Tierschutzarbeit im Graubereich des Legalen?

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Wiener Tierschutzverein vom Finanzamt als nicht gemeinnützig eingestuft. Dort würden Streunertiere aufgenommen und das habe nichts mit der eigentlichen Bedeutung von gemeinnützig zu tun. Der seit 1846 bestehende altehrwürdige Verein war dadurch mit der Auflösung bedroht, weil im Falle des Verlustes der Gemeinnützigkeit sehr hohe Steuernachzahlungen für Mitgliedsbeiträge der letzten 7 Jahre angefallen wären. Die tapferen TierschützerInnen beriefen bis zum Verwaltungsgerichtshof und dieser stellte im Mai 1949 fest, dass der Wiener Tierschutzverein schon gemeinnützig ist. Und zwar deshalb, weil er durch die Pflege von Streunertieren eine verbessernde Wirkung auf die ethische Einstellung der Bevölkerung hat, so argumentierten die HöchstrichterInnen. Seitdem ist die „Förderung der Tierfreundlichkeit“ in der Gesellschaft, wie es wörtlich in dem Urteil steht, als hohes ethisches Gut an sich anerkannt. In der Bundesabgabenverordnung wurde dann Tierschutz an sich als gemeinnützig verankert. Darunter ist im Lichte dieses Urteils zu verstehen, dass Tierschutzorganisationen nur dann gemeinnützig sind, wenn sie die Einstellung der Menschen gegenüber den Tieren in Richtung eines strengeren Schutzes und eines im Sinne der Tiere besseren, d.h. gewaltloseren Umganges verändert. Das ist daher auch die einzige Existenzberechtigung gemeinnütziger Tierheime.

Seitdem nun Tierschutz auch als Staatsziel in der Bundesverfassung steht, hat sich die gesamte Gesellschaft und der Staat und seine Institutionen auf allen Ebenen, von der Gemeinde bis zum Bund, dem „Schutz des Wohlbefindens und des Lebens“ (Definition von Tierschutz laut Tierschutzgesetz) der Tiere verpflichtet. Das ist Grundkonsens in unserer Gesellschaft, daran ist nicht zu rütteln.

Nun, und wie könnte man diesem ureigensten aller Tätigkeiten einer gemeinnützigen Tierschutzorganisation besser nachkommen, als dass man den Umgang mit Tieren dokumentiert, an die Öffentlichkeit bringt und zur Diskussion stellt? Als wir den Umgang mit Pelztieren zur Diskussion stellten, mussten wir Pelzfarmen filmen. Wie anders sollte das gehen? Pelzfarmen wurden dann 1998 in Österreich verboten. Als wir den Umgang mit Wildtieren im Zirkus thematisieren wollten, mussten wir die Tiere dort filmen, bei der Haltung genauso wie bei der Dressur. Wie anders könnte man die Wildtierhaltung im Zirkus zum öffentlichen Thema machen? 2002 wurde die Wildtierhaltung im Zirkus in Österreich dann auch verboten. Und so geht die Liste weiter. Man rate einmal, wie es im Mai 2004 zum Verbot von Legebatterien kam. Richtig, nachdem wir im Sommer 2003 die Zustände in 48 Legebatterien Österreichs an die Öffentlichkeit gebracht hatten. Und heute sind uns alle dafür dankbar, die Hühner sowieso, aber auch die KonsumentInnen und mittlerweile sogar die ProduzentInnen.

Tja, und jetzt wollen wir gemäß unserer Verpflichtung als gemeinnütziger Tierschutzverein und gemäß der Verfassungsbestimmung Staatsziel Tierschutz die Gatterjagd öffentlich zur Diskussion stellen. Dafür mussten wir zu den Jagdgattern gehen. Wir standen, völlig legal, auf öffentlichen Straßen und filmten von außen in die Gatter hinein. Die Aufnahmen machten wir publik und erstatteten auch Anzeige wegen Tierquälerei, um die Behörden aufmerksam zu machen und in der Öffentlichkeit die ganze Dimension dieses Umgangs mit gefangenen Wildtieren aufzuzeigen. Ganz normal, möchte man meinen, unser Auftrag durch die Gesellschaft, unsere Pflicht nach der Verfassung.

Und was geschieht? Polizeiliche Sperrzonen sollen die Annäherung ans Jagdgatter verhindern. Gewalttätige Jagdaufseher werden handgreiflich, wenn wir von außen Richtung Gatterzaun gehen. Die Bezirkshauptmannschaft Güssing schickt Strafverfügung nach Strafverfügung. Die niederösterreichische Landesregierung führt sogar ein eigenes Verbot neu ein, von öffentlichen Straßen aus sich Treibjagdgesellschaften anzunähern. Alfons Mensdorff-Pouilly klagt wegen Bedrohung seiner Existenz und Einschüchterung seiner Angestellten. Max Mayr-Melnhof macht eine Pressekonferenz, bei der wir als radikale Bedrohung seiner Familie dargestellt werden, die eine Hetzkampagne gegen ihn führe. Medien wie NEWS oder die Kronenzeitung und die Salzburger Nachrichten sprechen von Aktivitäten im Graubereich des Legalen, von Provokation. Kein Wunder, dass man euch so behandelt, wird gesagt, was erlaubt ihr euch!?

Ja, was erlauben wir uns. Filmen von öffentlichen Straßen aus. Von außerhalb eines Jagdgatters in dieses hinein. Damit die Öffentlichkeit erfährt, wie eine solche Gatterjagd abläuft und sich ein eigenes Bild darüber machen kann. Gemäß unserem Auftrag als gemeinnützigem Tierschutzverein und gemäß der Verfassung. Wie ungeheuer radikal. Verständlich, dass uns das Landesamt für Terrorbekämpfung ständig beschatten muss.

shutterstock/Cherednychenko Ihor

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