Wie Orbans Geschichtslügen-Schulbücher gewaltnahe Konflikte zwischen Österreichern und Ungarn verursachen

Nächste Woche gibt es wieder einen EU-Gipfel, bzgl. dem der ungarische Premierminister Viktor Orban angekündigt hat, Vetos einlegen zu wollen.

Allerdings ist das Verhältnis von Orban bzw. seiner Regierung zur EU bzw. anderen EU-Staaten ein durchaus problematisches, und auch wegen des gespannten Verhältnisses von Orban zu EU, Rechtsstaat und anderen Grundlagen der EU stehen immer wieder EU-Finanzsanktionen gegen Ungarn im Focus der Debatte.

Ein Aspekt, der zu diesem Thema passen würde, ist ein geschichtsverfälschendes ungarisches Oberstufenschulbuch (11. Schulstufe, also 7. Klasse Gymnasium).

Der gesamte erste Weltkrieg würde in einem anderen Licht erscheinen, wenn das stimmen würde, was das ungarische Schulbuch (https://www.tankonyvkatalogus.hu/site/kiadvany/OH-TOR11TB) in Verbindung mit der ungarischen Regierung (tankonyv@oh.gov.hu) besagt, denn in diesem wird die angriffskriegsbefürwortende Haltung des K.u.K.-Generals Hötzendorf fälschlicherweise auch dem Thronfolger Franz Ferdinand zugeschrieben (S. 79), der aber genau diesen Angriffskrieg (insbes. gegen Serbien) ablehnte, weil er glaubte, dass die Doppelmonarchie innere Reformen brauche und sich nicht auf äußere Konflikte einlassen sollte, weil er Serbien für unattraktiv hielt und, weil er befürchtete, dass ein Krieg gegen Serbien sehr leicht damit enden könnte, dass sich der österreichisch-ungarische Kaiser und der russische Zar gegenseitig stürzen.

Wenn Franz Ferdinand tatsächlich einen Angriffskrieg gegen Serbien befürwortet hätte, dann hätte ein serbisches Attentat auf ihn (wie in Sarajevo 1914 durch den jungen Serben Gavrilo Princip, vermutlich aufgestachelt durch den damaligen serbischen Geheimdienst in Kooperation mit dem russischen Geheimdienst und der Redl-Spionage-Affäre, erfolgt, was den Weltkrieg auslöste) eine gewisse Berechtigung.

Dass ungarische Geschichtsunterrichtsbücher eine derartige Geschichtsverfälschung betreiben, kann man auch als Hinwendung Ungarns zu einem serbisch-russischen Block und als eine Abwendung von EU und NATO betrachten. In diesen Kontext passt auch die äußerst negative Beurteilung britischer Historiker und Journalisten in diesen Büchern, wie zum Beispiel Seton-Watson und Wickham Steed (S. 139).

Lord Harold Harmsworth Rothermere, der sich für ein etwas größeres Ungarn einsetzte, kommt in diesem Buch zwar vor, aber nur in der Ausspracheerklärung (S. 289), was unüblich ist, weil Personenregister und Ausspracheregister eigentlich nur Personen, Orte und Objekte, etc. enthalten, die im Buch vorkommen, was die Möglichkeit nahelegt, dass eine Passage mit dem Plan eines etwas größeren Ungarn nach Rothermere in der Urversion dieses Schulbuches enthalten war, aber nachträglich auf politischen Druck von seiten der Orban-Regierung gelöscht wurde.

Dass in manchen Statistiken (S. 51) die Nationalitätenverteilung in der damaligen ungarischen Reichshälfte unter der Ausklammerung des fast ausschliesslich kroatisch besiedelten Kroatien aufgeschlüsselt wird, scheint den Hintergrund zu haben, durch diesen Kroatien-Ausschluss eine 54%ige ethnisch-ungarische Mehrheit zu schaffen, die durch Hinzuzählung von 2 bis 3 Millionen Kroaten in Kroatien (das formal zur ungarischen Reichshälfte gehörte) zu einer 46%-Minderheit schrumpfen würde.

Generell ist die Anwendung dieses Mehrheitsprinzips zur Ziehung von Grenzen vermutlich ungeeignet, weil gerrymander-ähnlich derjenige, der die Macht hat, die Grenzen des Abstimmungsgebiets festzulegen, bei Mehrheitsprinzip einen erheblichen Einfluss auf Abstimmungsergebnis und Grenzverlauf hat. Die Alternative dazu wäre das Reziprozitätsprinzip, das im konkreten Fall bedeuten würde, dass die kroatisch-ungarische Grenze so zu ziehen wäre, dass ungefähr genausoviele ethnische Ungarn als Minderheit in Kroatien leben müssen, wie ethnische Kroaten in Ungarn, und dass gleichzeitig diese Minderheiten möglichst klein sein sollen (Begriffe betreffen beide Geschlechter).

Auf jeden Fall ist eine äußerst knappe ungarische Mehrheit in einer ungarischen Reichshälfte ohne Kroatien keine Rechtfertigung für einen Territorialanspruch auf die gesamte ehemalige ungarische Reichshälfte, so wie ihn der ungarische Premier Orban immer wieder andeutet, egal, ob per Karte oder Schal.

Dieses Schulbuch, dessen Geschichtsverfälschungen auch massive Konflikte bis hin zur Gewalttätigkeit, insbesondere von Ungarn gegenüber Österreichern auslösen kann, wurde kurioserweise vom Europäischen Sozialfonds der Europäischen Union kofinanziert, unter dem Titel „Investieren in die Zukunft“, ein Argument gegen EU-Finanzhilfe an Ungarn. Es ist ein Buch aus dem NAT2020.

Dieses geschichtsverfälschende ungarische Schulbuch kann, eben weil es zu ungunsten des österreichischen Thronfolgers Franz Ferdinand verfälscht, auch Gewalt von Ungarn gegenüber Österreichern verursachen. Das Klima zwischen Ungarn und Österreich ist ohnehin gespannt, und wenn noch zusätzlich wie in diesem ungarischen Schulbuch der falsche Eindruck geschaffen wird, der österreichsiche Thronfolger Franz Ferdinand habe Ungarn in eine katastrophale Weltkriegsniederlage hineingestürzt, die den für Ungarn sehr schmerzlichen Trianon-Vertrag von 1918 zur Folge hatte, dann können Schlägereien die Folge sein.

Meine Empfehlung für alle diese Fälle, in denen diese geschichtsverfälschende ungarische Schulbuch Konflikte oder konfliktnahe Situationen auslöst, ist folgende: versteifen Sie sich nicht darauf, zu erklären, dass das Schulbuch Falschinformationen enthält - das werden viele Ungarn nicht glauben, weil sie wie Viele den eigenen Schulbüchern a priori mehr Glaubwürdigkeit zugestehen als irgendeinem Ausländer.

Falls der Versuch scheitert, die Situation durch direkte Kritik am Schulbuch zu entschärfen, so sollten Sie versuchen, sich durch Königin Elisabeth und Graf Andrassy aus der Bredouille und aus der Schlägerei-Gefahr zu ziehen: Königin Elisabeth, also die Frau von Kaiser Franz Joseph und die Mutter der Thronfolger Rudolf , war auch Königin von Ungarn und sehr ungarnfreundlich. Insbesondere hat sie sich für den Grafen Andrassy eingesetzt, der wegen 1848-Revolutionsbeteiligung einen schlechten Ruf in Wien hatte. Vermutlich übertriebene Gerüchte sagen "Sissy" Elisabeth und dem Grafen Andrassy auch eine ins Sexuelle gehende Beziehung nach, manche behaupten sogar, eines von Sissys Kinder sei von Andrassy, auch wenn die habsburgische Familienähnlichkeit dagegenspricht.

Aber auf jeden Fall ist das Naheverhältnis zwischen der österreichischen Kaiserin Elisabeth und dem ungarischen Grafen Andrassy eine Möglichkeit, Ungarn zu besänftigen, die wegen dieses verfälschenden ungarischen Geschichtsschulbuchs aus der Orban-Produktion einen Hass auf Österreicher haben, weil Franz Ferdinand angeblich, aber nicht wirklich durch Befürwortung eines Krieges gegen Serbien die Ungarn in einen katastrophalen Krieg hineingezogen hätte, und in den in der Tat harten Vertrag von Trianon 1920, den Orban immer wieder skandalisiert, obwohl er ca. 100 Jahre her ist. Übrigens erwähnt Orban auch nicht (bzw. vertuscht), dass die Verträge von Versailles (Deutschland betreffend) und von Saint-Germain (Österreich betreffend) durchaus noch härter waren als der Ungarn betreffende Trianon-Vertrag.

Doch zurück zur EU-Kofinanzierung: es ist unklar, ob die EU weiss, was sie hier kofinanziert - vielleicht ist es nur eine Überlegung der Form "Wenn Ungarn EU-Mitglied ist, dann steht ihm auch EU-Kofinanzierung in manchen Bereichen zu".

Und gerade, was den Gazakrieg betrifft: den Verdacht, dass die EU-Finanzierungen zu Gewalt oder gewaltnahen Situationen führen können, kann man nicht nur im Nahostkonflikt haben, sondern wie gesagt, auch im österreichisch-ungarischen Konflikt, auch wenn beträchtliche Unterschiede im Ausmaß bestehen.

Ich versuche übrigens schon seit ca. einem Jahr, diesen Text oder Ähnliche bei irgendeinem etablierten Medium publiziert zu bekommen - allerdings völlig ohne Erfolg. Kritik an EU-Kofinanzierung ist für Mainstream-Medien möglicherweise ein rotes Tuch und ein Thema, das mit Publikationsverbot belegt ist.

Was eine problematische Sache ist, weil man Orbans Geschichtsverfälschungen nicht kritisieren kann, ohne die damit zusammenhängenden EU, -Kofinanzierungen zu erwähnen bzw. ohne dass die damit in Zusammenhang stehenden EU-Kofinanzierungen offensichtlich werden.

Natürlich sollte das nicht passieren, dass EU-Kofinanzierung von geschichtsverfälschenden, EU-feindlichen Schulbüchern erfolgt, und natürlich sieht das sehr blöd aus, wenn EU-Kofinanzierung über geschichtsverfälschende ungarische Schulbücher zu Schlägereien zwischen Ungarn und Österreichern (oder Deutschen) führt oder zu führen droht - aber es ist nun einmal so. Und da es nun einmal so ist, sollte man das auch publizieren können, und nicht mit Zensur und Publikationsverbot unterdrücken.

https://www.tankonyvkatalogus.hu/site/kiadvany/OH-TOR11TB

Da das wilhelministische Deutschland damals ein Verbündeter von K.u.K-Österreich-Ungarn war, besteht auch eine gewisse Gefahr für Deutsche durch dieses Schulbuch. Daher empfehle ich Ähnliches für den Fall von Konfliktsituation in Zusammenhang mit diesem geschichtsverfälschenden Schulbuch.

Orban-Ungarn hat sich gelegentlich über problematische russische Geschichtsbücher bzw. Geschichtsschulbücher beschwert, z.B. in ZUsammenhang mit dem ungarischen Volksaufstand 1956 ("56-os forradalom" in ungarischer Sprache), was man in Zusammenhang mit ähnlichen Problematiken in eigenen ungarischen Schulbüchern als Doppelmoral betrachten kann oder muss.

Instagram / u.U. Orban

Orban mit Großungarn-Schal, der bei allen Staaten, die durch ein Großungarn Gebiete verlieren würden (z.B. Kroatien, Ukraine, Slowakei, Rumanien, etc.) Proteste und Irritationen auslöste.

Als Vergeltungsaktion zu Orbans Territorialforderungen könnten wir Österreicher natürlich Sopron/Ödenburg zurückverlangen, das nur durch ungarische Wahlmanipulation bzw. Abstimmungsmanipulation im Jahr 1921 an Ungarn kam, wie auch regionale Behörden und Politiker in Sopron/Ödenburg zugeben, was Orban allerdings regelmäßig vertuscht.

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