Was ist Prophetie? Gibt es sie wirklich? Oder ist sie nur ein Hirngespinst vergangener Zeiten, eine zukunftsbezogene Drohung, wenn alle anderen Kommunikationsmittel versagt haben, wenn der Prophet mit seinem Anliegen nicht erhört wurde?

Schauen wir uns die alten Propheten der Bibel an. Die wundersamsten Dinge werden über sie berichtet. Ihre Prophezeiungen waren meist schwarz, düster. Sie sagten Unheil für die Zukunft voraus. Oder sie warnten vor diesem oder jenem Ereignis, das eintreffen würde, wenn nicht alles so geschah, wie der Prophet es sich vorstellte, wenn man nicht auf ihn hörte. Dann ließ er die Puppen tanzen. Dann kam es zu einer Katastrophe ungeheuren Ausmaßes für die Unbelehrbaren - oder auch nicht. Wie viele Blindgänger mag es wohl gegeben haben, von denen die Geschichte nie berichtete?

Diese biblische Prophetie muss heute als veraltet angesehen werden. Was für Menschen waren das? Kann man sagen, es waren Menschen mit beschränkter Weltsicht, einem naiven Gottesverständnis und einem zwanghaften Wesen?

Ein schillerndes Beispiel war der schwarze Prophet und Bußprediger Girolamo Savonarola, der Kraft seiner in Aufruhr befindlichen Gedanken die Medici stürzte und Florenz in Brand setzte. Das gibt es. Stark emotionalisierte Gedanken können unglaublich viel bewegen. Welche Kräfte hierbei mitspielen, weiß man noch nicht. Es sind auf jeden Fall sehr negative Kräfte. Savonarola war voller Hass und Rache auf das sündige Florenz unter der Herrschaft der Medici. Die Zustände waren unerträglich für ihn. Er, der eine heile, sittsame Welt anstrebte, der etwas zum Positiven im Sinne seines Gottes verändern wollte, litt seelische Höllenqualen in der ausschweifenden Gesellschaft der Renaissance, wo Maler wie Botticelli nackte Frauen malten.

Hier eine Kurzform der Geschichte der Medici:

Wie von Sinnen nahm Savonarola den Kampf gegen diese verruchte und korrupte Welt des Florenz im 15. Jahrhundert auf. Immer fanatischer strebte er selbst an die Macht, um die Macht der Großen zu brechen. 1494 war es dann so weit: Savonarola tyrannisierte Florenz. Maßlos geworden wie seine verhassten Feinde, zu deren Richter er sich aufspielte, landete er 1498, nur vier Jahre später, gedemütigt vor seinen ehemaligen Anhängern, auf dem Galgen. Anschließend wurde er mit zwei Getreuen öffentlich verbrannt. Der Platz mit dem Feuer soll gespenstisch leer gewesen sein. Nur das Feuer loderte 24 Stunden lang.

Gott hat Savonarola die Grenzen aufgezeigt - wenn man es so deuten will. Es kann nur einen Richter geben. Der Mensch braucht nicht einmal annähernd daran zu denken, dass er sich über seinesgleichen aufspielen müsste. Wenn jemand richtet (im Sinne von reparieren), dann kann das nur eine höhere Macht tun, nicht der Mensch. So lautet die Botschaft aus dieser Tragödie. Denn anfangs standen die Chancen durchaus gut für Savonarola. Er predigte eine bessere Welt und hatte viele Anhänger. Doch dann vergaß er seine Grenzen als Mensch.

https://de.wikipedia.org/wiki/Girolamo_Savonarola

Hier eine recht spannende Doku über ihn. Sehr empfehlenswert Minute 23 bis 24, wo die Kinderpolizei des Mönches reichen Damen auf der Straße den Schmuck abnimmt und ihre freizügige Bekleidung verurteilt. Sie müssten sich kleiden wie die 'Weiber des Islam'. (...)

In unserer Zeit der Quantenphysik, die hoffentlich bald einige Geheimnisse lüften wird, sollte man nicht mehr wirklich an Prophetie glauben. Vor allem ist das Hantieren mit Jahreszahlen unglaubwürdig, weil in der geistigen Welt der Zeitfaktor wegfällt. Man kann nur 'sehen' (im Sinne von intuitiv fühlen), dass etwas passieren wird, aber nicht wann. Das Wann kann bestenfalls geschätzt werden, wobei man sich kräftig verschätzen kann. Entwicklungen, die so nah scheinen, können sich durch dieses oder jenes Ereignis hinauszögern. Nostradamus lieferte keine konkreten Zeitangaben. Sie wurden hinterher von seinen Anhängern erstellt. Er warnte ebenfalls vor Gefahren und brachte es dadurch zu Berühmtheit bei Hof. Seine Person zeigte dasselbe Verhaltensmuster wie das aller Propheten: Warnen vor Gefahren und drohen mit Katastrophen.

https://diepresse.com/home/zeitgeschichte/5042155/Nostradamus_Von-der-Kunst-wirklich-alles-vorherzusagen

Für denjenigen, der die Zeit überwinden kann, indem er 'in die Zukunft sehen' kann, präsentiert sich die Geschichte in einem ganzen Stück in der Gegenwart, in einem andauernden Ist-Zustand. Vergangenheit und Zukunft gibt es nicht. Sie schafft nur der Zeitfilter. Der Mensch erlebt alles durch diesen Zeitfilter, der für ihn als Schutzmechanismus fungiert. Wie sollte der Mensch in dem Bewusstsein leben können, dass er am Anfang schon das Ende kennt? Das wäre für ihn nicht zu ertragen. Verwirrend kommt hinzu, dass es zwar nur eine Geschichte, aber mehrere Ausgänge gibt - ähnlich wie in einem Computerspiel. Der Held kann leben oder sterben, man hat es selbst in der Hand - obwohl die Geschichte schon geschrieben und vom Anfang bis zum Ende bekannt ist. Leo Tolstoi (1828 -1910) hat es auch schon gewusst: "Vergangenheit und Zukunft gibt es nicht, es gibt nur eine unendlich kleine Gegenwart. In dieser eben vollzieht sich das Leben."

Prophetie im Sinne der alten Bücher und Erzählungen gibt es daher nicht, denn der Mensch hat immer die Wahl. Er kann hinschauen oder wegschauen. Für den Hinschauer endet die Geschichte klarerweise anders als für den Wegschauer. Ob Schrödingers Katze tot oder lebendig ist, weiß man erst, wenn man die Kiste öffnet. Bleibt die Kiste geschlossen, gilt die Katze als lebendig und tot zugleich.

https://de.wikipedia.org/wiki/Schr%C3%B6dingers_Katze

Utopisten und Trendforscher gehen einen gänzlich anderen Weg als die alten Propheten. Die Lust, die Zeit zu überwinden und in die Zukunft zu sehen, beherrscht alle drei, aber sie gebrauchen unterschiedliche Mittel und sie sind unterschiedliche Charaktere.

Der Prophet ist ein ängstlicher, pessimistischer Mensch. Mittels Druck und Drohung versucht er, seine Vorstellungen von der Zukunft durchzusetzen. Gelingt ihm das nicht, fällt ihm seine schwarze Welt selbst auf den Kopf. Gelingt es ihm, fällt die Welt des Propheten den anderen auf den Kopf. Man sieht also, wie unnötig ein Prophet ist.

Der Utopist ist ein unzufriedener Mensch. Die Gesellschaft macht ihn nicht froh und so entwirft er im Geist eine neue, die ihm besser scheint. Hat er Glück, nimmt die Zeit sein Angebot an - manchmal erst viele Jahre später. (So manche Errungenschaft geht auf die Idee eines Utopisten zurück.)

Der Trendforscher ist ein neugieriger, sachlicher Mensch. Er untersucht Gewohnheiten und Neigungen der Gesellschaft und zieht daraus Schlüsse für zukünftiges Verhalten in der Gesellschaft.

Und dann gibt es noch die Träumer, für die alles Reale nur ein schlechter Traum ist. Das wollen sie ändern gleich dem luziden Träumer, der den Inhalt seines Traumes selbst gestalten kann. Wenn sie den Vorhang zur Seite schieben, dann ahnen sie, dass nichts so ist wie es scheint. Dann wünschen sie sich vom Schicksal Flügel, um der Gefangenschaft zu entfliehen.

spireo.de

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