Fressen oder sterben: Warum wir die digitale Leibeigenschaft riskieren

Wer nicht an den Rändern der digitalen Gesellschaft ein einsames und bedeutungsloses Leben führen will muss JA sagen – und zwar bedingungslos und ohne Wenn und Aber. Sich schon einmal die Mühe gemacht, bei Facebook, Amazon und Co die Nutzerbedingungen genau durchzustudieren und dann den Accept-Haken nicht zu setzen weil man mit einem Punkt ganz und gar nicht einverstanden war? Friss oder stirb lautet die eherne Regel, die über all dem steht. Fakt ist, dass wir alle von Internet-Riesen mit Quasi-Monopolstellungen abhängig sind. Wir schlucken Regelungen, die unsere Persönlichkeitsrechte einschränken und erlauben Internet-Riesen mit Informationen über uns Geschäfte zu machen, weil wir überhaupt keine andere Wahl haben.

Dass dies nicht nur den kleinen User vor dem Tablet oder das Start-up von nebenan, sondern auch gestandene Medienkonzerne wie den Springer Verlag – der soeben gegen Google klein bei geben musste – trifft, ist nur ein schwacher Trost. Quasi-Monopole und zu viel Macht in den Händen einzelner schaden unserer Marktwirtschaft massiv. Während multinationale Industrieunternehmen wie Siemens oder General Electric in ebenbürtiger Konkurrenz zueinander stehen und weltweit hunderttausenden Menschen Beschäftigung bieten, kam Facebook vergangenes Jahr nicht einmal auf 7000 Mitarbeiter, bei Google dürften es weltweit unter 20000 sein. Im Vergleich zu Industrieunternehmen ist die Zahl von Jobs, die Internet-Riesen direkt schaffen geradezu lächerlich gering.

Nicht dass wir uns am Ende falsch verstehen: Unternehmen wie Microsoft, Facebook oder Google haben Bahnbrechendes geschaffen und ihre starke Position verdanken sie wesentlich ihren einzigartigen Produkten, die sie einmal entwickelt haben oder noch immer entwickeln. Aber wir müssen uns ernsthaft die Frage stellen, welche Gefahren von so viel geballter Macht ausgehen. Wir müssen aktiv verhindern, dass Länder oder Landstriche zu digitalen Kolonien degradiert werden, aus deren Wirtschaft Internet-Riesen nur Geld absaugen, aber nichts investieren. Gesunde Konkurrenz und die Wahlmöglichkeit zwischen mehreren gleichwertigen Anbietern ist ein möglicher Ausweg, um Abhängigkeiten und digitale Leibeigenschaften zu verhindern. Dazu bedarf es weltweit Internet-Start-ups, aus denen erfolgreiche Unternehmen werden. Ein anderes Mittel, um die stetig wachsende Macht von Internetriesen zu beschränken wären Regelungen die verhindern, dass Internet-Konzerne mit einer marktbeherschender Stellung durch Unternehmensübernahmen weiter wachsen.

Anmerkung: Nach dem Verfassen dieses Textes habe ich bei Google (wo sonst?) nachgesehen, ob der Begriff „digitale Leibeigenschaft“ schon verwendet wurde. Er wurde es mehrfach. Das erste Suchergebnis verlinkt auf Amazon (!) und zu einem Buch von Hannes Grassegger mit dem Titel „Das Kapital bin ich. Schluss mit der digitalen Leibeigenschaft…“. Ich habe das Buch (noch) nicht gelesen, etwaige inhaltliche Parallelen wären demnach rein zufällig.

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fischundfleisch

fischundfleisch bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:16:54

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