreißen täte so weh!

Ad 2.

Dasselbe wie Xi Jinping darf man einem Präsidenten des Staates Israel unterstellen, nur dass dieser genauso wenig zu melden hat wie unser Gauck. Gehen wir als von Hetze gegenüber dem israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu, der die Staatsgeschicke lenkt. Der Leserbriefschreiber suggeriert, dass rechtsradikale Hetzblätter aus Deutschland keine Schmähungen gegenüber Juden und Israel produzieren, was vollkommen falsch ist. Rechtsradikale Hetzblätter aus Deutschland und anderswo in Europa sind voller Hass gegen Juden und Israel. Trotz vorhandenen §§ werden sie nicht verboten, da in Deutschland Judenhass und „Israelkritik“ den selben Stellenwert haben wie in Russland der Hass gegen Schwule und Lesben. Die Staaten drücken beide Augen zu, Behörden sympathisieren mit den Tätern.

Doch nicht nur rechtsradikale Hetzmedien verbreiten Juden- und Israelhass. Auch einige bis viele türkische, arabische, muslimische, linke, antizionistische und bürgerliche Medien, wozu auch die DZ/AZ gehört, brauchen es mit den Gesetzen nicht so genau zu nehmen. Die DZ verbreitet zuweilen Juden- und Israelhass mit Hilfe von Leserbriefen, die der heiligen Meinungsfreiheit unterliegen (dieser Leserbrief gehört nicht dazu).

Wie man sieht, vertreten nicht nur Regierungsparteien, Opposition und viele Journalisten die Ansicht, dass Äußerungen weit unter der Gürtellinie von der Meinungsfreiheit gedeckt sind, solange sie sich in Deutschland gegen Juden/Israel und in Russland gegen Homosexuelle (und Juden) richten. In der Türkei deckt die Meinungsfreiheit alle erwähnten Bereiche.

1
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
6 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

Silvia Jelincic

Silvia Jelincic bewertete diesen Eintrag 27.04.2016 21:44:28

3 Kommentare

Mehr von anti3anti