Seit Köln boomt in der Bevölkerung die Ausrüstung mit Waffen. Anträge zum Führen von Schusswaffen werden gestellt und der allseits beliebte Pfefferspray erlebt eine Renaissance.

Während gewaltlose Pazifisten schon die Hände über den Kopf zusammenschlagen, ob der Entgleisung der Gewalt, die sie befürchten, sage ich: Recht so! Bürger, verteidigt euch. Der Staat (sprich: die Polizei) ist im Rahmen seiner Gesetze dazu offensichtlich nicht allzu gut in der Lage. Warum? Najo, weil die bösen Leute ja auch nicht gesetzestreu handeln. Der Staat sollte sich an seine eigenen Gesetze halten, wenn er nicht als Persiflage erkannt werden will. Und der rechtschaffene Bürger sollte es auch - sagt der Staat.

Was passiert also nun, wenn der brave, gesetzestreue Bürger Opfer eines Angriffs wird? Raub, Überfall, Vergewaltigung, etc... Ist ja im Endeffekt wurscht. Der Staat will, dass der Bürger "schreit und davongeht" (zumindest laut der Aussage eines Wiener Polizeisprechers). Superklasse. Wenn der Angreifer sich davon verscheuchen lässt, hat er es mit seiner Attacke aber auch nicht sonderlich ernst gemeint.

Nur kann die Polizei schlecht offiziell sagen: "Dögelts jeden nieder, der euch zu nahe kommt!". Das würde nämlich des Selbstverständnis des Staates unterminieren: "Ich hab als einziger Recht darauf Gewalt einzusetzen, aber wenn euch was komisch vorkommt, hauts um euch." Deswegen wird ja empfohlen, sich fallen zu lassen wie ein Stück Holz und tot zu spielen, in der Hoffnung, der Angreifer verliert dann die Lust wie ein Bär... Und währenddessen fummelt man sein Handy raus und wählt seelenruhig 133. Mhm... Sicher.

Jeder in Selbstverteidigung geübte Mensch wird euch zwar auch sagen, vorausschauend handeln, möglichen Konflikten aus dem Weg zu gehen, usw. ist das Allerbeste, aber wenn es hart auf hart kommen sollte, geht man selbst zum Angriff über - und wedelt nicht mit den Händen und schreit WULUWULU wie Spongebob, der die Hl. Miesmuschel anbetet, dreht sich dann um und geht. Da allerdings die wenigsten unter uns echte Kampfsportasse sind, die in Notsituationen darauf vertrauen können, instinktiv ihre Fähigkeiten abrufen zu können, greifen halt die Meisten im Zuge der neuesten Entwicklungen zu einer Art Waffe, um sich verteidigen zu können. Nur leider kommt es da zu dem klitzekleinen Konflikt der Realität mit dem Gesetz. Gewalt anderen Leuten gegenüber ist verboten, weil man nicht der Staat mit seinem Monopol dafür ist. Aber großzügig wie der Staat halt ist, spricht er seinen Schäfchen dennoch das Recht zu, sich in Not zu wehren. Und definiert das natürlich mit rechtlicher Präzision gleichzeitig eng genug, um Leute dennoch zu bestrafen, die sich gewehrt haben und schwammig genug, damit man nicht wirklich weiß, was man jetzt eigentlich machen darf. Der Notwehrparagraf ist nicht umsonst einer der strittigsten Punkte im Strafrecht...

Hat man sich jetzt also in weiser Umsicht eine legale, nichtletale Waffe wie das Pfefferspray besorgt und fühlt sich damit sicher und benutzt es selbstbewusst um Schaden von einem abzuwenden, bevor er passiert und ist dann noch gesetzestreu genug, die Polizei zu rufen um den bösen Verbrecher seiner gerechten Strafe zukommen zu lassen und erzählt wahrheitsgetreu was vorgefallen ist, DANN... wird man mit recht hoher Sicherheit ein paar Wochen später Post bekommen, in der man informiert wird, dass wegen Körperverletzung gegen einen ermittelt wird. Und versteht die Welt nicht mehr.

Jetzt darf die (nicht anwesend gewesene) Polizei und (die noch weniger anwesend gewesene) Staatsanwaltschaft darauf rumeiern, ob das Ganze denn WIRKLICH gerechtfertigte Notwehr war. Vernunftbegabte Menschen würden jetzt einfach sagen: "Ja, wenn es das nicht gewesen wäre, hätt ich es wohl kaum gemacht, oder?!" Was durchaus stimmt, aber den gerade genannten halt nicht reicht. Stand denn wirklich ein "unmittelbar drohenden Angriff" bevor? Hab ich wirklich gewartet, bis der Typ ausholt mit Messer, Faust oder was auch immer, um mich zu wehren? Entscheidet die Frau erst sich zu wehren, wenn der Typ ihr die Hand über den Mund legen will und ihre Hose öffnen will? Kaum. Und dann fangen die rechtlichen Probleme an! War das auch wirklich angemessen? Hab ich auch gleich nachdem die Gefahr gebannt war, wieder abgelassen? Und so weiter und so fort... Das ist, was Polizei und Staatsanwälte interessiert. Nicht, ob ich mich bedroht gefühlt hab, gleich verletzt zu werden und lieber nicht davon ausgegangen bin, dass der Andere es sich doch noch mal spontan anders überlegt. Ganz lustig wird es dann bei der Frage, ob es ein "rechtswidriger" Angriff war. Was wohl bei potenziellen Vergewaltigern und Räubern recht sicher ist, aber es soll schon Fälle von über das Ziel hinausschießenden Polizisten oder 0815-Personen, die das Anhalterecht mit Rambo-Sein verwechselt haben, gegeben haben... Oder gleich einfach mal den komplett Falschen zu Boden wuchten und sagen: "Aber ich hab geglaubt, der hat das gemacht!"

Wenn also jetzt nicht wirklich einwandfrei beweisbar ist, dass man sich penibelst an den Wortlaut des §3 gehalten hat, wird man sich vor einem Richter wiederfinden. Und das Vertrauen in den Rechtsstaat wird immer kleiner werden, weil man sich ja nur verteidigt hat, aber auf einmal selbst der "Böse" ist. Und jetzt nehmen wir die tausenden verunsichteren Frauen derzeit, die aus einer Mischung aus tiefsitzender Angst und Selbstbewusstsein, sich nicht bieten zu lassen, was da passiert zu einem Pfefferspray greifen oder gar einer stärkeren Waffe. Das wird schnell zu (durchaus berechtigter) Aggression. Und die sieht der besorgte Vater Staat überhaupt nicht gerne. So wie die selbstbewusste Aussage: "Der hat mich halt nicht anzugreifen. Da muss er damit rechnen, was abzubekommen", auch nicht zählt. Und so ist man schneller als einem lieb ist abgeurteilter Gewaltstraftäter. Und bekommt mit ziemlicher Sicherheit auch ein Waffenverbot angehängt, weil man "gemeingefährlich" ist. Und der Staat kann sich selbst auf die Schulter klopfen, wieder einem bösen Menschen seine gerechten Strafe ausgesprochen zu haben.

Ist das gut oder gar gerecht so? Nö, aber so funktioniert der Rechtsstaat. Will man sich also nicht in die Rolle des Sich-tot-Stellenden drängen lassen, muss man durchaus ernsthaft damit rechnen, am Ende keine Notwehr zugesprochen zu kriegen und selbst eine Strafe auszufassen und kann sich dafür aber sicher fühlen, dass einem nichts passiert ist. Kurz gesagt: Man scheißt auf das Gewaltmonopol des Staates und gehorcht ihm nicht. Besser vorbestraft als verletzt oder vergewaltigt.

P.S.: Man stelle sich noch kurz vor, der böse Angreifer hat Asthma und kriegt die volle Dröhnung Pfefferspray ab und erstickt an der nichtletalen Waffe. Dann darf das Opfer sich auch mit Fahrlässiger Tötung und/oder Totschlag rumschlagen. Und jeder normale Mensch sollte sich spätestens dann Gedanken machen, ob Recht und Ordnung wirklich so gut sind, wie sie sind.

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Erkrath

Erkrath bewertete diesen Eintrag 18.01.2016 07:08:27

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