Source: ©AeroFarms https://www.brinknews.com/is-the-future-of-farming-vertical/

Wer derzeit „Vertical Farming“ oder „Container Farming“ in die Suchmaschinen von Google und Youtube eingibt, wird hundertausendfach fündig. Vertical Farming scheint DIE Lösung schlechthin zu sein, um eine wachsende Weltbevölkerung zu ernähren.

Vertical Farming bzw. Container Farming beruht darauf, die Landwirtschaftliche Fläche nicht bloß in einen geschützten Innenraum zu verlegen, sondern die Gemüsebeete in mehreren Regalebenen vertikal übereinander zu stapeln. Um das Regalsystem nicht statisch zu überlasten, werden die Pflanzen ohne Erde hydroponisch oder aeroponisch versorgt, mit einer künstlichen Nährstofflösung. Somit kann auf der bebauten Fläche ein Vielfaches an Bepflanzungsfläche untergebracht werden.

Diese Farmhäuser sollen mitten in der Stadt stehen und dort auf kleinstem Volumen riesige Ernten einfahren, welche die gesamte Stadt autark mit ganz frischem Gemüse versorgen ohne lange, CO2 produzierende, Transportwege. Dort wo früher schädliche Monokulturfelder waren, soll sich wieder wilde Natur ausbreiten.

Die Betreiber dieser Farmen sind keine Bauern mit Erde an den Händen, sondern sehen aus wie smarte Investmentbanker oder Hippster aus Silicon Valley. Die „Erntehelfer“ tragen Masken und Hauben wie das Personal in einem Operationssaal, damit die Pflanzen drinnen völlig frei von Keimen und Mikroorganismen heranwachsen können.

Pestizide sind unnötig. Drinnen sieht es mit den Regalsystemen aus wie in einer Lagerhalle, bloß viel sauberer.

Die Salatpflanzen sind daher makellos und können ungewaschen in Plastik verpackt werden, bevor sie von dort direkt in diverse Gourmet Supermärkte und Restaurants ausgeliefert werden. Zu 3,99$ pro 100g Packung.

Der Geschmack soll unerreichbar gut sein, sagen die Hersteller.

Die Vorteile sind bestechend:

-Verkleinerung der Agrarflächen mit irre hohen Hektarerträgen

-Lokale Produktion direkt bei den Kunden,

-keine Pestizide, perfekte Pflanzen,

-Unabhängigkeit von schlechtem Wetter und damit verbundenen Ernteausfällen

-80% weniger Wasserverbrauch

Ist also Vertical Farming die Lösung für den Welthunger und zur Rettung der Natur?

Ja, wenn man den Betreibern glauben darf, wie zB: Jack griffin Metropolis Farm

https://www.youtube.com/watch?v=wbBLrRsEsMc

aber auch polulärwissenschaftlichen Magazinen: Gallileo

https://www.youtube.com/watch?v=0_fw5ADGYw8

oder diesen zwei Mädels , die sicher auch brav bei „Friday for Future" mitmarschieren:

https://www.youtube.com/watch?v=XxGC700JRTk&t=19s

Doch es gibt einen kapitalen Fehler in diesem Konzept.

Ahnt ihr, was?

Erfunden wurde Vertical Farming vom Mikrobiologen Dickson D. Despommier (June 5, 1940) vor ca 20 Jahren, doch entweder hat er es zwanzig Jahre lang versäumt ein paar einfache Berechungen anzustellen, oder er hofft, dass Andere die seine Idee weiter verfolgen und auch finanzieren sollen, es so bald nicht tun werden.

Menschen die nicht rechnen haben meist keine Vorstellung von der Lichtmenge, die Planzen für Photosnthese brauchen im Verhältniss zu dem Licht, das für unser Auge noch hell genug ist:

Bei klarem Himmel haben wir im Freien in der Sonne eine Helligkeit von ca. 100.000 Lux. Ein Wohnzimmer hingegen, das völlig ausreichend mit Tageslicht erhellt ist, kommt nur auf 500Lux, also ein halbes Prozent dieser Lichtstärke. Unser Auge und unser Gehirn können sich dermaßen gut an die extremsten Lichtverhältnisse anpassen, dass ein Unterschied von 1:200 gar nicht besonders auffällt. Für die Photosynthese macht es jedoch entsprechend der physikalischen Lichtmenge einen gravierenden Unterschied zwischen Leben und Tod einer Pflanze.

Das Problem beim Vertical Farming ist, dass die für die Photosynthese benötigte Sonne leider nicht ebenso vertikal gestapelt und vervielfacht werden kann wie die Regale. Es braucht also für jede Regalebene LED-Leuchten, die künstliches Sonnenlicht erzeugen. Die jährliche Lichtenergiemenge, die von der Sonne als Geschenk der Natur kommt, nun aber künstlich erzeugt werden muss, ist gewaltig, nämlich ca. 1300Kwh/m2 und Jahr zB in Österreich. Es braucht zudem die 2,5 fache Menge an elektrischer Energie um dieses Licht zu erzeugen.

Damit lassen sich in einem Gewächshaus unter optimalen Bedingungen ca. 1,5kg Weizen oder 50kg Salat produzieren.

Hinzu muss der Wirkungsgrad der Stromerzeugung berücksichtigt werden: Angenommen man wollte diesen Strom nachhaltig mit Photovoltaik Paneelen erzeugen, so bräuchte man pro M2 bepflanzte Regalfläche in der Vertical Farm ca. die 16-fache Fläche an PV-Kollektoren im Freien aufgestellt um die Lichtenergie zu erzeugen, welche ansonsten die Sonne für einen m2 Gemüsebeet in einem normalen natürlich belichteten Gewächshaus liefert.

In der Vertical Farm wird zwar das ganze Jahr über die optimale Lichtmenge erzeugt um auf derselben Fläche mehr und noch höhere Ernten pro Jahr einzufahren aber das ändert nicht viel am Verhältnis der Lichtmenge zur Photosynthese.

Die zentrale Frage ist: Wieviel KWh, Kilojoule, oder Mol Lichtenergie brauche ich, um über Photosynthese 1kg organische essbare Trockenmasse zu erzeugen?

Selbst andere Maßnahmen zur Optimierung der Ernte, wie die stets optimal gesteuerte Temperatur und Lichtmenge, spektrale Zusammensetzung des LED Lichts, Zusatz von CO2, sowie das Fernbleiben von Parasiten, können diesen enormen Energiebedarf nicht kompensieren.

Ein weiteres Problem ist die Wärmeentwicklung. Auch bei „kaltem“ LED-Licht wird letztlich die gesamte Strahlung in Wärme umgewandelt. Bereits bei einem gewöhnlichen Gewächshaus ist es oft schwer im Sommer die überschüssige Wärme weg zu lüften. Hier im vertikalen Gewächshaus aber konzentriert mehr Licht und somit auch viel mehr Wärme auf ein kleineres Volumen.

Es zeigt sich daher klar, dass Vertical Farming nicht zur Ernährung der Weltbevölkerung beitragen kann, es sei denn wir wollen ein Atomkraftwerk neben jedem Vertical Farmhouse, das dieses mit dem benötigten Strom versorgt.

Der eingesparte Energiebedarf für den Transport von Obst und Gemüse, das mitten in der Stadt produziert wird, ist im Vergleich zum Lichtbedarf völlig irrelevant.

Ebenso ist das Argument des eingesparten Wassers meistens irrelevant Wasser geht in der Landwirtschaft nicht verloren. Es verdunstet und kommt als Regen wieder zurück. Es sei denn, es handelt sich um eine sehr trockene Gegend wo künstlich mit Grundwasser bewässert wird, das sich nicht mehr schnell genug erneuert.

Die wenigen derzeit kommerziell rentablen Vertical Farm Betriebe, bedienen bloß hochpreisige Nischen. Sie produzieren hochpreisige Biosalate, die großteils aus Wasser bestehen und somit kaum einen Nährwert haben, oder Keimlinge, deren Sonnenenergie bereits in den am freien Feld gewachsenen Samen steckt. Beide brauchen sehr wenig Sonne zum wachsen.

Unter Umgehung des Zwischenhandels liefern diese Betriebe direkt an ebenso hochpreisige Gourmetrestaurants die makellose weil 100% parasitenfreie Salatblätter schätzen.

Der Rest lebt vom Geld jener hoffnungsvollen Investoren, die nicht nachrechnen.

Der am Anfang verlinkte, scheinbar so erfolgreiche Betreiber einer Vertical Farm mit Solar Paneelen am Dach zwecks autarker Energieversorgung, Jack Griffin, wurde übrigens wegen Betrugs und Veruntreuung von mehrererseits verklagt:

https://www.inquirer.com/philly/business/metropolis-farms-jack-griffin-south-philly-start-up-marijuana-20180604.html

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