Das deutsche Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat dem Antrag des deutschen Bundesrats (quasi eine Sammlung der Landesregierungen), die NPD zu verbieten, nicht stattgegeben.

http://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2017/bvg17-004.html

Nach erstem Augenschein sind bei diesem Urteil zwei Dinge auffällig:

1.) Die Urteilsbegründung bezieht sich nicht nur auf rein juristisch-inhaltliche Eigenschaften der NPD. Es scheint vielmehr hauptsächlich auf den Erfolgschancenaspekt des NPD-Verbots abzustellen. Und somit auf pragmatische Erwägungen.

2.) Das Urteil stellt eine Änderung der Judikaturlinie dar: d) "... hält der Senat nicht fest." Die Judikaturlinie aus den 1950er Jahren, als das letzte Parteienverbot erfolgte, damals gegen die KPD, die damals noch den "großen Bruder" Sowjetunion, insbesondere stalinistische Sowjetunion bis 1953, hatte, hatte zur Grundlage, dass juristische Eigenschaften der KPD ausschlaggebend seien, aber nicht ihre Erfolgschancen.

Links:

https://de.wikipedia.org/wiki/KPD-Verbot

Ich habe in verschiedenen Blogs Kritik am österreichischen Verbotsgesetz geübt, auch und insbesondere wegen zahlreicher Aspekte, die ich für konterproduktiv halte.

Links:

https://www.fischundfleisch.com/dieter-knoflach/zum-kontraproduktiven-ns-verbotsgesetz-und-dem-weisungsstreit-29260

https://www.fischundfleisch.com/dieter-knoflach/ruth-wodak-parteipolitik-unter-dem-deckmantel-der-wissenschaft-oder-was-25032

Die Kritik beruhte auch darauf, dass das österreichische Verbotsgesetz dem rechten Flügel der FPÖ eine Art Märtyrerbonus zu verschaffen scheint, so nach dem Motto "Wie ungerecht dieser angebliche Rechtsstaat doch ist: Stalins (Völker-)Morde darf man leugnen und gröblich verharmlosen, Hitlers nicht".

Das österreichische Verbotsgesetz hat mehrere praktische Probleme:

.) es enthält willkürliche, gummiparagraphenartige und mißbrauchbare Formulierungen wie "nicht erwähnte Formen der Wiederbetätigung", die kaum angewandt werden und denen Geschworenengerichte oftmals nicht folgen. Sodass es optisch gesehen eine Art stalinistisches Willkürgesetz ist.

.) es wurde zu einer Zeit (1947) beschlossen, als Stalin bzw. die rote Armee Wien kontrollierte.

Ich kann die Lage in Deutschland nicht genau beurteilen, und ich kenne die NPD nicht genau genug, um mir ein wirklich gutes Urteil anmaßen zu können, aber rein prinzipiell erscheint es mir plausibel, dass ein NPD-Verbot durch das BVerfG auch der NPD einen Märtyrerbonus und Mitleidseffekt hätte verschaffen können.

Vielleicht nach dem Motto "Die SED-Nachfolgepartei, die Linke, darf existieren, wir aber nicht", oder so.

Der Meinung, dass es sich beim Nicht-Verbot um einen Erfolg der NPD handle, kann ich nicht zustimmen.

Kann man das Urteil des BVerfG in der NPD-Frage als (absichtlichen oder unabsichtlichen) Appell an Österreich verstehen, sein Verbotsgesetz zu ändern ? Vielleicht ja.

Zum deutschen Bundesrat:

https://de.wikipedia.org/wiki/Bundesrat_(Deutschland)

SPD ist laut wikipedia in 13 Landesregierungen vertreten, Grüne in 11, CDU in 6, CSU in 1, FDP in 1, Linke in 3, SSW in 1.

Ich weiß nicht, wer die treibende Kraft hinter dem NPD-Verbotsantrag war, aber es könnten eher SPD, Grüne, Linke gewesen sein. Diese Parteien sollten das Urteil vielleicht als Mahnung verstehen, in Zukunft politischer zu agieren und weniger juristisch.

Schade, dass Helmut Schmidt tot ist, und man ihn nicht fragen kann, was er von diesem NPD-Verbotsantrag und diesem Urteil hält.

Das hätte mich wirklich interessiert.

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