Die Absurditäten der Weltpolitik in einem Brettspiel.

Der Mensch lernt im Spiel. Manchmal lehren Spiele aber Lektionen die verblüffender sind als andere. Das ist die Geschichte von Imperial2030.

Imperial 2030 wurde von Walther M. Gerdts 2009 entwickelt. Das Spiel ist im Moment recht oft vergriffen und daher oftmals absurd teuer und das aus einem guten Grund: es ist genial.

RdS https://www.reich-der-spiele.de/

Im ersten Moment hat man das Gefühl dass man es hier mit einem Spiel wie Risiko zu tun hat. Man hat offensichtlich die Kontrolle über Nationen, diese haben Truppen.

Soweit so gut, soweit so bekannt.

Mein erstes Spiel bestritt ich gegen Personen die mit dem Spiel bereits vertraut waren und Spielerfahrung darin hatten. Der erste offensichtliche Unterschied zu Spielen wie Risiko ist dass man keine Nation wählt. Man leiht den Nationen Geld. Wir spielen also keine Feldherren, wir sind Investoren. Ok. Das ist was Neues, dachte ich mir, aber am Ende des Tages wird’s wohl wie Risiko sein. Diese Einschätzung würde sich als völlig falsch herausstellen.

Der Hauptkreditor eines Landes steuert also nun das jeweilige Land. Das bedeutet dass man die Kontrolle über mehrere oder gar keine Länder haben kann. Üblicherweise startet aber jeder mit einem Land. Ich tat also was man in so einem Spiel tut, eine Armee aufbauen und dann versuchen, auf Kosten meiner Mitspieler, mehr Länderein zu erobern und meine Besitzungen zu verteidigen. Schon in der ersten Runde musste ich aber erkennen dass keiner meiner Mitspieler das Gleiche tat. Da wurden eifrig Länder abgetauscht, Kriege gestartet aber keiner empörte sich über einen Angriff, viel eher wurden die Truppen absichtlich gering gehalten und abgemacht wann wer nun was erobern würde.

Diese vermeintliche Schwäche versuchte ich auszunutzen doch alle meine Bestrebungen nach der Weltherrschaft zu greifen wurden spätestens dann zu Nichte gemacht als die anderen Spieler einfach begannen in mein Land zu investieren.

Was ja Sinn machte, ich war ja am Weg nach oben.

Die Ironie war das ich meine Mitteln verwendete um mein Land stark zu machen, die anderen benutzten ihre Mittel aber einfach nur um einen Teil des Kuchens abzubekommen.

Mein Einsatz war ihr Profit und einige Runden später war ich nicht mehr der Hauptkreditor meines Landes sondern ein anderer Spieler bestimmte jetzt wohin die Reise gehen würde und wirtschaftete mein Imperium aktiv herunter um eine andere seiner Investitionen lukrativer zu machen.

Das wirklich Interessante an dem Spiel ist dass es für einen Außenstehenden so wirkt als würden die 6 Spieler ein Kriegsspiel spielen. Dem ist aber nicht so. Es geht nicht um die Weltkarte und nicht um Truppen und es geht auch nicht wirklich um die Territorien die man erobert hat, es geht darum ein kompliziertes Netzwerk aus Schulden und Synergien zu bauen und sich mit den anderen Spielern abzusprechen um das größtmögliche Kapital herauszuschlagen.

Das bedeutet mal Territorien zu erobern, mal einen Krieg zu verlieren, denn viele Truppen reduzieren die Steuereinnahmen und das erhöht die Rendite. „Kann bitte wer meine Armee schlagen?“ ist ein Satz den man sonst selten in Spielen hört.

Das Resultat ist ein Spiel in dem die Welt von Kriegen erschüttert wird aber, im Gegensatz zu Risiko und dergleichen, niemand aus dem Spiel geworfen wird, ja noch nicht Mal irgendwo böses Blut herrscht denn am Zahltag bekommt eben jeder was vom Kuchen.

Auch in Imperial2030 geht es darum zu gewinnen aber der Verlierer ist nicht der Mitspieler. Der Verlierer ist immer das Brett (also die Nationen die man spielt).

Die Spieler versuchen nur das Brett schneller und effizienter auszubeuten als ihre Mitspieler und das tut man indem man abschätzt wohin das Geld sich wohl als nächstes bewegt.

Ich bitte das nicht misszuverstehen: ich denke nicht dass Imperial 2030 die Realität in vollem Umfang abbildet aber das Spiel vermittelt ein Mindset das in der realen Welt zweifelsohne existiert.

Die diversen Investoren in der realen Welt haben keine Loyalität zu Nationen, Blöcken oder Ideologien (aber erheblichen Einfluss auf die Staaten). Sie haben Assets und die sollen Geld abwerfen und wenn das bedeutet dass man ein paar Tausend Menschen über die Klinge springen lassen muss, dann ist das eben so. Wie sagte Stalin so schön? Der Tod einer Person ist eine Tragödie, der Tod von Tausenden ist Statistik.

Imperial 2030 vermittelt ein Spielgefühl in dem es konterproduktiv wäre sich mit den Figürchen zu solidarisieren die man steuert. In fast jedem anderen Spiel haben wir ein inhärentes Interesse daran „unsere Figürchen“ zum Erfolg zu führen. Der Schlüssel zum Erfolg in diesem Spiel ist seine Eier in möglichst vielen Körben zu haben und eben nicht den geringsten Funken von Loyalität zu zeigen sondern die Bereitschaft zu haben in den erbitterten Feind zu investieren.

Ist es denkbar dass es Menschen gibt die die Welt als so ein Spielbrett sehen, Menschen denen es völlig egal ist was da unten passiert, solange nur ihr Plan aufgeht und die Rendite stimmt?

Ich halte das für gut möglich.

Heck, ich bin mir sogar sicher dass es sie gibt.

Wenn dem dann so ist, dann gestattet Imperial2030 einen Einblick in diese Welt, eine Welt in der alle Spieler gewinnen, in der alle Rivalen friedlich und freundlich Katastrophen planen und am Ende alle reicher sind als am Anfang. Nur die Leute unter ihnen nicht. Und das könnte zu denken geben.

Und selbst für jene die nichts daraus lernen bleibt es eben was es in erster Linie ist: ein phantastisches Brettspiel das ich aus vollem Herzen empfehlen möchte.

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Petra vom Frankenwald

Petra vom Frankenwald bewertete diesen Eintrag 28.05.2021 17:20:11

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