Ruth Wodak – Parteipolitik unter dem Deckmantel der Wissenschaft oder was?

Dieser Text ist eine Kritik des Ruth-Wodak-Buches „Politik mit der Angst – Zur Wirkung rechtspopulistischer Diskurse“, erschienen in der „Edition Konturen“ (Wien-Hamburg) und knüpft darüber hinaus an einen Text und eine strafrechtliche Anzeige bzw. einen diesbezüglichen Versuch gegen Ruth Wodak wegen ihres Vortrags „Politik der Angst – die diskursive Konstruktion von Fremdheit“ im Rahmen eines Symposions des sogenannten „Peter-Ustinov-Instituts gegen Vorurteile“ an.

Zu Kapitel 1: Wodak behauptet, die Verletzung von Tabus sei ein Kriterium für Rechtspopulismus. Allerdings lässt sie offen, ob die Tabuverletzung wissentlich und kalkuliert erfolgen müsse, damit ihrer Meinung nach Rechtspopulismus vorliege oder nicht. „Tabuverletzung“ kann in einer modernen Mediendemokratie nicht nur für rechtspopulistische Parteien, sondern auch für alle anderen neuen Parteien (linkspopulistisch oder antipopulistisch) eine sehr sinnvolle und effektive Medienstrategie sein, um den Mangel an verbündeten Medien und Wissenschaftern (bzw. „Wissenschaftern“) auszugleichen. Der „Tabubruch“ sichert mediale Aufmerksamkeit und bietet so eine der ganz wenigen Möglichkeiten, die eigenen Inhalte nebenbei mitzutransportieren. Wodak unterscheidet nicht zwischen „medienstrategischem Tabubruch“, bei dem mitunter auch Inhalte deponiert werden, die der Tabubrecher (diese sind zumeist männlich) gar nicht innerlich vertritt, und „intrinsischem Tabubruch“, bei dem der Tabubrecher die geäußerten Inhalte auch tatsächlich vertritt. Die Verharmlosung des Holocaust beispielsweise, die man als Kriterium für Rechtsradikalismus sehen kann, und die für Wodak als mutmaßliche Jüdin eine bedeutende Rolle spielt, findet sich nicht nur im Rechtsradikalismus, sondern auch in islamischen Kulturen wie beispielsweise der Politik des Iran, was Wodak allerdings verschweigt, möglicherweise, weil es die Islamkritik im Rechtspopulismus verständlicher erschienen ließe. Gerade für Wodak müssten die Israelzerstörungsdrohungen und der Antisemitismus, der beispielsweise im iranisch- bzw. khomeini-stämmigen Al-Quds-Tag-Feiern zum Ausdruck kommt, problematisch erscheinen und Kritik daran verständlich.

Eine weitere Schwachstelle der „Tabu“-Doktrin von Ruth Wodak ist die Herkunft des Begriffs „Tabu“. In polynesischen Kulturen bezeichnete der Begriff „Tabu“ ein abergläubig-religiöses Gebot oder Verbot, wie beispielsweise „Wenn Du diesen Berg betrittst, dann wird Gott Dich bestrafen, zum Beispiel, in dem er Dich mit einem Blitz tötet.“ Im Unterschied zur religiösen Dimension verwendet Wodak den Begriff des „Tabus“ in einem weltlichen Sinn, womit sich die Frage nach den menschlichen Tabuerrichtern stellt. Tabubrüche bestehen für Wodak darin, gewisse Dinge zu sagen, die sie persönlich als „unsagbar“ einstuft, bzw. unter gewissen Bedingungen Koalitionen zu bilden mit Parteien, die sie persönlich als rechtspopulistisch oder „regierungsunfähig“ einstuft. Da Irren bekanntlich menschlich ist, können von Menschen errichtete Tabus falsch sein, und der Bruch dieser fälschlicherweise von fehlbaren Menschen errichtete Tabus also positiv.

Auch Angstmache ist kein spezifisch rechtspopulistisches Phänomen, auch die linke bzw. linksextreme Angstmache vor „neoliberalen“ „Heuschrecken“, vor Ausbeutern, vor angeblicher neonazistischer Gefahr oder die konservative Angstmache vor Kommunismus, Rot-Rot-Grün-Koalitionen mit allen ihren wirklichen oder möglichen Begleiterscheinungen, oder grüne Angstmache vor Unweltzerstörern, Vergiftern oder atomaren Verstrahlern und Verseuchern sind Angstmache oder können als solche betrachtet werden. Angstmache oder rhetorische Methoden, die als Angstmache eingestuft werden können und vom politischen Gegner oft auch eingestuft werden, sind integraler Bestandteil der Politik jeder Partei. Das einzige Kriterium, das man zur (politik-)wissenschaftlichen Beurteilung dieser rhetorischen Methoden machen könnte, ist die Berechtigtheit dieser Angstmache, nicht die Angstmache als solche; allerdings besteht ein Problem darin, dass die verschiedenen Parteien verschiedene Einschätzungen der Berechtigtheit dieser Angstmache haben.

Auch die Behauptung von Ruth Wodak, es gehöre zum Kern des Rechtspopulismus, neue Grenzziehungen zu fordern, ist fragwürdig. Manche als Rechtspopulisten eingestufte Politiker fordern neue Grenzziehungen, andere als rechtspopulistisch einstufbare Politiker wollen Grenzveränderungen verhindern, eine dritte Gruppe von als rechtspopulistisch einstufbaren Politikern wollen neue Grenzziehungen sowohl verhindern als auch bewirken, aber in unterschiedlichen Zonen. Generell sollte man nicht „Grenzverschiebungen“ („neue“ Grenzen sind oft die Wiederherstellung von Grenzen aus der Vergangenheit: wäre eine russische Krim nun eine neue oder eine alte Grenzziehung, eine Wiederherstellung des status quo ante, des Zustands vor Chruschtschow 1954, als z.B. unter Zarin Katharina die Krim Teil Russlands war ?) als solche dämonisieren, sondern die Frage nach der Legitimität von Grenzen stellen; das Völkerrecht mit seiner Betonung des in der UN-Charta verankerten „Selbstbestimmungsrechts der Völker“ stellt einen rechtsstaatlichen Mechanismus dar, der neue Grenzziehungen unter gewissen Bedingungen ermöglicht (Volksabstimmungen wie z.B. in Oberschlesien, ex-jugoslawischen Teilrepubliken oder ähnlichen Fällen). Wenn man Wodak folgend die Forderung nach neuen Grenzen als (hinreichendes) Kriterium für Rechtspopulismus betrachtet, dann wären fast alle ex-jugoslawischen Politiker oder ex-Sowjetunion-Politiker Rechtspopulisten, weil sie neue Grenzen nicht nur forderten, sondern sogar durchsetzten. Aber da Wodaks „Rechtspopulismusdefinition“ unbrauchbar und unpräzise ist, und offen lässt, welche Kriterien nun als notwendige oder hinreichende oder im Zusammenspiel mit anderen als notwendige oder hinreichende Kriterien gelten, ist das keine eindeutige Widerlegung. Wodak selbst scheint bescheid zu wissen, dass ihre Methodik unbrauchbar ist: sie spricht nur von einer „ersten Rechtspopulismusdefinition“, der aber keine zweite oder genauere oder präzisere oder abschließende folgt. Weil bei Wodak nie eine endgültige Rechtspopulismusdefinition erfolgt, sondern immer nur schwammiges Um-den-Brei-Herumgerede, entzieht sie sich der Falsifizierbarkeit, laut Karl Popper ein Kriterium für Unwissenschaftlichkeit.

Auch die Zitierung von Anton Pelinka macht die Sache nicht besser: natürlich gibt es manche als „rechtspopulistisch“ eingestufte Politiker, die einen Zug zum Nationalismus haben, aber auch andere, bei denen Islamkritik mit Kontinentalismus gekoppelt ist, wobei man Kontinentalismus als Nationalismus der höheren Ebene betrachten kann: Abendland, europäische Werte, jüdisch-christliche Tradition, die im Kontrast zum Islam stehen oder als im Kontrast zum Islam stehend betrachtet werden, sind als solche nicht – zumindest nicht a priori – nationalistisch.

Ich halte auch nichts oder nicht viel von Wodaks Behauptung, ein Kriterium für Rechtspopulismus seien Stereotype, Feindbildkonstruktionen und Verschwörungstheorien: meiner Meinung nach verhält es sich vielfach reziprok: was für die Linke die Wahrheit, ist oft für die Rechte eine Verschwörungstheorie, und umgekehrt. Politische Parteien unterscheiden sich so gesehen nicht darin, dass die einen Verschwörungstheorien verwenden oder äußern, aber die anderen nicht, sondern lediglich darin, welche.

Da Politik ein Mittel ist, alles zu kanalisieren, was nicht wissenschaftlich gelöst werden kann, sind Verschwörungtheorien oder als Verschwörungstheorien einstufbare Phänomene bis zu einem gewissen Grad in der Politik durchaus legitim: für Grüne kennzeichnend ist vielfach die Verschwörungstheorie, Konzerne (wie z.B. Ölkonzerne) würden umweltfreundliche Patente aufkaufen, um ihre Anwendung zu verhindern. Der Grün-Politiker Voggenhuber vertrat die Position, Großbritannien sei als Quasi-US-Sklave Mitglied der EU, um eine Vertiefung der EU zu verhindern, was vielfach als Verschwörungstheorie eingestuft wurde (das Verhalten von US-Politikern nach dem Brexit betrachtete ich bis zu einem gewissen Grad als schwaches Indiz für diese These, wegen der Art und Weise, wie sie eine Kompensationslose Brexit-Annullierung favorisierten, allerdings kann man umgekehrt gerade den Brexit als Widerlegung dieser Verschwörungstheorie betrachten). Für einen seriösen Umgang mit Verschwörungstheorien kann man den expliziten Ausweis als Theorie betrachten, beispielsweise durch Hinzufügung von „scheinbar“, „es sprechen keine eindeutigen Beweise dafür, aber auch keine harten Fakten dagegen“.

Die Finanzkrise, die eine wesentlich von den politischen Eliten (mit-)verursachte Krise ist, führte logischerweise zu einer Delegitimation der etablierten Parteien, die man meiner Meinung nach auch nicht nach der Wodak-Methode durch den inkonsequenten Versuch, den Rechtspopulismus zu dämonisieren und zu übertreiben, eindämmen kann. Eher könnte das Gegenteil der Fall sein: die zahlreichen Fehler in Wodaks Rechtspopulismuskritik könnten dem Rechtspopulismus mehr nutzen als schaden, frei nach Jörg Haider, der als Antwort auf die Frage „Was würden Sie ihren Gegnern ins Stammbuch schreiben ?“ einem österreichischen Nachrichtenmagazin in den 90er Jahren einmal antwortete: „Gar nichts, weil die lernen´s sowieso nie …… oder doch: Bleibt so, wie Ihr seid, Ihr habt uns genutzt. Danke, Euer Jörg“

Auch meiner Meinung nach unverständlich ist Wodaks Einstufung von Hugo Chavez als positivem Linkspopulisten im Gegensatz zum negativen Rechtspopulismus: der Erfolg von Hugo Chavez beruhte sehr wesentlich auf dem damals hohen Rohölpreis, der Chavez ermöglichte, großzügige Wahlgeschenke an die Venezolaner und –innen zu verteilen. Anders als Wodak behauptet, kann man das auch als nationalistische und so gesehen rechtspopulistische Politik betrachten, die Inländer begünstigte und Ausländer benachteiligte (Venezuela hätte die Mittel auch in die Erhöhung der Entwicklungshilfe stecken können). Für den „Mythos Chavez“ war es ein Glück, dass er starb, bevor die Grundlage seines Erfolgs – nämlich der phasenweise hohe Rohölpreis – zusammenbrach. Chavez betrieb so gesehen ebenso wie die etablierten Parteien Westeuropas populistische und kurzfristige Politik, die an einer Krise zerschellte (Ölpreiskrise hier, Staatsschuldenkrise da).

Wodak erwähnt auch den Peronismus, anknüpfend an den argentinischen Politiker Juan Peron (arg. Präsident 1946-1955 sowie 1973-1974), der so wie Chavez aus dem Militär kam. Ich müsste mich in den Peronismus erst genauer einarbeiten, bevor ich darüber Aussagen machen möchte, ich möchte stattdessen einen Österreich-Bezug erwähnen, der in diesem Zusammenhang interessant ist: der SPÖ-Politiker Franz Olah wurde vielfach mit Juan Peron verglichen, und fand diesen Vergleich schmeichelhaft. Im Gegensatz zur Wodak-These, es würde eine Gesamtverschiebung des Parteiensystem nach rechts stattfinden, würde ich viel eher die These vertreten, der Parteiausschluss von Franz Olah aus der SPÖ (1966) stellte eine Linksverschiebung der SPÖ dar, die erst die Ursache für rechtspopulistische Erdrutschwahlsiege Marke Haider oder Strache ist, weil sie rechts von der SPÖ extrem viel Raum liess.

Anders als Wodak behauptet, stellt auch der Retter-Mythos keine Grundlage für eine Rechtspopulismusdefinition dar, weil auch die Linke mit Retter-Mythen arbeitet: Rettung vor Ausbeutung, vor Maschinen, vor Auslagerung, vor neoliberalen Heuschrecken, etc.

Auch Wodaks Ausführungen zum „Textbeispiel 1“ (der auf einer Strache-Facebook-Seite veröffentlichten Karikatur) sind manipulativ aus vielerlei Gründen: erstens handelt es sich nicht – wie von Wodak behauptet der nahegelegt - um eine Karikatur aus der nationalsozialistischen Zeitung „Stürmer“, sondern um eine aus den USA 1962. Zweitens gibt es keinen Beweis, dass Strache persönlich zwei Details an dieser Karikatur veränderte (die Nase und die Manschettenknöpfe); vielmehr gibt es meines Wissens nach nicht einmal einen Beweis, dass Strache seine Facebook-Seite persönlich betreut (kaum ein Spitzenpolitiker betreut seine Facebook-Seite selbst, allein schon aus Zeitmangel).

Ironischerweise oder logischerweise (im Vereinfachungsfuror oder in der Hysterie kann man Dinge übersehen) blieb ein Detail Wodak verborgen, das sie kritisieren hätte können: nämlich, dass die US-Dollar-Zeichen auf der Krawatte beibehalten wurden und nicht durch Euro-Zeichen ersetzt wurden, wie es im Kontext der Eurokrisenreaktion logisch gewesen wäre. Ich persönlich kenne keinen Juden, der drei Manschettenknöpfe mit Davidsternen trägt.

Meiner Meinung nach sind die Manschettenknöpfe keine eindeutigen Davidsterne. Man kann so gesehen bestenfalls von einem möglicherweise antisemitischen Hintergrund und einer möglicherweise antisemitischen Absicht sprechen, aber nicht von eindeutigen. Gerade die Uneindeutigkeit dieser Kodierungen provoziert viele Rechtspopulismuskritiker zu Überreaktionen, die letztlich dem Rechtspopulismus mehr nutzen als schaden könnten. Diese ausgrenzungsbettlerische Methodik als solche hat meines Erachtens Jörg Haider entdeckt und großflächig angewendet, Strache ist – falls überhaupt - hier bestenfalls Kopie. In der Anfangsphase aber waren die Überreaktionen der Rechtspopulismuskritiker meiner Meinung nach von Haider unprovoziert, also unbeabsichtigt.

Generell halte diese Manschettenknopffrage in einer Karikatur auf einer Facebookseite, die von Strache wahrscheinlich gar nicht persönlich betreut wird, für überzogen, was nicht heißen soll, dass Strache unproblematisch sei.

Die Ambivalenz und vielfache Gratwanderung macht auch die Wodak-These, dass es sich um eindeutige Tabubrüche handle, fragwürdig. Ein rechtlicher Graubereich bleibt ein rechtlicher Graubereich, und solange kein Höchstgericht eine genaue Grenze gezogen hat, liegt keine Grenzverletzung vor.

Wodak verwendet einen Begriff des „Erlaubten“, der sich vom rechtlich Erlaubten unterscheidet, der stark in persönliche Moralisierung abgleitet. Sie widerspricht sich auch selbst: einmal spricht sie von eindeutigem Tabubruch und eindeutigen Antisemitismus, dann von Ambivalenz und kodiertem Antisemitismus. Wesentlich eindeutiger antisemitische Aussagen, wie beispielsweise vom ex-Iran-Präsidenten Ahmadinedschad wurden – auch von Wodak – weniger oder gar nicht thematisiert, was den Eindruck Doppelmoral, Heuchelei und orwell´schen „Zwiedenken“ (Doublethink) erweckt, den Wodak als Kriterium für Rechtspopulismus betrachtet, der aber auch bei den Rechtspopulismuskritikern und –innen besteht.

Die Fehler in der Methodik von Wodak speisen auch den Antiintellektualismus, aus dem der Rechtspopulismus seine Wahlerfolge bezieht. Wodak attestiert zwar richtigerweise den Antiintellektualismus, aber dass sie selbst als universitäre Intellektuelle und Elitistin mit ihren zahlreichen Fehlern u.A. eine Basis der FPÖ-Wahlerfolge ist bzw. sein könnte, scheint sie nicht erkennen zu können oder zu wollen.

Zu Kapitel 2:

Generell bleibt die Position von Wodak fragwürdig: einerseits betrachtet sie Jörg Haider als eine Art Inbegriff und Archetyp des rechtspopulistischen Politikers, andererseits bezeichnet sie das von Jörg Haider 2004 gegründete „Bündnis Zukunft Österreich“ (BZÖ) nicht als rechtspopulistisch, vielmehr erwähnt sie das BZÖ in ihrem ganzen Buch kein einziges Mal. Möglicherweise deswegen, weil es zahlreiche ihrer Theorien und Definitionen falsifizieren würde: so bezeichnet Wodak Homophobie und Heteronormativität („Schwulenfeindlichkeit“ bzw. „Schwulen- und Lesbenfeindlichkeit“) als Bestandteil des Rechtspopulismus; das im Widerspruch dazu stehende Faktum der offensichtlichen Bisexualität Jörg Haiders sowie der eindeutigen und geouteten Homosexualität von Gerald Gross (phasenweise BZÖ-Parteiobmann) muss sie offensichtlich unter den Tisch fallen lassen.

Die in vielen islamischen Kulturen vorhandene Schwulenfeindlichkeit kristallisierte sich auch in Amsterdamer Vierteln, die einen überproportionalen Moslemanteil hatten, durch Übergriffe von Moslems auf Schwule, was einer Gründe für das Entstehen und den Wahlerfolg von Pim Fortuyns LPF war.

Dass bei der Spaltung von früherer FPÖ in FPÖ und BZÖ 2004 auch die Nationalsozialismusfrage eine Rolle spielte, würde nicht in die scheinbare Wodak-Strategie passen, alle rechtspopulistischen Parteien bzw. insbesondere Jörg Haider sehr stark mit dem Nationalsozialismus zu assoziieren und zu identifizieren.

Ähnliches trifft auch für Italien zu: die Alleanza Nazionale (AN) hatte einen sehr starken Bezug zu postfaschistischen Milieus, den man bei der Lega Nord nicht finden kann. Gianfranco Fini (AN) bezeichete Mussolini als „größten Staatsmann der Geschichte“, auch wenn er das später abschwächte, während eine derartige Einstufung bei Humberto Bossi (Lega) nicht zu finden war. Auch die beiden italienischen Parteien unterscheiden sich im Postfaschismusbezug, aber sie treffen sich in der Islamkritik. Eben diese Unterschiede bei gleichzeitigen Ähnlichkeiten bei den verschiedenen als rechtspopulistisch eingestuften Parteien machen es so schwierig (um nicht sagen unmöglich), eine brauchbare und wissenschaftlich haltbare Rechtspopulismusdefinition zu entwickeln. Aber aus diesen Schwierigkeiten sollte man keinen Freibrief zum Dämonisieren aller dieser Parteien oder zum Vereinfachen oder zum parteipolitischen Wissenschaftsmissbrauch ableiten.

Ein weiterer Unterschied zwischen Haider und Strache, zwischen BZÖ und heutiger FPÖ ist interessant: die NATO-Frage. Während Haider sich für einen NATO-Beitritt oder eine –Annäherung aussprach (eine absolut unpopulistische Forderung in Österreich übrigens, was Wodaks Einstufung Haiders als Populisten fragwürdig erscheinen lässt), spricht Strache (und die heutigen FPÖ-Granden) sich für eine Beibehaltung der Neutralität aus, was andererseits die Frage aufwirft, ob nicht auch die Forderung von SPÖ und Grünen nach Beibehaltung der Neutralität populistisch ist, wenn die Forderung der FPÖ nach Beibehaltung der Neutralität populistisch ist.

Die Jörg-Haider-Tochter und kurzfristige BZÖ-Spitzenkandidatin Ulrike Haider-Quercia (mit ehelichem Bezug zum NATO-Mitglied Italien) sprach sich für einen NATO-Beitritt Österreichs aus.

Zu Kapitel 3:

Offensichtlich um Geert Wilders stärker zu beschädigen, behauptet Wodak, offensichtlich unfehlbare Historikerin und allwissende Frau, dass der Fall von Rom nicht zu verhindern gewesen wäre. Derartige „Was-wäre-wenn?“-Fragen sind immer heikel. Wäre der Untergang des römischen Reichs zu verhindern gewesen, wenn das Römische Reich nach der Niederlage bei der Hermannsschlacht nicht auf eine defensive Strategie umgeschwenkt wäre (inklusive Bau des Limes), sondern eine expansive Strategie fortgesetzt hätte und die Germanen in einer Phase der Stärke möglicherweise militärisch integriert hätte ? Wäre der Fall des Römischen Reichs zu verhindern gewesen, wenn das Römische Reich die Hermannschlacht vermieden und eine andere Art der militärischen Integration der Germanen versucht hätte ? Wäre der Fall des Römischen Reichs zu verhindern gewesen, wenn es großzügiger und weniger grausam gegenüber „Halberoberten“ gewesen wäre (Arminius/Hermann genoss römische Erziehung und kannte die römische Kriegsstrategie und Taktik sehr genau; diese Kenntnis der römischen Schwachstellen und die daher von ihm und den von ihm geführten Germanen angewandte Guerilla-Taktik machte die Niederlage für die Römer derart verheerend und traumatisierend). Vielleicht wäre der Fall des römischen Reichs auch zu verhindern gewesen, wenn es grausamer und weniger großzügig zu „Halberoberten“ gewesen wäre.

Solche Frage sind schwierig zu beantworten, auch deswegen, weil sie von zu vielen Variablen und Faktoren abhängen. Wodaks Behauptung, der Untergang des Römischen Reichs sei auf keinen Fall zu verhindern gewesen, halte ich für extrem unwissenschaftlich und apodiktisch; sie dient offensichtlich nur dazu, Wilders so scharf wie möglich zu kritisieren. Allerdings auf eine Art und Weise, in der Wodak sich selbst lächerlich zu machen scheint. Man kann Wodak als „heroische Rechtspopulismuskritik“ betrachten: sie opfert tapfer ihren eigenen Ruf als Wissenschafterin, um dem Rechtspopulismus oder dem, was sie dafür hält, maximalen Schaden zuzufügen.

Weiters eingehen möchte ich auf „Textbeispiel 5: Jörg Haiders Politik mit der Vergangenheit – kalkulierte Ambivalenz“, Seite 75, Kapitel 3, in Wodaks Buch. Darin heißt es im Originaltext:

´So wurde beispielsweise Jörg Haiders implizite Geschichtsauffassung in einem Interview in der Wochenzeitung Profil vom 21. August 1995 deutlich:

Text 3.5

Haider: „ Ich habe gesagt, dass die Wehrmachtssoldaten die Demokratie in Europa, wie wir sie heute vorfinden, ermöglicht haben. Hätten sie nicht Widerstand geleistet, wären sie nicht im Osten gewesen, hätten sie nicht die Auseinandersetzung geführt, dann hätten wir …“

Profil: „Was heißt ´Widerstand leisten´, das war ja ein Eroberungszug der deutschen Wehrmacht.“

Haider: „Dann müssen wir heute fragen, wie das wirklich war.“ ´

Des Weiteren beißt Wodak sich dann fest am Wörtchen „wirklich“, was für sie diskurstheoretisch legitim erscheint, auch ohne auf den historischen Hintergrund einzugehen. Ich würde diese Interviewpassage eher so interpretieren, dass Haider eher einen Bezug zur antibolschewistischen Strömung innerhalb des Nationalsozialismus hatte, nicht zur antiamerikanischen Strömung innerhalb des Nationalsozialismus. Gerade der von Großbritannien und Frankreich betriebene Versailles-Vertrag von 1919/1920, der sowohl von US-Kongress als auch von den Nazis abgelehnt wurde, hätte eine Basis für ein Bündnis zwischen USA und Nazideutschland darstellen können, wenn die Nazis in anderen Politikfeldern völlig andere Positionen vertreten hätten.

Die Rhetorik von Stalin war durchaus expansiv gewesen, und in der Weimarer Republik hatten sich Nazis und Kommunisten Straßenschlachten geliefert. Der Tatsachenkern, den man bei Haider aufgrund dieser Interviewpassage vermuten kann, scheint sowas wie eine kontrafaktische Aussage der Form „Wenn die Nazis nicht gewesen wären, dann hätte Stalins Sowjetunion früher und weiter in den Westen expandieren können.“ zu sein. Wie viele Was-wäre-wenn-Aussagen ist das schwer zu beurteilen, aber ausgeschlossen ist es nicht. Lenin hatte immer wieder behauptet, dass eine Weltrevolution ohne Deutschland unmöglich sei. Auch dass Stalin interessiert gewesen sei daran, dass Großbritannien und Deutschland sich gegenseitig durch einen Krieg so sehr schwächen, dass einer dieser beiden Staaten oder beide leichte Beute für die Sowjetunion werden, wurde immer wieder vertreten.

Die Positionierung der Rote-Armee-Einheiten 1939-1941 war sehr offensiv, mit einer starken Konzentration an der Grenze, was die vielen Einkesselungen von Rote-Armee-Einheiten durch die Wehrmacht in der ersten Phase des deutsch-russischen Krieges ermöglichte. Die klassische defensive russische Strategie wie in den napoleonischen Kriegen wäre stattdessen gewesen, die Grenze mehr oder weniger unverteidigt zu lassen, die Truppen in der Tiefe des sowjetischen Raums zu staffeln, Gebietsverluste miteinzukalkulieren und auf Abnutzung und „verbrannte Erde“ zu setzen. Die These, der Angriff Nazideutschlands habe zumindest Aspekte eines Präventivkriegs gehabt (was die aggressiven, suprematistischen und expansionistischen Aspekte nicht verdrängen sollte), ist nicht völlig unplausibel, auch wenn Wodak das möglicherweise als übelsten Revisionismus einstufen würde (Verteidigungsminister Doskozil hat übrigens die Gefahr von Fehlwahrnehmungen und Präventivkriegen bei offensiver Positionierung von NATO- und Russland-Truppen als Folge der Krim- und Ukrainekrise thematisiert). Eine Möglichkeit, dieses Haider-Statement zu kritisieren, lässt Wodak übrigens ungenutzt. Selbst wenn die Nazis durch ihren Krieg bewirkt haben mögen, dass zumindest Westdeutschland während dem Kalten Krieg demokratisch blieb, so war der Preis dafür möglicherweise ein zu hoher: die Millionen von Kriegstoten und die Grenzverschiebungen (Verlust von Ostpreussen und Schlesien). Gemäß der Wodak-Definition von Rechtspopulismus, die Grenzverschiebungen bzw. die Forderung danach beinhält, müsste Stalin, der die Grenzen Deutschlands nach Westen verschob, ebenso ein Rechtspopulist sein wie Sowjetpräsident Chruschtschow, der die Übertragung der Krim von Russland an die Ukraine nicht nur forderte, sondern auch durchführte.

In der Folge kritisiert Wodak auch die ihrer Meinung nach „falsche Kausalität“, nach 1945 geborene und sozialisierte wären unfähig, eine Naziideologie zu unterstützen. Die Niederlage der Nazis und insbesondere Hitlers persönlich (der Nationalsozialismus war ja eine stark personengebundene Diktatur) war derart total, da jemand wie Haider, der intellektuell fähig war und persönlich nicht in dieses System eingebunden, kaum in die Versuchung kommen kann, eine Reinform der Naziideologie zu befürworten.

Wodak behauptet weiter, Haider hätte Hitler, Stalin und Churchill auf eine Stufe gestellt. Hätte Wodak Haiders Interviews vorurteils- bzw. wahlkampf-frei gelesen, so wäre sie über eine Passage gestolpert, in der Haider in Zusammenhang mit der Bombardierung Dresdens durch Churchill und Harris (dem Oberbefehlshaber des RAF Bomber Command) von „Notwehrüberschreitung“ (durch Churchill und Harris) gesprochen hatte. Das ist keine Gleichsetzung von Tätern und Opfern, keine Täter-Opfer-Umkehr, wie Wodak behauptet, sondern eine Behauptung einer Verletzung des „ius in bello“ bei gleichzeitigem Gewährleistetsein des „ius ad bellum“ (auch wenn die britische Verteidigung insgesamt legitim war, so waren einzelne Maßnahmen innerhalb dieser illegitim, weil sie das Notwehrrecht überschritten). Die damaligen Area Bombardements waren teilweise sehr unpräzise. Die US-Militärführung hatte die Briten (also Churchill und Harris) gedrängt, das Area Bombardement aufzugeben, die Briten sind erst relativ spät darauf eingegangen.

Auch der damalige Erzbischof von Canterbury, der für Wodak wahrscheinlich nicht im Verdacht steht, ein typischer Vertreter des Naziregimes zu sein, sprach in diesem Zusammenhang davon, durch die Bombardierung von Dresden hätten die Allierten den moralischen Vorsprung gegenüber den Nazis verspielt. Begründet wurde die Bombardierung von Dresden, einer Stadt, bei der fraglich war, ob die angewandte Gewalt dem militärischen Wert angemessen war, insbesondere in Anbetracht des area bombing, einer Stadt, die voll war mit Flüchtlingen von der Ostfront, von Churchill und Harris als Maßnahme zur Demoralisierung der deutschen Bevölkerung und zur Brechung des Widerstandswillens. In Wahrheit dürfte eher der gegenteilige Effekt erreicht worden sein, dass der deutsche Widerstand selbst in aussichtsloser Position sich erhöhte, weil die Allierten als grausam und unversöhnlich gesehen bzw. dargestellt wurden, während ohne Bombardierung Dresdens deutsche Truppenteile wahrscheinlich eher und früher kapituliert hätten, insbesondere bei Kontakt mit den Briten. Die Bombardierung von Dresden wird vielfach als alliiertes Kriegsverbrechen eingestuft, weil die Stadt im Verhältnis zur angewandten Gewalt kaum nennenswerten militärischen Wert hatte, dafür sehr viele gut brennbare Wohnbauten in Holzbauweise oder Teilholzbauweise, die sehr verwundbar waren für die britische Mischung aus Brand- und Sprengbomben. Auch die These, es sei eigentlich Stalin schuld an der Bombardierung von Dresden, weil er im allierten Rahmen um eine Erschütterung der Ostfront gebeten hatte (was Haider übrigens unerwähnt ließ, vielleicht weil das Interview zu kurz war), ist fragwürdig, weil er erstens nicht hinzugefügt (allerdings auch nicht ausgeschlossen) hatte, dass die Bombardierung zivile Ziele eine solche Erschütterung darstellen könnten. Außerdem enthebt Anstiftung zu einer Tat den Täter nicht komplett von Schuld. Die Glorifizierung von Churchill, Roosevelt und Stalin als Sieger im antifaschistischen Weltkrieg legte einen Schleier über diese Fälle alliierter zumindest mutmaßlicher Kriegsverbrechen, was allerdings nichts daran ändert, dass die eher richtige Seite und von Anfang an eindeutig überlegene Seite gewonnen hat. Churchill sagte einmal „It seems to me that the moment has come when the question of bombing of German cities simply for the sake of terror, though under other pretexts, should be reviewed. Otherwise we shall come into control of an utterly ruined land. The destruction of Dresden remains a serious query against the conduct of Allied bombing … I feel the need for more precise concentration upon military objectives such as oil and communications behind the immediate battle zone.”

Meine persönliche Meinung: ich glaube, Churchills Behauptung, die britischen Bombardements würden dazu dienen, den Kriegswillen der Deutschen zu brechen, war nur vorgeschoben. Der wirkliche Grund könnte ein anderer oder zwei andere gewesen sein. Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs wurde Churchill im Rahmen der Alliierten marginalisiert. USA und UdSSR hatten weitaus mehr Bevölkerung und Wirtschaftskraft bzw. –potenzial als das kleine Großbritannien. Churchill wollte aber die Anerkennung Großbritanniens als gleichwertige, dritte Supermacht. Und nachdem alle normalen Mittel, dieses Ziel zu erreichen, gescheitert waren, und Roosevelt und Stalin immer mehr Fragen unter sich ausverhandelten unter Umgehung Churchills, griff Churchill zur Methode, zu versuchen, mit Hilfe von Kriegsverbrechen als ernstzunehmender Partner anerkannt zu werden, was aber nicht funktionierte. Um es in Abwandlung von Talleyrand de Perigord zu sagen: das Handeln von Churchill war schlimmer als ein Verbrechen, es war ein Fehler.

Die andere Theorie beruht darauf, dass Churchill der größere Antistalinist gewesen sei als Roosevelt. Die Bombardierung Dresdens diente laut dieser Theorie dazu, mehr Einfluss auf die Nachkriegsordnung zu bekommen, und eine andere Teilung Europas zu bewirken, mit einer Blockgrenze weiter im Osten. Jedenfalls ändern beide Theorien nichts daran, dass man Churchill genau das völkerrechtswidrige und kriegsrechtswidrige Handeln vorwerfen kann, das man Hitler (öfter) vorwerfen kann. Man kann das als Gleichsetzung von Hitler und Churchill betrachten, aber wohl auch nur, wenn man die Details außer Acht läßt.

Gerade das tagespolitische von Nicht-Historikern (das von Wodak als unumstössliche Wahrheitsquelle dargestellt wird) geschriebene Journal „profil“ wird des Öfteren von Zeithistorikern kritisiert, wie z.B. von Kurt Bauer, der dem profil vorwarf, mit seinen Artikeln, Dollfuss habe die Sozialdemokraten vergasen wollen, die Möglichkeit der Verwendung von nicht-tödlichem Tränengas verschwiegen zu haben. Die implizite Gleichsetzung von christlich-sozialem nicht-tödlichem Tränengas und nationalsozialistischen tödlichem Zyklon B zur Vernichtung kann man auch als Verharmlosung und Relativierung des Nationalsozialismus, ein Tabubruch gemäß der Wodak-Kriterien, betrachten, in diesem Fall ein Tabubruch durch das von Wodak positiv dargestellte Magazin „profil“.

Aber alle diese historischen und rechtlichen Fakten kümmern Wodak nicht, sie stößt sich alleine am diskurstheoretisch angeblich wichtigen Wörtchen „wirklich“, das für sie ein Tabubruch und eine Unsagbarkeit sei.

Auch die Kritik von Wodak an der Haider-Aussage „Wenn Sie so wollen, dann war es halt Massenmord“ am Ende der Interviewpassage, in der er zuvor von sich aus von „eklatanten Verstößen gegen die Menschenrechte“ gesprochen hatte, ist meiner Meinung nach überzogen. Für Haider und jemanden seiner Herkunft und seines Milieus ist das meiner Meinung nach eine ausreichende Distanzierung und ausreichend klare Bezeichnung von Kriegsverbrechen. Aber offensichtlich stellt für Wodak bereits die Bezeichnung von Hitler und Stalin als die beiden größten Kriegsverbrecher der Geschichte eine gefährliche Verharmlosung Hitlers und des Nationalsozialismus dar.

Genau das ist der springende Punkt: wenn man historisch, politikwissenschaftlich und juristisch so ahnungslos ist wie offenbar Wodak, dann fällt es einem oder einer leicht, eine oberflächliche und faktenignorierende Diskurstheorie zu betreiben. Sie ist so gesehen der klassische Fall für eine „displaced authority“, eine angebliche wissenschaftliche Kapazität auf einem Feld, das nicht das ihre ist, und die sich daher in einem Haufen an Fehlern verstrickt.

Zu Kapitel 5:

Hier geht Wodak ein auf den Fall der Argumentation von Nick Griffin, dem Chef der British National Party (BNP), der behauptete, wegen seiner Islamkritik würde sich Winston Churchill heute einer einzigen britischen Partei anschließen können, nämlich der BNP. Wodak bezeichnet diese Argumentation von Griffin als Unterstellung, als regelbrecherische Verschmelzung von Vergangenheit und Gegenwart. Allerdings hat die These von Griffin eine gewisse Plausibilität. Sachliche Argumente, die gegen Griffin sprechen, lässt Wodak unerwähnt, zum Beispiel, dass bei beiden etablierten Parteien in Großbritannien Islamkritik legitimer und stärker vertreten ist, als dies bei ihren kontinentaleuropäischen Schwesterparteien des Fall ist, und dass die stärker islamkritischen Strömungen bei britischen Tories und Labour einer der Gründe dafür sind, warum die BNP nie einen Wahlerfolg hatte, der dem der FPÖ ähnelt. Wodak lässt diese sachlichen Argumente gegen Griffin möglicherweise deswegen unerwähnt, weil sie gegen kontinentaleuropäische Parteien (auch gegen die SPÖ) sprechen könnten.

Churchills Islamkritik passt zu Tony Blair und seinem Irakkrieg besser als zu Corbyn. Aber Tony Blair ist auch wegen des Irakkriegs für die österreichische Sozialdemokratie eine Art Unperson, obwohl er eigentlich einer Schwesterpartei, nämlich der Labour Party angehört. Diese Unperson-Einstufung Blairs widerspiegelt sich auch darin, dass Wodak eine Möglichkeit unerwähnt lässt, Griffin zu kritisieren. Ihre Diskurstheorie ist nicht nur oberflächlich, sie ist auch eingeschränkt, die Analyse selektiv und erfolgt nur dann, wenn sie zu SP-Dogmen passt.

Im selben Kapitel kommt Wodak auch zu sprechen auf den „Cordon sanitaire“, eine informelle und nicht-schriftliche, nicht-bindende Vereinbarung entweder von Parteien, keine Koalitionen mit Rechtspopulisten zu machen, oder von Medien, keine Interviews mit Rechtspopulisten zu machen. Allerdings vernachlässigt Wodak den Hintergrund. Großbritannien und Frankreich (woher der Begriff des „Cordon sanitaire“ stammt) haben Mehrheitswahlrechtssysteme (relatives Mehrheitswahlrecht im Falle von GB, romanisches Mehrheitswahlrecht im Falle von Frankreich), Österreich und Italien haben bzw. hatten im Unterschied dazu Verhältniswahlrecht, oder zumindest stärker verhältniswahlrechtlich geprägte Systeme. Ein „Cordon sanitaire“ (eine „Ausgrenzung“ im FPÖ-Sprachgebrauch) von rechtspopulistischen Parteien ist im Mehrheitswahlrechtsmodus eher durchzuhalten, ohne das Prinzip des demokratischen Wechsels aufzugeben, als im Verhältniswahlrechtskontext. Der europäische Versuch (der EU-14), eine einheitliche „Cordon sanitaire“-Politik, auch getragen von den Sanktionen gegen die schwarz-blaue österreichische Bundesregierung, bevor diese irgendetwas gemacht hatte, über die Verschiedenheiten der Systeme hinweg zu probieren, war meines Erachtens von Vornherein zum Scheitern verurteilt, und dürfte dem Rechtspopulismus eher genutzt als geschadet haben.

Wodak behauptet, die Sanktionen gegen die schwarz-blaue Regierung seien verhängt worden wegen der Befürchtung (auch eine „Politik der Angst“), dadurch könnten rechtspopulistische bzw. -extremistische Parteien anderswo Auftrieb erhalten. Ganz abgesehen davon, dass das nichts direkt mit der schwarz-blauen Regierung in Österreich zu tun hat (die Sanktionen wurden ja auch verhängt, bevor die schwarz-blaue Regierung irgendeinen Beschluss gefasst hatte), war das erstens rechtsstaatlich problematisch und wurde diese Sanktions-Logik zweitens niemals angewandt, wenn die Gefahr bestand, dass die Regierungsbeteiligung von z.B. kommunistischen Parteien linkspopulistischen oder –extremistischen Parteien Auftrieb geben könnte. Wieso muss es einen cordon sanitaire nur gegen rechtspopulistische Parteien, nicht aber gegen linkspopulistische geben ? Hier herrscht bei Wodak nur Schweigen und gähnende Lehre, wohl deswegen, weil sie nur denjenigen bestehenden Diskurs kritisiert, den sie gerade kritisieren möchte.

Die rechtsstaatlichen Mängel vieler EU-Politiken (neben den Österreich-Sanktionen könnte man auch die Russland-Sanktionen nennen) sind (neben Finanzkrise) die Gründe für Euroskepsis. Für Wodak als angebliche Sprachwissenschafterin ist interessant, dass sie das Wort „Skepsis“, das „Zweifel“ bedeutet, im Sinne von (rechts-)extremistischer Gegnerschaft gebraucht. Der ehemalige deutsche Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD), der die Russland-Sanktionen als „dummes Zeug“ bezeichnet hatte und der auch den Österreich-Sanktionen des Jahres 2000 skeptisch gegenüberstand, wäre wohl gemäß Wodak auch ein euroskeptischer Rechtspopulist bzw. –extremist. Dass der Rechtspopulismus auch deswegen so großen Zulauf haben könnte, weil die Linke ein zugkräftiges Thema (nämlich die Islamkritik) den Rechtspopulisten überlässt, ist offensichtlich außerhalb des Denkhorizonts von Wodak. Natürlich könnte man die Forderung nach Vermögenssteuern oder Ähnlichem mit Islamkritik kombinieren, aber der linke Dogmatismus und das traditionell kollektivistische Denken der Linken verhindert das Aufkommen neuer Linksparteien, die dem Rechtspopulismus teilweise das Wasser abgraben könnten. Wodaks These von der Gesamtverschiebung der Parteienlandschaft nach rechts hat etwas für sich, aber auf die Frage, ob Putin und Orban beispielsweise Rechtspopulisten sind oder derartige Züge haben, geht Wodak nicht ein. Die Parteien von Putin und Orban finden sich auch nicht in ihrer Liste rechtspopulistscher Parteien im Anhang. Umgekehrt findet sich die Pegida, die keine Partei, sondern eine Bewegung ist, in Wodaks Liste der rechtspopulistschen Parteien (!).

Zu Putin und der Frage der Russlandsanktionen: es hieß in der Begründung der EU für die Russlandsanktionen, die sogenannte „Krim-Annexion“ durch Russland sei eine Verletzung des Gewaltverbots im Völkerrecht, aber auf der Krim hat die russische Armee keine Gewalt angewandt, sondern man kann höchstens kritisieren, dass sie Gewalt angedroht habe. Wobei die sehr wesentliche Frage offenbleibt, für welchen Fall. In der EU wurde suggeriert, die russische Armee habe Gewalt angedroht für den Fall, dass die Bevölkerung der Krim falsch abstimme, d.h. sich gegen den „Anschluss“ (ich verwende absichtlich wegen der vielen Putin-Hitler-Vergleiche den mit dem Nationalsozialismus verbundenen Begriff) an Russland ausspreche. Die Erwägung, dass die russische Armee auf der Krim Gewalt androhte für den Fall, dass die ukrainische Armee das Referendum auf der Krim, das aufgrund der ukrainischen Verfassung verfassungswidrig wäre, mit Gewalt zu verhindern versuche, wurde in der EU nicht angedacht, möglicherweise, weil man Putin als Wahlkampf-Feindbild für die EU-Wahl brauchte, um den Aufstieg des Rechtspopulismus in Grenzen zu halten. Allerdings haben (Wahlkampf-)Lügen kurze Beine, und die Frage, die der deutsche Bundespräsident Johannes Rau (SPD) im Jahr 2000 intern stellte „Was soll das Konzept sein, wenn die Sanktionen nicht zum Sturz der österreichischen Regierung führt ?“ lässt sich auch im Fall der Russlandsanktionen stellen „Was soll das Konzept sein, wenn die Sanktionen nicht zum Rückzug Russlands aus der Krim oder zum Sturz Putins führen ?“.

Kurioserweise oder auch nicht reagierte die EU in orwell´scher Manier (Wodak betrachtet die Anwendung orwell´scher Doppelsprechs als Praxis, die einzig und alleine Rechtspopulisten verwenden): sie behauptete, nachdem die Sanktionen, die den Rückzug Russlands aus der Krim bewirken sollten, gescheitert waren, sie wären gar nicht wegen der Krim verhängt worden, sondern zur Umsetzung des Minsk-Prozesses, der allerdings erst nach der Verhängung der Russland-Sanktionen stattfand. Dies ist eine nachträgliche Umschreibung der Geschichte, so wie in den „Wahrheitsministerien“ der totalitären Staaten, die Orwell in seinem Roman „1984“ beschrieb. Auch der sogenannte Minsk-2-Friedensprozess hat massive Fehler: sowohl die im Minsk II-Vertrag vorgesehene lange Umsetzungsfrist als auch die aus Sicht der Frontverkürzung militärisch unlogische Debalzewo-Ausbuchtung (deren offensichtlicher Zweck Durchschneidung der Verbindung zwischen Donezk und Lugansk ist, was de facto kriegsprovozierend und –verlängernd sein dürfte), kann man als im „Geneva Statement on Ukraine“ verbotene Kriegsprovokation betrachten.

Wodak wirft der BBC vor, den Cordon Sanitaire gegenüber der extremen Rechten gebrochen zu haben. Aber die Frage, ob die Finanzkrise eine derart massive Diskreditierung der etablierten Parteien darstellte, dass der Cordon Sanitaire unhaltbar geworden war, stellt Wodak sich gar nicht. Meiner Meinung nach ist die Entscheidung der BBC zu diesem Zeitpunkt, Griffin eine Bühne zu bieten (die durchaus mit seiner eigenen Entzauberung und Beschädigung enden kann), durchaus nachvollziehbar, insbesondere in Anbetracht der zeithistorischen und internationalen Hintergrunds. Ähnlich absurd wie Wodaks Vorwürfe gegenüber der BBC wäre es wohl, dem deutschen Bundesverfassungsgericht einen Bruch des Cordon Sanitaire vorzuwerfen, nur weil es 2014 die Fünfprozenthürde für EU-Wahlen aufgehoben hatte und damit rechtsextremen Parteien den Einzug in das EU-Parlament ermöglicht hatte, auch dann, wenn sie weniger als 5% erreichen.

Der mediale Cordon sanitaire ist nicht nur aufgrund der Medienvielfalt brüchig, sondern auch, weil er im Widerspruch zum journalistischen Ethos steht: in den 90er Jahren dominierte die Zerrissenheit „Soll man wahrheitsgemäß, objektiv, genau und differenziert darüber berichten, was Haider sagt, und ihm damit neue Wähler zutreiben, oder soll man seine Position mit Spin, verdreht, wiedergeben, um seine Wahlerfolge zu verhindern ?“ die mehrheitlich linke österreichische Medienszene (ob auch die Wissenschafterszene mehrheitlich links sei und durch ähnliche Phänomene gekennzeichnet sei, lasse ich dahingestellt). Versuche (ähnlich den von Wodak geforderten Cordon-sanitaire-Konzepten), allen Medien eine Art Totschweigegebot aufzuerlegen, haben etwas totalitäres und führen zu „Lügenpresse“-Vorwürfen und –stimmungen, die erst recht zum Aufstieg des Rechts-Populismus bzw. –Extremismus führen, den bzw. die man verhindern will.

Wodak zitiert weiters offensichtlich wohlwollend das österreichische Verbotsgesetz, bei dem es im §3g heißt: „Wer sich auf andere als die in den §§3a bis 3f bezeichnete Weise im nationalsozialistischen Sinn betätigt, wird, …. , mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren, bei besonderer Gefährlichkeit des Täters oder der Betätigung bis zu 20 Jahren.“

Die Formulierung der „anderen als der erwähnten Weise“ widerspricht dem Bestimmtheitgebot und ist so gesehen möglicherweise verfassungswidrig. Man kann es als Willkürgesetz betrachten, das sehr weitgehende Haftstrafen auch ohne gesetzlich präzisiertes Delikt ermöglicht. Zusammen mit den Todesstrafen gegen Nazis durch sogenannte „Volksgerichtshöfe“ stellt dieses Gesetz wahrscheinlich „überschiessenden Antifaschismus“ dar, und mag möglicherweise in einer Nazihysterie unmittelbar nach dem Krieg verständlich sein, könnte sich aber als eines Rechtsstaat unwürdig erweisen. Bis zu 20-jährige Haftstrafe ohne ein gesetzlich präzise definiertes Delikt ist ein Tabubruch mit der europäischen Rechtsstaatgeschichte und ein ziemlich einzigartiger Fall, der europaweit keinen Vergleichsfall hat. Die Willkürlichkeit und Unpräzisiertheit dieser „nicht erwähnten Wiederbetätigung“ verleitet linke bis linksextreme Gruppen immer wieder dazu, zu behaupten, Richter und Staatsanwälte, die dieses Gesetz wegen der rechtsstaatlichen Mangelhaftigkeit nicht anwenden, seien Rechtsextreme im Staatsapparat.

Bis zu 20 Jahren Haft für eine Aussage werden von vielen als unverhältnismäßig eingestuft. Hinter der Position, ob man bis zu 20-jährige Haft für Holocaustverharmlosung als verhältnismäßig oder nicht einstuft, scheint auch die Frage zu stehen, ob man ein Wiederauferstehen des Nationalsozialismus für möglich hält oder nicht. Strafen nicht an objektiven und nachweisbaren Delikten aus der Vergangenheiten, sondern an Befürchtungen der Nationalsozialismuswiederauferstehung zu orientieren, widerspricht auch rechtsstaatlichem Denken. Dass David Irving seine Thesen überall in Europa straflos äußern kann, nur in Österreich nicht, wo er verhaftet werden musste, gibt dem österreichischen Verbotsgesetz den Eindruck eines extrem harten Gesetzes, das eher stalinistisch als demokratisch ist, und tatsächlich entstand dieses Gesetz, als die Stalin befehlsunterworfene Rote Armee Wien kontrollierte, ein Faktum, das Wodak „logischerweise“ unerwähnt lässt. Die Vermutung, hinter Wodaks Rhetorik stünde der Versuch einer Stalinismusverharmlosung, ist daher nicht völlig von der Hand zu weisen.

Auch die Struktur des Verbotsgesetzes ist rechtssystematisch unlogisch. Jeder einigermassen normale Jurist, der das Verbotsgesetz inhaltlich befürwortet, hätte den §3h in die vorangestellte taxative Aufzählung §3a-3f hineingenommen, und nicht diese seltsame Struktur Aufzählung-Sanktion-Ausnahmen (die in der Aufzählung unerwähnt blieben) verwendet.

Jeder einigermaßen normale Jurist bzw. –in würde sich hier fragen: „Was ist denn das für ein seltsames Gesetz ? Was haben die sich dabei eigentlich gedacht ?“ Diese Frage ist durchaus berechtigt. Derartige Systemwidrigkeiten können ein Hinweis darauf sein, dass die entsprechenden Gesetze erpresst wurden, d.h. entweder ohne inhaltliche Zustimmung der beschließenden Parlamente oder sogar gegen die inhaltliche Ablehnung der beschließenden Parlamente erfolgten, im Rahmen von Realpolitik, sich einer übermächtigen ausländischen Macht zu beugen, oder sie zu einem Deal zu bewegen. In Wirklichkeit scheint der Fall des Verbotsgesetzes ein Fall zu sein, der hundertprozentig in das Wodak-Analyse-Schema der kalkulierten Ambivalenz passt, ohne dass Wodak das merkt. Es ist wahrscheinlich eine kodierte Botschaft, die zum Analysieren provozieren soll (kodierte Botschaften sind – anders, als Wodak das darstellt - oft eine Methode der Schwächeren, der Erpressten). In diesem Fall soll wohl das Recherchieren der zeithistorischen Hintergründe provoziert werden, womit sich wieder einmal Wodaks Methode der oberflächlichen Analyse des Diskurses als unzureichend erweisen würde.

Es stimmt zwar, dass in anderen europäischen Ländern ähnliche Gesetze existieren, aber beispielsweise das französische Gesetz ist insofern besser und lagerneutral, weil es die Leugnung jedes Massenmords / Völkermords unter Strafe stellt, auch beispielsweise des Holodomor, der von Stalin angeordneten, künstlichen Hungersnot in der (West-)Ukraine. Dass die Rechte sich als Opfer linker Politgesetzgebung sieht und dadurch einen Märtyrer- bzw. Opferbonus lukriert, wie in Österreich, kann in Frankreich daher nicht passieren. Wodaks Fokussierung auf den Holocaust bei gleichzeitigem Verschweigen aller anderen Völker- und Massenmorde läuft Gefahr, ihre Glaubwürdigkeit zu beschädigen und den Eindruck zu erwecken, sie würde als Jüdin eigene Traumata bearbeiten und den Holocaust, dessen Opfer nicht nur, aber überwiegend Juden waren, überbewerten, aber vergleichbare Fälle ignorieren. In diesem Zusammenhang kann ich auch der von Wodak zustimmend zitierten Tony Judt-These, dass der Holocaust unterbewertet und totgeschwiegen würde, nicht zustimmen.

Kritik an einem einzigen Juden, bzw. an einer kleinen Gruppe von einzelnen Juden, ist nicht per se und eindeutig antisemitisch. Es mag sein, dass hinter Kritik an einem einzelnen Juden manchmal Antisemitismus steckt, aber eine eindeutige antisemitische Einstellung ist Kritik an einem einzelnen Juden a priori noch nicht. Wodaks Kritik an der österreichischen Justizministerin und der österreichischen Staatsanwaltschaft, sie würden Opfer von Straches Leugnungsstrategie werden, wenn sie sich an die seit Jahrzehnten bestehende Judikaturlinie halten, dass Verhetzung nur vorliege, wenn gegen die gesamte Gruppe Stimmung gemacht würde, ist überzogen.

Zu Kapitel 6: „Performance in den Medien: Politik und Charisma“

Zunächst fokussiert Wodak sich auf ein Wahlkampfplakat des NPD-Politikers Jens Gatter, allerdings in einer oberflächlichen Weise. Der Slogan „Ich sage, was Sie denken“ macht ohne den Kontext gar keinen Sinn. Um wirklich beurteilen zu können, hätte Wodak die wichtigsten Aussagen dieses Politikers vor diesem Wahlkampfplakat mitliefern müssen, was sie aber nicht tat. Sie verzettelt sich durch Lieferungen möglichst vieler Beispiele in Oberflächlichkeit, die einzigen positiven Attribute, die man ihr attestieren kann, sind Fleiß und Bemühtheit, aber wissenschaftliche Methodik sieht anders aus.

Ob der „Sie“-Begriff in diesem Gatter-Plakat sich an das ganze Volk, oder nur an einen klitzekleinen Teil desselben am rechten Rand richtet, bleibt, anders als Wodak behauptet, offen.

Wodak hat generell ein Faible für Wahlkampfplakate, die naturgemäß oberflächlich und vereinfachend sind, und das nicht nur bei rechtspopulistischen Parteien, so wie Wodak behauptet, sondern bei fast allen Parteien. Eines der ganz wenigen Gegenbeispiele wäre vielleicht ein sehr textlastiges Plakat des Grünpolitikers Johannes Voggenhuber aus einem EU-Wahlkampf gewesen, das allerdings soviele Themen ansprach, dass jedes einzelne wieder nur oberflächlich und vereinfachend behandelt werden konnte. Wodak scheint an Wahlkampfplakate Forderungen zu stellen, die nur eine 180-seitige Dissertation erfüllen kann, was allerdings ein Ding der Unmöglichkeit ist, und die Realität des Wahlkampfplakats und seiner sloganistischen Verkürzung negiert. Die Verkürzungstendenz ist allerdings auch ein darüber hinaus gehendes Medienphänomen. Wenn die Gesamtleistung eines Politikers bzw. einer Politikerin nichts zählt, sondern nur das zehnsekündige Soundbite, das in den Nachrichten vorkommt, dann stellt sich die Frage, ob Demokratie und Medienrealität überhaupt vereinbar sind. Rechtspopulistischen Parteien, die im Vergleich zu etablierten Parteien schlechteren Medienzugang haben, muss man zugute halten, dass die kalkulierte Provokation eine der wenigen Möglichkeiten für sie ist, überhaupt in den Medien vorzukommen. Während man bei Wodak den Eindruck erhält, Wahlkampfplakate (insbesondere bzw. ausschließlich rechtspopulistische) seien reine Vereinfachungen bzw. Konstruktionen, haben viele Andere eine völlig andere Einschätzung von Wahlkampfplakaten: sie würden hauptsächlich der Mobilisierung dienen, der eigenen Funktionäre sowie der Wähler, sie hätten gar keinen Anspruch darauf, eine wissenschaftliche Arbeit zu sein, sondern würden hauptsächlich der Erinnerung und Vertiefung dienen. Das grüne Miethai-Wahlkampfplakat des Wienwahlkampfs 2015 beinhielt übrigens einen Mensch-Tier-Vergleich, der den Mensch-Tier-Vergleichen der Nazirhetorik (Juden=Ratten) ähnelte, die Wodak heftig kritisiert.

Es ist erstaunlich, dass Wodak, die sich intensiv mit Wahlkampfplakaten und Ähnlichkeiten mit dem Nationalsozialismus beschäftigt, diese Ähnlichkeiten unerkannt bleiben sollte, aber wenn man Ähnlichkeiten eben nur selektiv sucht, dann findet man sie eben auch nur selektiv. Auch auf linke Mensch-Tier-Vergleiche (Rechtspopulisten sind Rattenfänger, ihre Wähler sind Ratten), die eine Ähnlichkeit mit den Juden-Ratten-Vergleichen der Nazis hatten, geht Wodak nicht ein, wie beim Tina-Lesch-Song, mit dem Wodak im Rahmen der Ö1-Sendung „Sonntagsfrühstück“ konfrontiert wurde. Wissenschaftlichkeit würde umgekehrt bedeuten, dieselben Kriterien an alle anzuwenden, Regelverletzungen bei allen zu kritisieren, unabhängig davon, ob sie links oder rechts sind oder zu sein angeben. Wodak kritisiert den Mensch-Schädlings-Vergleich selektiv, nur dann, wenn rechte ihn verwenden, z.B. wenn die die ungarische Partei Jobbik auf Wahlkampfplakaten Menschen und Mücken gleichsetzt. Dass der Rattenbegriff (Ratten plünderten die Getreidevorräte und wurden daher genauso als Schädlinge betrachtet) sich auch in der Rechtspopulismuskritik findet, in der Kritik an den rechtspopulistischen „Rattenfängern“ und der Bezeichnung von Rechtspopulisten-Wählern als „Ratten“, die in der Rechtspopulismuskritik häufig ist, bleibt bei Wodak unerwähnt. Was sich hier als (allgemeine) Diskurstheorie ausgibt, ist in Wirklichkeit eine extrem selektive, einseitige, mangelhafte und doppelmoralische Teildiskurstheorie, in seiner Oberflächlichkeit genauso undifferenziert wie die kritisierten Wahlkampfplakatvereinfachungen.

Auf Seite 148 schreibt Wodak: ´ „Wiederholung als rhetorisches Mittel“ wurde also zum festen Bestandteil der rhetorischen Marke FPÖ.“ Ihre Sicht auf die Politik ist wie so oft eine zu kurz gegriffene. „Stay on the message“, das Hämmern und Wiederholen von Inhalten und Positionen der Parteien ist bei allen politischen Parteien zu finden, nicht nur österreichweit, sondern auch weltweit. Wodak wirft der FPÖ bzw. rechtspopulistischen Parteien Dinge vor, die charakteristisch sind für alle (erfolgreichen) Parteien.

Auch Anti-Intellektualismus und Antielitismus, laut Wodak ein Spezifikum rechtspopulistischer Parteien, ist auch anderswo zu finden. Barbara Tuchmans „Torheit der Regierenden“, Samuel Huntingtons Kritik an den „Davos-men“ und J.J. Mearsheimers Kritik an den US-Demokraten wegen Realismusmangel und „liberal prejudice“ können als laut Wodak-Definition als rechtspopulistische und antiintellektuelle bzw. antielitistische Beispiele aus dem akademischen Bereich eingestuft werden. Alle Drei sind bzw. waren Universitätsprofessoren. Bei Mearsheimer, dessen Buch „The Israel-Lobby“ verschiedentlich als antisemitisch eingestuft wurde (auch wenn es zahlreiche Gegenstimmen gab), kommt noch das Wodak´sche Antisemitismuskriterium hinzu.

Kritik am Universitätsbetrieb bezeichnet Wodak als „Arroganz der Ignoranz“. Aber de facto läuft im Universitätsbetrieb mehr falsch, als sie zuzugeben bereit bzw. zu erkennen fähig ist. Sie selbst ist ein Beispiel dafür, dass Universitätsprofessoren sich gegenseitig zitieren, um damit von der Dürftigkeit der Thesen abzulenken und unter Berufung auf die angebliche Wissenschaftlichkeit der Zitierten sich die Auseinandersetzung mit Gegenargumenten, anderen Sichtweisen und Fakten zu ersparen. Durch die wechselweise Zitierung fragwürdiger Studien, die die Auseinandersetzung mit Gegenargumenten verdrängt, wird eine kohärenztheoretische Scheinobjektivität erzeugt, die praktisch ohne einen korrespondenztheoretischen Zusammenhang mit der Wirklichkeit auskommt.

Aber zurück zum Thema „Charisma“: Wodaks Charisma-Theorie ist wie so vieles fragwürdig. Laut ihr ist Charisma reine Medien- und Wahlapparat-Konstruktion, die einfach dekonstruiert werden kann. Sie beruft sich auf Eatwells Charismadefinition, die Trivialitäten enthält wie „Charismatische Persönlichkeiten besitzen eine starke persönliche Anziehungskraft, die häufig als ´Magnetismus´ beschrieben wird“, was wohl nichts anderes bedeutet als „Charismatische Persönlichkeiten besitzen Charisma“. Über das Wesen des Charismas ist damit gar nicht gesagt.

Zahlreiche Charisma-Definitionen lässt Wodak unerwähnt. Martin Luther King beispielsweise behauptete, Charisma sei gezügelter Zorn auf wirkliches Unrecht. Damit wäre auch eine mögliche Erklärung gefunden, dass Charismatiker eher Männer sind, weil ihr Testosteron-Spiegel Zorn erleichtert. Da aber aus Wodaks Sicht Männer gar nicht bevorzugt sein dürfen, muss sie Charisma zur reinen Konstruktion erklären, ähnlich wie sie auch Fremdheit zur reinen Konstruktion erklärt. Alles, was einem nicht in Konzept passt, zur reinen Konstruktion zu erklären, mag zwar wegen der verwendeten Latinismen pseudoakademisch klingen, eine wissenschaftliche Methodik ist das nicht.

Viele Charismatheorien besagen, Charismatiker würden über regelfremdes zw. regelbrechendes, aber dennoch überzeugendes Denken und Handeln verfügen und über die Fähigkeit, selbst neue Logiken und Mechanismen zu entdecken und anzuwenden. Mit anderen Worten: gerade das Tabubrecherische, das laut Wodak negativ und rechtspopulistisch ist, wird von vielen Charismatheorien als positiv und innovativ eingestuft. Zudem ist Wodaks Verwendung des Tabu-Begriffs sehr links-rechts-parteiisch. Im Unterschied zu den Brüchen linker Tabus durch rechte Politiker hat Wodak das noch nie als „bösen Tabubruch“ eingestuft, wenn ein linker bzw. linkspopulistischer Politiker „rechte“ Tabus brach. Sie macht die eigene parteipolitische Brille und Voreingenommenheit zum Maßstab für Wissenschaftlichkeit.

Die christlichen Wurzeln des Charismas finden sich im 12. Kapitel von Paulus´ Erstem Korintherbrief: er spricht darin von (gottgegebenen) Geistesgaben, die ungleich verteilt sind: er nennt Weisheit, Erkenntnisgabe, Heilungsgabe, und im weiteren Prophezeiungsgabe, Geistesunterscheidungsgabe, Gabe des Umgangs mit Sprache und Sprachen sowie Auslegungsgabe.

Damit wird etwas angesprochen, das Wodak unerwähnt lässt: den Zusammenhang von Charisma und Intelligenz, bzw. Weisheit und Klugheit. Wodaks Position, Charisma sei eine Konstruktion von Medien (über die rechtspopulistische Parteien ironischerweise entweder gar nicht oder in viel geringerem Maße als etablierte Parteien verfügen), ist so gesehen eine absolute Außenseiterposition, und hat so gesehen ironischerweise etwas tabu- und regelbrechendes, womit Wodak ihr eigenes Rechtspopulismuskriterium erfüllt.

Meiner Meinung nach erzeugt gerade die „Ausgrenzung“, gerade der Cordon sanitaire Charisma. Der (männliche ?) Zorn über die Ausgrenzung führt dazu, dass insbesondere Männer intensiv darüber nachdenken, wie sie sich am ausgrenzenden System rächen können. Und dadurch kommen sie auf neue, interessante und zumindest einigermassen stimmige Ideen, die Andere faszinieren. Charismatiker faszinieren nicht bzw. nicht allein dadurch, dass sie etwas Hundertprozentig Richtiges gesagt haben, das schon tausendmal gesagt wurde, sondern sie faszinieren dadurch, dass sie etwas einigermassen Richtiges sagen, das noch niemand gesagt hat. Und Charismatiker haben starke eigene Überzeugungen, die sie nicht aufzugeben bereit sind, über die sie auch kaum schweigen können. Sie brauchen daher viel Bewegungsfreiheit für eigene Initiativen. Das war einer der Gründe, warum ich meine Partei extrem föderalistisch gestaltete. Die Statuten meiner Partei sind wahrscheinlich die föderalistischsten aller Parteien in ganz Österreich, und ein Grund dafür ist die höhere Wahrscheinlichkeit, dadurch Charismatiker oder –innen auf Landesebene zu gewinnen. Street credibility hat auch die Gangster-Rap-Gruppe „Public Enemy“ mit ihrem Album „Rage against the machine“. Zorn, Rebellion, Gangstertum, Gangsterrap sind männlich-dominiert und erzeugen eine mann-männliche Faszination, die auf Frauen entweder gar nicht wirkt oder abstoßend wirkt.

Henry Kissinger sagte einmal: „A man is not a leader unless he is willing occasionally to stand absolutely alone“. Der charismatische politische Führer als erstens Mann und zweitens Einzelgänger, oder jemand der bereit ist zum Alleingang. Der Tabubruch (das absolute Alleinstehen) ist gemäß der Kissinger-Definition nicht schlecht, sondern möglicherweise ein Ausweis dafür, dass man ein politischer Führer ist. Dieses Kissinger-Zitat war übrigens Trost für mich in Zeiten der politischen Einsamkeit.

Ein Abschnitt in Kapitel 7 dreht sich um „Die Schweizer Debatte über Minarette“, bei dem es um die Schweizer Minarettsverbots-Volksabstimmung vom November 2009 geht. Wodak spricht von einer „identitären Strategie der Schweizer Rechtspopulisten“ (gemeint ist die SVP). Mit dem Begriff „Identitär“ will Wodak die SVP möglicherweise in ein rechtsextremes Eck rücken, obwohl die SVP keine Verbindung zu den „Identitären“, die vielfach als rechtsextrem eingestuft werden, hat. Wodak behauptet, die SVP würde ein Plakat einsetzen, das eine Schweizer Fahne zeigt, die von Minaretten durchbohrt wird, die an Raketen erinnern. Dass Minarette eine entfernte Ähnlichkeit mit Marschflugkörpern haben, ist sicherlich nicht ein böse Intrige und Manipulation der SVP. Den Vergleich Minarett=Rakete und die Behauptung, die Minarettraketen würden die Schweizer Fahne durchbohren, findet sich bei Wodak als einziger mir bekannter. Sie schafft durch ihre seltsame Art der Analyse eine Sicht auf die SVP, auf die ein normaler Mensch wahrscheinlich gar nie kommen würde. Wenn es um militärisch-religiöse Metaphern und Vergleiche geht, für die Wodak als angebliche Sprachwissenschafterin und Diskursanalytikerin besonders kompetent zu sein behauptet, dann müsste sie eigentlich den Spruch des türkischen Präsidenten Erdogan (der einer islamischen Partei entstammt) aus dem Jahr 1997 kennen: „Die Demokratie ist nur der Zug, auf den wir aufsteigen, bis wir am Ziel sind. Die Moscheen sind unsere Kasernen, die Minarette unsere Bajonette, die Kuppeln unsere Helme und die Gläubigen unsere Soldaten.“ Aber diesen Erdogan-Spruch verschweigt Wodak, obwohl sie alt genug ist, ihn zu kennen, im Gegensatz zu den jungen Musliminnen, die ihren Vortrag im Rahmen des Sir-Peter-Ustinov-Instituts anhörten. Es ist nun einmal so, dass der Islam sich nicht wie das Christentum friedlich innerhalb eines Reiches (nämlich des Römischen) ausbreitete, sondern militärisch. Und es ist nun einmal so, dass sich im Koran zahlreiche Stellen finden, die zur Gewalt bzw. zur Tötung Andersgläubiger aufrufen, auch wenn Wodak dies negiert oder verschweigt. Die Verschleierung der islamischen Frau ist das sichtbarste Zeichen des Islam, und in zahlreichen islamisch-dschihadistischen Kulturen ist eine Hauptrolle der Frau die der Gebärerin von zukünftigen Dschihadisten, auch wenn diese Wirklichkeit weit von der entfernt ist, die Wodak gewohnt ist. Die hohe Geburtenrate in vielen islamischen Kulturen, die auch mit der Unterdrückung der Frau im Islam bzw. vielen islamischen Kulturen zusammenhängt (Koransuren sprechen von der Frau als „Acker“, als „Saatfeld“, das der Bauer Mann nach Belieben durchpflügen darf, durch diesen Koran-Vergleich Vagina=Ackerfurche wird die Frau zur willenlosen Sache), ist einer der Gründe für in der Tat einigermaßen berechtigte Überfremdungs- und Verdrängungsängste, und damit den Aufstieg des Rechtspopulismus überall, nicht nur in Österreich und der Schweiz. Eine überraschende Ausnahme von den islamischen Ländern mit extrem hohen Geburtenraten ist übrigens der Iran, vielleicht ist das eine Spätfolge der westlichen Ehe, die Schah Reza Pahlevi und seine Frau Farah Diba führten. Auch die Ereignisse der Silvesternacht in Köln 2015/2016, massenhafte sexuelle Übergriffe kombiniert mit Raub- und Diebstahlsdelikten, ausgeführt von Männern, die geprägt waren durch islamische Kulturen, dürften zusammenhängen mit der Unterdrückung der Frau im Islam. Im schiitischen Islam herrschen die Männer, um Mullah oder Ajatollah werden zu können, muss man Mann sein. Frauen wird die Fähigkeit zur Führungsrolle abgesprochen.

Meiner Meinung nach spielten die extrem hohen Geburtenraten in islamischen Kulturen, die mit der islamischen Unterdrückung der Frau zusammenhängen und die damit verursachten Verdrängungsängste bei Christen, sowohl im ersten Balkankrieg 1912-1913 als auch im Bosnienkrieg 1991-1995 eine Rolle bei der Entstehung von Kriegsverbrechen serbischer Truppen bzw. Freischärlergruppen.

Ich habe Ende 2015 im Anschluss an einen Ruth Wodak-Vortrag „Politik der Angst – die diskursive Konstruktion von Fremdheit“ im Rahmen des Peter-Ustinov-Instituts Anzeige wegen Verdachts der Verhetzung erstattet, bzw. zu erstatten versucht, die offenbar nur deswegen nicht erfolgreich war, weil die Teilnehmerzahl zu gering war, statt der damals erforderlichen 100 Teilnehmer waren nur ca. 40 anwesend. Derselbe Wodak-Vortrag hätte nach dem Jahreswechsel 2016 wegen der Teilnehmerzahlsenkung auf 30 möglicherweise die Kriterien für Verhetzung erfüllt. Von den ca. 40 Teilnehmern beim Wodak-Vortrag waren ca. 15 Musliminnen. Wodaks fragwürdige Behauptungen wiederum, erstens, die SVP sei eine männliche-chauvinistische Partei (ein Gegenargument, nämlich dass die SVP die erste Schweizer Partei war, die eine Frau, nämlich Eveline Widmer-Schlumpf, zur Finanzministerin und Bundespräsidentin machte, verschweigt Wodak), zweitens, das SVP-Plakat zeige muslimische Minarett-Raketen, die die Schweizer Fahne durchbohren (die Schweizer Fahne als Vaginasymbol, und die angeblichen Minarett-Raketen als Penissymbole, die die Fahnenvagina im Gang-Bang-Style durchbohren), drittens, die SVP sei rassistisch-islamfeindlich, könnte bei Vergewaltigungsopfern oder ihren Sympathisanten bzw. –innen eine Vergewaltigungsangst (auch das ist wohl „Politik mit der Angst“) bzw. bei Musliminnen eine Ausgrenzungsangst auslösen, die zu Attentaten oder Morden an Rechtspopulisten führen kann. Dem Mord am holländischen Rechtspopulisten Pim Fortuyn 2002 war auch eine „Stoppt den holländischen Haider !“-Kampagne von Teilen der holländischen Linken vorausgegangen. In der Folge meiner Anzeige bzw. meines Anzeigeversuchs präzisierte die SVP in ihrer folgenden Volksabstimmungskampagne (der „Durchsetzungsinitiative“), dass es sich beim strittigen (sowohl in Wodaks Texten als auch in meinem Anzeigetext vorkommenden) Plakat mit dem schwarzen Schaf nicht um eine rassistische Behauptung handelt, sondern um einen reinen Bezug auf Kriminalität. Auch die Formulierung „schwarzes Schaf der Familie“ weist darauf hin, dass es sich nicht um Rassismus handle. Bestenfalls könnte Wodak behaupten, es handle sich um ambivalente Rhetorik, die eine rassistische und eine nicht-rassistische Interpretation offen lässt. Es stellt sich die Frage, ob nicht ein Holocaust-Trauma hinter der Tendenz vor Wodak steckt, in jeder rechtspopulistischen Partei einen Wiedergänger des Nationalsozialismus zu sehen. Hannah Arendt mit ihrer „Coolness“, Adolf Eichmann (der im Rahmen der nationalsozialistischen Judenvernichtung eine Rolle spielte und von Israelis entführt wurde, um ihm den Prozess zu machen) mit der Formulierung „Die Banalität des Bösen“ zu bedenken (was in großen Teilen der jüdischen Community einen Shitstorm auslöste), wäre das Gegenbeispiel einer intellektuell-coolen Jüdin und somit eine radikale Gegenposition zu Wodaks Rechtsextremismus-Hysterie. Gerade Jörg Haider, für Wodak der Archetyp des Rechtspopulisten, kam aus einer Familie mit Nazitradition, aber dennoch sollte man keine Kollektivschuld und nazi-ähnliche Sippenhaftung geltend machen und behaupten, Haider sei ein Nazi, nur weil seine Eltern NSDAP-Mitglieder waren.

Was die konkrete Niederschrift betrifft, so entstand dieser Text von mir wenige Tage bevor, bzw. wenige Tage, nachdem ein Mitglied der Identitären durch einen Stein- und Kübelwurf von einem Dach schwer körperverletzt wurde. Es stellt sich die Frage, ob Ruth Wodak „ideologische Wegbereiterin des linksextremen Terrors“ genannt werden darf, ähnlich wie es erlaubt war, Jörg Haider als „ideologischen Wegbereiter des rechtsextremen Terrors“ zu bezeichnen. Tötung oder Tötungsversuche an angeblichen oder wirklichen Rechtsextremen kann man als dem angeblichen „antifaschistischen Grundkonsens“ entsprechend betrachten, der eine Erweiterung des von Wodak geforderten Cordon sanitaire darstellt. Gerade die vielen Haider-Hitler-Vergleiche legten nahe, dass einzig und alleine militärische Gewalt den angeblichen oder wirklichen Faschismus bzw. Faschismuswiedergänger aufhalten kann. Der Mord an Pim Fortuyn 2002, dem eine von Links kommende „Stoppt den holländischen Haider !“-Kampagne (ursächlich?) vorausging, hätte warnendes Menetekel sein können, war es aber nicht.

Auch Wodaks Behauptung „Diese Art von Diskurs macht es jedoch praktisch unmöglich, die Islam-interne Situation zu besprechen, weil jedes Beispiel unweigerlich das insgesamt negative Bild des Islam stärken würde.“ zeigt offenbar eine undemokratische Tendenz, die wieder getragen ist von Sprechverboten, Unsagbarkeiten, Tabus und Ähnliches. „Über die Unterdrückung der Frau im Islam darf man nicht sprechen, weil das das insgesamt negative Bild des Islam stärken würde“ ???? Ich glaube, eher das Umgekehrte könnte zutreffen: die Weigerung großer Teile der Linken, die Missstände im Islam anzusprechen, gibt den Rechtspopulisten ein Themenmonopol in die Hand, das zu genau den rechtspopulistischen Erdrutschwahlsiegen führt, die linke Diskurstabustrategien wegen Hegemonieverlusts letztlich sinnlos machen.

In Kapitel 8 behauptet Wodak, mit der Bildung der Koalition aus ÖVP und FPÖ sei „ein wichtiges Tabu Nachkriegseuropas zum ersten Mal gebrochen worden“. Diese Aussage ist zumindest fragwürdig, wenn nicht eindeutig falsch. Bereits 1983 bis 1986 bildeten SPÖ und FPÖ eine Koalition, auch damals hatte die FPÖ einen eindeutigen nationalen Flügel, der mit dem Nationalsozialismus wegen der größeren zeitlichen Nähe viel enger verbunden war als die Strache-FPÖ heute. Einen totalen Bruch zwischen der damals von SPÖ-nahen Medien und Wissenschaftern als relativ positiv bewerteten angeblich liberalen FPÖ, insbesondere Norbert Steger und der FPÖ gab es nie. Steger und seine Tochter sind auch heute noch in der FPÖ aktiv. Ebenso ist die „heimliche Koalition“ zwischen SPÖ und FPÖ 1970-1971 ein möglicher Präzedenzfall einer Zusammenarbeit mit der FPÖ, damals geführt vom Ex-SS-Mann Friedrich Peter, dessen Verwicklung in tatsächliche Kriegsverbrechen oftmals Thema war. Eines der Probleme mit diesem angeblichen „Tabu“ ist, dass es nicht kodifiziert und präzisiert ist, sondern ein vages Konzept, von dem niemand genau sagen kann, ob nun die Unterstützung einer Minderheitsregierung durch eine rechtspopulistische bzw. rechtsextreme Partei eine Tabuverletzung sei oder nicht. Dieses Unpräzisiertheit ermöglicht Willkürlichkeiten und Doppelmoral in der Auslegung: wenn die SPÖ mit der FPÖ zusammenarbeitet, ist es keine Tabuverletzung, wenn die ÖVP mit der FPÖ zusammenarbeitet, dann schon. Auch Wahl eines SPÖ-Mannes (nämlich Alexander Wrabetz) als ORF-Generalintendant mit Hilfe der Strache-FPÖ kann man als Tabuverletzung sehen, aber diesen Fall erwähnt Wodak natürlich nicht. Generell ist Wodaks Sprache uneindeutig: zum Beispiel spricht sie das eine Mal von einem Cordon sanitaire gegen rechtspopulistische Parteien, das andere Mal von einem Cordon sanitaire gegen rechtsextremistische Parteien. Eines der Unterscheidungsmerkmale zwischen Rechtspopulismus und Rechtsextremismus könnte die Haltung zum Nationalsozialismus sein, aber da Wodak den Begriff „Rechtspopulismus“ weder präzise definiert noch eine taxative Aufzählung der Parteien liefert, die sie als rechtspopulistisch betrachtet, bleibt das ganze Konzept offen und vage.

Gerade die Koalitionsverhandlungen von 1999/2000 waren möglicherweise ein Fallbeispiel, dass der Cordon sanitaire als solcher kontraproduktiv ist, und die eigene Verletzung geradezu provoziert. Offenbar im Vertrauen darauf, dass die ÖVP sowieso nicht mit der FPÖ koalieren könne, hatte die SPÖ eine seltsame und in der Geschichte der großen Koalitionen einmalige Verhandlungsmethode angewandt, die in der Weigerung der Gewerkschaftsvertreters im SPÖ-Koalitionsverhandlungsteam, Nürnberger, bestand, den ausverhandelten Koalitionspakt zu unterschreiben, womit auch die Unterstützung des Gewerkschaftsblocks im SPÖ-Parlamentsclub für die Koalition fragwürdig war. Wegen der Verluste von SPÖ und ÖVP war die Macht der ÖGB-Abgeordneten paradoxerweise gestiegen, weil eine große Koalition ohne SPÖ-ÖGB-Abgeordnete unmöglich war, bzw. keine Mehrheit hatte. Bei der ÖVP weckte die Weigerung Nürnbergers, den ausverhandelten Koalitionsvertrag zu unterschreiben, berechtigte Zweifel daran, ob die SPÖ koalitionsfähig und paktfähig sei. Diese Zweifel waren offenbar so groß, dass sie trotz Bedenken und Ahnung möglicherweise kommenden Unheils eben die ÖVP-FPÖ-Koalition wagte, die sie ansonsten wahrscheinlich nicht gewagt hätte.

Wodak scheint von einer Art „antifaschistischen Volksfront“ zu träumen, die an der Realität der Realpolitik vorbeigeht.

Des weiteren behauptet Wodak (Seite 206) „Die Koalitionsregierung von ÖVP und FPÖ in Österreich hat bei den Wahlen 2006 ihre Mehrheit verloren, und die FPÖ verlor viele Stimmen aufgrund ihrer Regierungsarbeit.“ Diese Aussage ist völlig falsch. 2004 spaltete sich die FPÖ auf, in die FPÖ unter Führung von Strache und das BZÖ unter Führung von Haider. Rechnet man die Stimmen bzw. Mandate von ÖVP, FPÖ und BZÖ bei den Wahlen 2006 zusammen, so wäre nach wie vor eine Mehrheit bestanden, während SPÖ und Grüne (die einzigen sonstigen Parlamentsparteien) keine Mehrheit hatten. Rechnet man die Stimmen von FPÖ und BZÖ zusammen, so stellen die Wahlen 2006 einen eindeutigen Wahlerfolg für FPÖ bzw. BZÖ (mit ca. 30%) dar, insbesondere im Vergleich zu den Wahlen 2002, bei der die FPÖ lediglich 10% erhalten hatte, und das BZÖ noch gar nicht existiert hatte. Von einer Regierungsarbeit der Strache-FPÖ kann man nicht sprechen, Strache hatte nie Regierungsarbeit geleistet, nie ein Ministeramt bekleidet. Durch die Partei-Spaltung konnte die FPÖ sich von der Regierung distanzieren, und den Oppositionsbonus lukrieren, der schon oft in ihrer Geschichte (und auch in der Geschichte anderer, z.B. linker Parteien) eine Basis des Wahlerfolgs dargestellt hatte.

Wodak schreibt „Haider starb 2008 bei einem Autounfall, als er alkoholisiert und mit 140 Stundenkilometern durch ein Dorf mit einer Geschwindigkeitsbegrenzung von 50 km/h raste“. Das ist zwar richtig, aber möglicherweise eine Dekontextualisierung. Die Gründe dafür, warum Haider seinen Chauffeur in den Feierabend schickte, sind nach wie vor im Dunkeln (und weil der tote Haider keine Stellungnahme mehr abgeben kann, werden sie dies vielleicht auf ewig bleiben). Möglicherweise entschied er sich zum letztlich tödlichen Selbstfahren, weil er fürchtete, ansonsten würden in der nächsten Woche „Grausamer Haider zwingt Chauffeur in anstrengenden Nachtdienst“-Artikel erscheinen.

So gesehen ist Haiders Tod möglicherweise neben dem Mord an Pim Fortuyn 2002, dem eine „Stoppt den holländischen Haider !“-Kampagne von Teilen der holländischen Linken vorausging, der zweite Fall des Todes eines Rechtspopulisten als Folge von linkem Kampagnenjournalismus (Wodak könnte man u.U. als „linke Kampagnenwissenschafterin“ bezeichnen, ebenso wie die „New York Times“ Anton Pelinka als „leftist professor“ bezeichnete).

Ein weiterer Kritikpunkt an Wodak wäre, dass sie die Möglichkeit nicht wahrhaben will oder kann, dass die SPÖ Wien die FPÖ als rechtsextremistisch oder ähnlich nur deswegen einstuft, um die Wahlbeteiligung insbesondere in Wien zu erhöhen und insbesondere die Jugend durch Faschismushysterie nicht nur zu den Urnen zu treiben, sondern auch dazu zu bringen, ihr Kreuz an der "richtigen" Stelle (nämlich SPÖ) zu machen. Die Meinungsumfragen bei der letzten Wien-Wahl, die von einem Kopf-an-Kopf-Rennen sprachen, während in Wirklichkeit zwischen SPÖ und FPÖ neun Prozent Unterschied bestand, deuten auch auf absichtliches Überdramatisieren der angeblichen Gefahr hin.

Der Begriff des „Rechtspopulismus“, den Wodak nicht als einzige verwendet, unterstellt auch eine gewisse Unredlichkeit: die Rechtspopulistischen Politiker seien nicht wirklich islamkritisch, sondern sie würden nur heucheln, islamkritisch zu sein, um von den islamkritischen Wählern gewählt zu werden; eine Behauptung, die besonders absurd ist in Bezug auf diejenigen islamkritischen Politiker, die Dschihad-Opfer sind.

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