Verschleißteil „Arbeitnehmer“ – oder modernes Management? Ein Generationenkonflikt

Robert Satovic

Es ist unverkennbar, der heutige Arbeitsmarkt bietet denjenigen kaum noch Chancen, deren Eigenschaften sie einer Randgruppe des Arbeitsmarktes zuordnen. Alter, gesundheitliche Vorgeschichten oder gar Einschränkungen, zu hohe oder niedrige Qualifikationen, soziale Stellung und eine ganze Reihe mehr an „belastenden“ Faktoren, verhindern die Ausübung langjährig erworbener Fähigkeiten.

Arbeitgeber stehen vor einem reichlich gedeckten Buffet, von dem sie sich die leckersten Arbeitskräfte wählen können. Jung und belastbar sollen sie sein, ausreichend Kenntnisse für den beruflichen Einstig ins Unternehmen mitbringen und trotzdem biegsam bis devot sein und ihre Tätigkeit idealerweise widerspruchslos verrichten, und natürlich im Sinne einer guten Wertschöpfung wenig Lohnkosten verursachen, damit die Konkurrenzfähigkeit zugunsten von Gewinnanteilen/Dividenden möglichst effizient bleibt.

Dazu ein Beispiel, das mir von einem mittlerweile pensionierten Unternehmer erzählt wurde. Er hat seinen Betrieb voriges Jahr an seine Söhne weitergegeben, deren Partner Controller ist. Es ging darum, einen durch langjährige Erfahrung hoch qualifizierten LKW-Fahrer wiedereinzustellen, der eine Zeitlang wegen eines Bandscheibenvorfalls außer Gefecht war. Dieser LKW-Fahrer kannte die zu befahrenden Routen nicht nur wie seine Westentasche, sondern er kannte auch sämtliche Kunden, deren Vorlieben und Gewohnheiten, war auch in Geldfragen absolut vertrauenswürdig, wodurch er eine höchst effiziente Abwicklung des Tagesgeschäfts quasi garantieren konnte. Besagter Unternehmer setzte sich also für diesen LKW-Fahrer beim Controller ein, worauf ihm der zwar entgegnete, er hätte mit seiner Argumentation natürlich recht, aber auf der anderen Seite stünden das hohe Krankenstands- und Ausfallrisiko, das den LKW-Fahrer nicht tragfähig sein ließe. Die Ansicht des Unternehmers, dem LKW-Fahrer aufgrund des hohen Wertes für die Firma einen besseren LKW-Sitz zu finanzieren, ihn übers Jahr mit gesundheitlichen Maßnahmen zu fördern, wurden einfach beiseite gewischt. An Stelle des LKW-Fahrers wurde am Ende eine junge HTL-Absolventin eingestellt und mit der ganzen logistischen Abwicklung betraut und der frühere Selbsttransport an einen billigen Frächter vergeben.

Wie sieht jedoch die wirtschaftliche Realität hinter diesem Beispiel aus?

Wer die Speditionsbranche ein wenig kennt weiß, dass Frachten heute gerne an ausländische Transporteure der ehemaligen Oststaaten vergeben werden, da diese zu Dumping-Preisen fahren. Jedoch ist deren Zuverlässigkeit oft fragwürdig. Das Transportgut wird häufig schlecht behandelt und beschädigt, es wird viel geklaut, Liefertermine werden nicht eingehalten, LKW-Züge bleiben aufgrund von Fahrzeugmängeln und Überbeladung hängen. Der Vorteil des Outsourcings kommt so erst gar nicht zum Tragen. In Summe überwiegen schnell die Nachteile und führen noch dazu zur Kundenunzufriedenheit.

Die Entscheidung, eine junge „Schulabgängerin“ zu beschäftigen ist zwar lobenswert, wird sich aber frühestens in 1-2 Jahren rechnen. Besonders in der Logistik eines internationalen Transportbereiches gibt es sehr viele umfangreiche firmenspezifische Bereiche, die man zuerst kennenlernen muss, bevor man seine erlernten Fähigkeiten wirklich umsetzen kann. Hinzu kommt das Personalrisiko, dass die junge Frau vielleicht gar nicht beim Unternehmen bleiben will oder sogar schwanger wird.

Die unternehmerische Entscheidung, eine bisher gut funktionierende Aufgabenbewältigung gleich auf zwei neue unbekannte Risiken aufzuteilen, darf ernsthaft hinterfragt werden. Rein rechnerisch mag die Entscheidung zwar aufgehen, ist aber nur von akademischem Wert, da sie die Praxis nicht mit einbezieht. Eine objektive Strength/Weakness-Analyse würde diese sehr wahrscheinlich als Fehlentscheidung entlarven. Geht die Rechnung nämlich nicht auf – sind Schäden und nicht kalkulierbare Kosten sowie die Abwanderung von Kunden durch Unzufriedenheit zu erwarten, wird das Unternehmen selbst wirtschaftlich getroffen, wodurch Restrukturierungen notwendig werden und erst recht Arbeitsplätze wackeln.

Fazit

Dieses Beispiel zeigt deutlich, wie Personalentscheidungen häufig zustande kommen und ist beileibe kein Einzelfall. Arbeitnehmer sind nur noch austauschbare Module in einer Wirtschaftswelt, die ihre Entscheidungen nur noch anhand ökonomischer Kriterien trifft. Qualifikationen werden anhand von Schulzeugnissen und nicht nach erworbener Erfahrung bewertet. Es entsteht so eine Elite an spezialisierten Fachidioten, denen man wie einem Fließbandarbeiter auch noch eintrichtert, alles andere rundherum gehe sie nichts an. Generalisten sind zunehmend unbeliebt, zumal sie mit ihrer Erfahrung durchaus in der Lage sein könnten, unternehmerische Entscheidungen in Frage zu stellen. Hat ein Arbeitnehmer irgendwann das Pech sich eine schwere Erkrankung einzufangen, wird er wie ein Verschleißteil entsorgt.

Man fühlt sich in dieser Entwicklung zwangsläufig an ein neues Metropolis erinnert. Die Wirtschaft schafft mit dieser Personalpolitik ein Heer von Frührentnern. Nicht, weil diese Arbeitnehmer nicht mehr könnten oder wollten. Die Wirtschaft hat einfach keinen Bedarf mehr an ihnen und überlässt sie dem Sozialstaat. Eine Entwicklung die seitens der Politik und Gesellschaft gestoppt werden muss.

Auch wenn viele von uns heute noch jung sind – irgendwann könnte es uns wie dem LKW-Fahrer gehen.

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Monikako

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MarieRedelsteiner

MarieRedelsteiner bewertete diesen Eintrag 03.03.2016 15:13:48

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