Die Enthüllungen rund um das Internierungslager „Alligator Alcatraz“ im Herzen der Everglades werfen ein grelles Licht auf die Abgründe der US-amerikanischen Einwanderungspolitik. Noch im Juli 2025 waren dort über 1.800 Menschen inhaftiert. Heute fehlen von zwei Dritteln dieser Männer jede Spur. Laut Recherche der Miami Herald existieren für rund 800 dieser Menschen keinerlei Einträge in der ICE-Datenbank. Weitere 450 tauchen zwar auf, jedoch ohne Ortsangabe – lediglich mit dem völlig nichtssagenden Hinweis: „Call ICE for details.“ Das bedeutet im Klartext, dass selbst Angehörige oder Anwälte nicht erfahren können, ob jemand noch lebt, wo er sich befindet, oder ob er längst deportiert wurde.
Theoretisch könnte ein Teil der Inhaftierten sogar noch im „Alligator Alcatraz“ sitzen, obwohl ein Bundesgericht die Schließung angeordnet hatte. Andere Vermutungen bewegen sich zwischen chaotischen Abschiebungen, Deportationen in Drittländer oder gar geheimen Transfers in andere Gefängnisse. Die Geschichten einzelner Betroffener lassen Schlimmes ahnen: Menschen wurden „versehentlich“ nach Guatemala abgeschoben, obwohl sie einen laufenden Prozess hatten; ein Kubaner verschwand nach einem Transfer spurlos, bis er völlig unerwartet in Mexiko auftauchte – ohne Kontakt zu Familie oder Rechtsbeistand.
Dies alles erinnert fatal an historische Parallelen. Hier werden Schutzsuchende und langjährig im Land Lebende in einer rechtlichen Grauzone behandelt, die den Lagern in Deutschland 1933 ähnelt: Orte ohne Transparenz, ohne verlässliche Rechtsgrundlage, ohne Zugang zu Anwälten – faktisch ein Zustand organisierter Rechtlosigkeit. Jeder Mensch hat Anspruch darauf, den Rechtsweg zu beschreiten, doch genau dieser Anspruch wird hier systematisch missachtet.
Die Folgen sind nicht nur menschlich verheerend, sondern auch politisch brandgefährlich. Wenn Hunderten Menschen die Spur verloren geht, öffnet das Tür und Tor für Gerüchte über Massengräber oder brutale Aussetzungen in den Sümpfen Floridas. Selbst wenn diese Extreme nicht zutreffen sollten, bleibt ein Fakt: Hier verschwinden Hunderte Personen im Schatten staatlicher Willkür. Das darf eine Demokratie niemals zulassen.